Glanzloser 3:0-Sieg in der Nachtschicht von Astana. Bastian Schweinsteiger, Mario Götze und Thomas Müller treffen für die DFB-Elf, die in der zweiten Hälfte teilweise schwer unter Druck geriet.

Astana. Es war bereits kurz vor zwei Uhr nachts, als Bundestrainer Joachim Löw im 4900 Kilometer entfernten Astana den Weg in die Kabine suchte. Mit 3:0 hatte seine Mannschaft soeben die Partie gegen Außenseiter Kasachstan gewonnen, doch wirklich freuen konnten sich der 53 Jahre alte Fußballlehrer nicht. "Kasachstan stand mit zehn Mann um den eigenen Strafraum, da war es natürlich schwer Räume zu finden", analysierte der Coach nüchtern.

Die mit Spannung erwartete Entscheidung Löws, ob der Bundestrainer tatsächlich erstmals in einem Pflichtspiel eine Aufstellung ohne nominellen Stürmer wagen würde, wurde bereits Stunden vor dem Anpfiff zur Geisterstunde getroffen. Da mit Bayerns Mario Gomez der letzte verbliebene Torjäger am frühen Nachmittag mit einer leichten Zerrung im rechten Oberschenkel passen musste, blieb Löw gar nichts anderes übrig als die sogenannte spanische Variante. "Für uns ist das eine zusätzliche Option", sagte der Bundestrainer, der ins Sturmzentrum Kreativkraft Mario Götze beorderte, dahinter durften sich Müller (rechts), Mesut Özil und überraschend auch Julian Draxler (links) austoben.

Letztgenannter musste allerdings nach einem schmerzhaften Zusammenprall mit Gegenspieler Mark Gurman nach nur 17 Minuten schon wieder auf der Bank Platz nehmen. Die erste Diagnose: Verdacht auf Gehirnerschütterung. Für den 19-Jährigen kam Lukas Podolski ins Spiel, der nur wenige Sekunden nach seiner Einwechslung den ersten Treffer des Tages bejubeln durfte. Einen Schuss Bastian Schweinsteigers fälschte Thomas Müller unhaltbar zum frühen 1:0 ab. Und weil es so schön war, legte zwei Minuten später Aushilfsstürmer Götze nach Vorarbeit Müllers zum 2:0 nach. Doch wer jetzt dachte, dass es in der Folge nur so weiter gehen würde, der irrte: es waren trotz 73 Prozent (!) Ballbesitz die einzigen Höhepunkte einer stürmer- und leider auch erfolglosen ersten Halbzeit gegen die Nummer 139 der Welt. "Die Diskussion um die Taktik ist mir ein wenig über. Wir wollten einfach nur ein bisschen variabler sein", sagte Löw.

+++DIE HÖHEPUNKTE DER PARTIE ZUM NACHLESEN+++

Michael Ballack, der bei seiner gelungenen Premiere als TV-Experte im deutschen Fernsehen das spanische System ohne Stürmer bereits vor dem Anpfiff in Frage stellte, durfte sich jedoch nach dem ersten Durchgang bestätigt fühlen. Die Variante ohne Angreifer könne nur eine Ausnahme sein, sagte Ballack, dass es ein Modell für die Zukunft sei, "wage ich zu bezweifeln".

Auch im zweiten Durchgang konnte die DFB-Mannschaft keine Überzeugungsarbeit leisten. Tatsächlich waren die ersten Torchancen Fußballzwerg Kasachstan, das in der Weltrangliste zwischen Tahiti und Turkmenistan platziert ist, vorbehalten. Zunächst überprüfte der kurz zuvor eingewechselte Konysbaev die Qualität der deutschen Torlatte (69.), ehe der bei Greuther Fürth unter Vertrag stehende Schmidtgal wenig später an Manuel Neuer scheiterte (71.). Die wenigen mitgereisten Deutschen mussten sich lange gedulden, ehe auch sie sich über eine Chance und zugleich über das 3:0 durch Müller (74.) freuen durften.

Aus Hamburger Sicht passte zu dem alles in allem enttäuschenden Abend, dass die einzigen nicht eingesetzten Nationalspieler die aktuellen HSV-Profis Heiko Westermann und René Adler sowie der frühere Hamburger Jerome Boateng waren. Ob einer von ihnen eine Einsatzchance beim Wiedersehen mit Kasachstan am Dienstag in Nürnberg bekommt, scheint fraglich. Klar ist nur, dass Löw, der über Nachnominierungen nachdenkt, auf den dann gesperrten Schweinsteiger verzichten muss. Schlusswort Götze: "Es war schwer, weil Kasachstan die Räume eng gemacht hat. Ob das System ohne Stürmer Zukunft hat, kann nur vom Trainer beantwortet werden."

Das Schema zum Spiel:

Kasachstan: Sidelnikow/FK Atobe (33 Jahre/16 Länderspiele), Gurman/Kairat Almaty (24/10), Logwinenko/FK Atobe (24/17), Dmitrenko/FK Astana (21/5), Kirow/FK Astana (28/27) - Nurdauletow/FK Astana (30/30), Baischanow/Schachtjor Karaganda (28/15) ab 36. Korobkin/FK Astana (28/3) - Dscholtschijew/Tobol Kastanai (21/5), Chajrullin/FK Atobe (28/10) ab 65. Konysbajew/FK Astana (23/13), Schmidtgal/SpVgg Greuther Fürth (27/11) - Ostapenko/FK Astana (27/38) ab 82. Geterijew/Kairat Almaty (27/6). Trainer: Beranek

Deutschland: Neuer/Bayern München (26/37) - Lahm/Bayern München (29/97), Mertesacker/FC Arsenal (28/87), Höwedes/Schalke 04 (25/12), Schmelzer/Borussia Dortmund (25/10) - Khedira/Real Madrid (25/38) ab 82. Gündogan/Borussia Dortmund (22/6), Schweinsteiger/Bayern München (28/98) - Müller/Bayern München (23/40) ab 82. Schürrle/Bayer Leverkusen (22/22), Özil/Real Madrid (24/45), Draxler/Schalke 04 (19/4) ab 19. Podolski/FC Arsenal (27/108) - Götze/Borussia Dortmund (20/21). Trainer: Löw

Schiedsrichter: Anastasios Kakos (Griechenland)

Tore: 0:1 Schweinsteiger (20.), 0:2 Götze (22.), 0:3 Müller (74.)

Zuschauer: 30.000 (ausverkauft)

Gelbe Karten: Logwinenko, Korobkin, Dmitrenko - Schweinsteiger, Höwedes