Der ehemalige St. Pauli-Trainer wurde beim Retortenklub nach nur acht Monaten entlassen. Er hatte keine Zeit, seine Ideen zu etablieren.

Hoffenheim. Geradezu überschwänglich klang Dietmar Hopp, als er Holger Stanislawski im Sommer 2011 als neuen Trainer der TSG 1899 Hoffenheim präsentierte. Hoffentlich noch acht Jahre bleibe "Stani" bei der TSG, so der Tonus des Klub-Mäzens damals. Ihm war es gelungen, das Hamburger Ur-Gestein von seiner großen Liebe St. Pauli loszueisen und in die Provinz zu locken. Nun, acht Monate später, endete ein großes Missverständnis. Die Hebel der Branche griffen, nach dem Pokalaus gegen Fürth wurde Stanislawski vor die Tür gesetzt. Wie so oft wurde eine entschärfte Sprachregelung gefunden, ob die kurze Liaison zu beenden. So habe die Trennung nach einem "langen Gespräch" im "gegenseitigen Einvernehmen" stattgefunden.

Der TSG aus Hoffenheim mangelte es an Geduld mit Stanislawski. Mit ihm müssen auch seine Assistenten André Trulsen und Hans-Peter "KaPe" Nemet gehen. Als sein Nachfolger wird nun Markus Babbel heiß diskutiert. Dieser war selbst erst am 18. Dezember 2011 bei Hertha BSC Berlin entlassen worden.

„Wir schätzen Holger Stanislawski als Menschen und als fachkundigen Trainer. Doch nach einem langen, konstruktiven Gespräch mit ihm sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es besser ist, die Zusammenarbeit im Interesse aller Beteiligten zu beenden“, erklärte Manager Ernst Tanner in einer Pressemitteilung vom Donnerstag. „Die jüngsten sportlichen Entwicklungen waren hierfür sicherlich ausschlaggebend.“

Stanislawski, der langjährige Coach des FC St. Pauli, betreute 1899 erst seit Beginn dieser Saison und hatte ursprünglich einen Vertrag bis zum 30. Juni 2014. Die Hoffenheimer waren am Mittwochabend mit 0:1 gegen Fürth im DFB-Pokal-Viertelfinale ausgeschieden. Bereits am Samstag nach dem 2:2 gegen den FC Augsburg hatte Stanislawski heftig seine Spieler kritisiert und erste Zeichen von Resignation gezeigt. In der Liga hatte sein Team aus den letzten zehn Spielen nur einen Sieg geholt und die letzten fünf Heimspiele nicht mehr gewonnen.

Stanislawski scheiterte auch am mächtigen Mäzen Dietmar Hopp. Der Milliardär hatte einerseits einen Sparkurs ausgerufen. So wurden Leistungsträger wie Demba Ba, Chinedu Obasi und Vedad Ibisevic verkauft. Andererseits wollte Hopp nicht mit ansehen, wie die Hoffenheimer sich allmählich zum Abstiegskandidaten entwickelten. Noch am 30. Januar hatte der SAP-Mitbegründer in einem „Kicker“-Interview gemahnt: „Wir müssen Geduld haben, das habe ich auch Stani gesagt. Und ich hoffe, Stani ist in acht Jahren noch hier.“

Am Donnerstagmorgen bekam „Stani“, wie ihn auch in Hoffenheim alle nannten, von Tanner mitgeteilt, dass er gehen könne. Da half auch die lautstarke Unterstützung der Fans im Pokalspiel nichts mehr: Als die Mannschaftsaufstellung vom Stadionsprecher ausgerufen wurde, da brüllten die Anhänger nach jedem Spieler-Vornamen: „Stanislawski!“ Auch nach der Viertelfinal-Niederlage riefen die Zuschauer nach dem

1899-Coach, der winkte um 20.53 Uhr nochmal Richtung Südtribüne. Da ahnte er schon, dass er im Kraichgau keine Perspektive mehr hatte. Zumal Hopp seine Arbeit noch kurz vor der Partie öffentlich kritisiert hatte: „Ich sehe keine Linie im Spiel der Mannschaft, es ist keine Entwicklung zu erkennen.“

Stanislawski lobte am Mittwochabend noch sein Team für einen engagierten Auftritt, spielerisch war die Partie jedoch ein Armutszeugnis. Und so musste er als fünfter Trainer in der laufenden Bundesliga-Saison seinen Posten vorzeitig räumen. In Hoffenheim ist nach dem Abgang von Erfolgscoach Ralf Rangnick vor gut einem Jahr keine Kontinuität eingekehrt: Nach Marco Pezzaiuoli scheiterte nun der volksnahe Stanislawski, der dem Retortenclub Seele und Leidenschaft einhauchen sollte.

Am Vorabend hatte sich der Protest der gerade mal 14.000 Zuschauer nach 93 Minuten in Grenzen gehalten. Als die Pokal-Überraschung des Viertelfinals perfekt war und der Zweitligist Greuther Fürth beim Bundesligaklub 1899 Hoffenheim mit 1:0 gewonnen hatte, waren die meisten Anhänger, die sich zuvor noch mit zahlreichen Plakaten zu Trainer Holger Stanislawski bekannt hatten, bereits wieder auf dem Heimweg. "Das ist sehr enttäuschend für uns. Hätte, wenn und aber zählt im Pokal nicht. Wir sind raus", sagte Hoffenheims Coach, der nun mehr als je zuvor um seinen Job zittern muss . "Meine Person ist jetzt zweitrangig. Mir ist egal, was gerade über mich gesagt wird."

Dabei wurde die Luft für Stanislawski im Kraichgau schon vor dem Aus im Pokalviertelfinale, das bereits in der ersten Hälfte durch einen Treffer Oliver Occeans (44.) besiegelt worden war, dünn. "Es ist schwer, eine Linie zu erkennen", hatte Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp zu dem mutmaßlich fehlenden Konzept seines Trainers gesagt. Die Meinung dürfte sich nach der Pokalpleite, die auch durch einen Platzverweis (36.) gegen Marvin Compper nach einer angeblichen Tätlichkeit begünstigt wurde, nicht geändert haben.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dapd soll Mäzen Hopp Manager Ernst Tanner bereits vor der richtungsweisenden Partie gegen Fürth angehalten haben, mit dem kürzlich bei Hertha BSC entlassenen Markus Babbel Sondierungsgespräche zu führen. Tanner selbst nahm nach der Pressekonferenz kurz Stanislawski in den Arm und verschwand entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit nach nur wenigen Worten: "Ich werde mich zur Trainersituation mit Sicherheit nicht äußern. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, wenn alles mit Emotionen geladen ist."

Stanislawski reagierte äußerlich vor und nach der Niederlage gelassen. "Man nimmt das so zur Kenntnis und macht sich seine Gedanken. Ich kann mit Druck umgehen. Wichtig ist, dass die Jungs funktionieren", sagte der Trainer unmittelbar vor dem Spiel. 12 Stunden später bekam er in Hoffenheim die Papiere.

Bei Stanislawski fand Hopp nichts mehr zu finden, was ihm gefiel. Babbel war nach der Niederlage von Hertha BSC im letzten Vorrundenspiel in Hoffenheim entlassen worden und ist kurzfristig verfügbar. Tanner dagegen soll eher Hoffenheims A-Jugend-Trainer Alfons Higl favorisieren, den er schon inthronisieren wollte, ehe Hoffenheim den damaligen DFB-Trainer Marco Pezzaiuoli im Januar 2011 verpflichtete. Das einst so enge Verhältnis zwischen Hopp und Tanner scheint Risse bekommen zu haben.

Dass entscheidende Akteure in Hoffenheim vermehrt über Interviews miteinander kommunizieren, beunruhigt auch Mannschaftskapitän Tom Starke: "Es ist sicherlich nicht gut, wenn man nur über die Medien kommuniziert." Wobei auch Starke weiß, dass Stanislawski mit seiner Art aneckt. "Wenn ich richtig wütend bin, kann ich den Eiffelturm verrücken", sagt er. Was im großen Hamburg funktionierte, verschreckte die Offiziellen in Hoffenheim und ließ sie vom Trainer abrücken.

Dabei hatte Hopp mit seiner Kritik im Kern sicherlich recht: Stanislawski hatte seine Linie einfach nicht gefunden. Weder in der Spielorganisation, vor allem aber im Umgang mit seinen Spielern. Mal stellte er sich schützend vor sie und sich selbst infrage, wie direkt nach dem Unentschieden gegen Abstiegskandidat Augsburg (2:2) am vergangenen Wochenende. Dann wieder kritisierte er, das "Wollen" sei das große Problem seiner Spieler und fügte hinzu: "In einem Team muss man bereit sein, sich selber mal in den Hintergrund zu stellen. Das ist hier nicht der Fall."

In seinen 18 Jahren als Spieler, Vizepräsident und Manager sowie Trainer des FC St. Pauli kannte Stanislawski sein Umfeld dort ganz genau. Selbst der relativ sang- und klanglose Abstieg aus der Bundesliga in der vergangenen Saison nach nur einem Jahr im Oberhaus konnte ihm in Hamburg nichts anhaben, er war eine Ikone des Vereins und ist es immer noch. In Hoffenheim ist dies Hopp, auch wenn er offiziell keine Funktion innehat. Stanislawski ist austauschbar. "Ich werde nicht hinschmeißen", versicherte er. Doch über Trainerfragen entscheidet, wie Hopp am Mittwoch der "Bild-Zeitung" sagt, "die sportliche Leistung". Neben Manager Tanner gehört dazu auch ein Vereinsbeirat - besetzt mit Vertrauten Hopps. Die Installation dieses Gremiums war vor fast genau einem Jahr einer der Gründe, warum Ralf Rangnick den Verein verließ. Auf einen freiwilligen Rückzug seines Trainers wollte Hopp diesmal nicht warten. Man darf jedenfalls gespannt sein, wer auf Hoffenheims Trainerbank sitzen wird, wenn 1899 am Wochenende bei Werder Bremen antreten muss.

Mit Material von dapd und sid