Die St.-Pauli-Legende im Amt bei Hoffenheim spricht beim Bundesligisten offen über die Probleme und bekommt das Vertrauen von Mäzen Hopp.

Sinsheim. Scheitert das Projekt von 1899 Hoffenheim mit Holger Stanislawski? Nach dem 2:2 (1:1) des nordbadischen Bundesligisten gegen den FC Augsburg saß der Coach minutenlang regungslos auf der Bank, dann redete er sich bei der Pressekonferenz den Frust von der Seele. Es geht im Kraichgau einfach nicht voran unter dem ehemaligen Coach des FC St. Pauli. Der zeigte erste Zeichen von Resignation und – eine Seltenheit im Fußballgeschäft – eröffnete die Diskussion um seine Person quasi selbst: „Ich sage ganz ehrlich: Ich trage die Verantwortung, und wenn ich dazu nicht in der Lage bin, die Spieler dahin zu bringen, so zu aktivieren, dass die Mannschaft funktioniert, dann liegt das am Trainer.“

Seele und Leidenschaft sollte der volksnahe Stanislawski dem Club des Milliardärs Dietmar Hopp einhauchen. Aber sein Team präsentiert sich vor allem bei Heimspielen oft derart leblos, dass die Zuschauerzahlen kontinuierlich sinken und sich einige Fans fragen, ob der von Hopp geforderte Umbruch nicht im Tabellenkeller endet. Zum ersten Mal sprach Stanislawski am Sonnabend das Wort „Abstiegskampf“ aus – was er partout vermeiden wollte.

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„Der Trainer genießt mein Vertrauen“, sagte Hopp der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Montag). Der Milliardär erklärte allerdings auch: „Stanislawski ist einer, der die Menschen begeistern kann. Aber es scheint, als ob die Begeisterungsfähigkeit noch nicht ausreichend bei der Mannschaft angekommt.“ Der Fußball, den sie spiele, „reißt derzeit nicht vom Hocker“.

„Es lag mit Sicherheit nicht am Wetter, es lag nicht am Platz, nicht an den Zuschauern: Es lag rein an unserer Leistung und für die Leistung bin ich verantwortlich“, meinte der im Sommer gekommene 1899-Coach, betonte auf Nachfrage aber auch: „Es wird keiner von mir hören – oder möchte irgendjemand von mir hören? – dass ich sage, ich stelle jetzt mein Amt zur Verfügung. Definitiv nicht, dann wäre ich nicht Holger Stanislawski.“ Er sei nicht ohnmächtig, es gelte nach 20 Spieltagen nur, den Dingen realistisch ins Auge zu sehen.

Die Wirklichkeit sah vor der Minuskulisse von 22 500 Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena so aus, dass Sascha Mölders mit seinem fünften Saisontreffer Augsburg in der 31. Minute in Führung brachte. Peniel Mlapa (38.) und Sejad Salihovic (51./Foulelfmeter) drehten den Spies um, ehe Sebastian Langkamp in der 72. Minute den verdienten Ausgleich für den Aufsteiger erzielte und damit den ersten Hoffenheimer Sieg 2012 verhinderte.

Neuzugang Srdjan Lakic, in den letzten Tagen geplagt durch eine Magen-Darm-Grippe, konnte bei seinem 15-minütigen Einsatz auch nichts mehr daran ändern, dass die Hoffenheimer vor allem diesen Eindruck machten: nervös, unsortiert in der Abwehr und planlos im Angriff. Im Gegensatz zu der Augsburger Mannschaft unter Jos Luhukay war kaum die Handschrift eines Trainers zu erkennen.

Vehement beklagte Stanislawski den Egoismus einiger Spieler: „Der eine oder andere ist ganz auf sich fixiert und guckt, dass er noch ein Törchen schießt.“ Er nannte keine Namen, dürfte aber vor allem Mlapa, Sejad Salihovic und Roberto Firmino gemeint haben. Die „Bereitschaft“, diesen Begriff nannte er immer wieder, sei einfach zu wenig vorhanden: sich einzubringen, sich an taktische Dinge zu halten, dem Mitspieler zu helfen.

Tom Starke redete ebenfalls Tacheles. „Das ist Kampf, Krampf“, sagte der Torhüter über den Auftritt seiner Kollegen und forderte: „Es muss sich einfach jeder hinterfragen, was er vorhat hier im Verein.“ Für Manager Ernst Tanner ist Stanislawski an einem Punkt angekommen, „wo er nicht mehr alles überspielt und schön redet. Das werden die Spieler auch merken.“ Für das DFB-Pokal-Viertelfinalspiel am Mittwoch gegen die SpVgg Greuther Fürth kündigte der Trainer einige Änderungen an. Streicheln und tätscheln, das werde es nicht mehr geben, sondern nur noch zwei Urteile über einen Profi: „Funktionierst. Funktionierst nicht – Bank!“ (dpa)