Joachim Löw vertraut gegen Ghana auf Cacau im Angriff und das Selbstbewusstsein seiner jungen Mannschaft

Erasmia. Wenn Trainer etwas kurz vor einem Spiel vermeiden, dann sind es personelle Festlegungen vor einer alles entscheidenden Partie. Dies gilt insbesondere bei einer WM. So überraschte Joachim Löw mit der Bestätigung, dass er beabsichtige, gegen Ghana (20.30 Uhr/ARD, Liveticker auf Abendblatt.de) Cacau für den gesperrten Miroslav Klose im Angriff aufzubieten, auch wenn sich Mario Gomez und Stefan Kießling als "Keilstürmer" noch anböten. Vielleicht hat sich der Bundestrainer auch ganz einfach gedacht, dass er sowieso schon genug mit Risiken zu tun hat.

Zum Beispiel, welchen Stil der brasilianische Schiedsrichter Carlos Simon bei der Leitung der Partie bevorzugen wird. Immerhin wusste Löw zu berichten, dass Simon "sehr korrekt in seiner Ausführung ist, fast schon pedantisch. Er mag nicht, wenn die Spieler mit ihm diskutieren". Wer also heute eine Verwarnung wegen Reklamierens kassierte, dürfte Ärger mit Löw bekommen.

Eine Unwägbarkeit ging Löw freiwillig ein: Seine Spieler gehen ohne Eingewöhnung in das vorgezogene K.-o.-Spiel. Weil er die Vorstellung scheute, dass seine Spieler mindestens zweieinhalb Stunden mit dem Bus im Feierabendverkehr Johannesburgs verbringen müssten, verzichtete er kurzerhand darauf, das Abschlusstraining in Soccer City zu absolvieren, und ließ seine Spieler um 17.15 Uhr wie gewohnt im Stadion von Atteridgeville üben. "Es war eine ganz knappe Entscheidung, schließlich weiß ich, dass es immer ein gutes Gefühl ist, wenn man vorher schon einmal dort trainiert hat", sagte Löw. "Aber viele Spieler wissen, wie es ist, in größeren Stadien zu spielen, mir war es wichtiger, dass sie schnell regenerieren."

Nach dem Abendessen setzte sich Löw dann mit seinen Co-Trainern Hansi Flick und Andreas Köpke zusammen, um die Aufstellung für das Entscheidungsspiel festzulegen. "Es kann sein, dass man bei einem Turnier auf wenigen Positionen noch eine Korrektur vornimmt, weil man damit noch etwas bewegen kann", sagte Löw vor Beginn der Vorbereitung. Gestern ließ er anklingen, dass womöglich jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen ist: "Ich überlege, die eine oder andere Position zu verändern, das ist durchaus denkbar. Als Trainer spielt man immer verschiedene Varianten durch, um zu sehen, welche Möglichkeiten man hat, wer von Beginn an spielt, wer später hereinkommt."

Während sein Nachsatz, auch eine Umstellung auf das 4-4-2-System mit zwei Spitzen sei eine Option, wohl eher eine Nebelkerze gewesen sein dürfte und er auch dieses Mal das 4-2-3-1-System bevorzugen wird, könnte Marcell Jansen tatsächlich zu seinem ersten Einsatz bei dieser WM kommen. Löw stufte ihn gestern nicht nur als "auf jeden Fall einsatzfähig" ein, sondern auch als Option in der linken Verteidigung, nachdem sich zu Beginn der Vorbereitung sogar Jansen eher als Alternative fürs linke Mittelfeld gesehen hatte. "Er macht körperlich einen guten Eindruck und hat sich besonders in Südtirol mit viel Biss enorm herangekämpft", lobte Löw, der entscheiden muss, ob er am gegen Serbien schwachen Holger Badstuber festhält oder nicht.

Womöglich passt der offensivere Jansen besser als Signal an die Mannschaft, dominant nach vorne zu agieren, wie es der Bundestrainer fordert. "Dieses Spiel wird uns körperlich, aber auch mental alles abverlangen", glaubt Löw und erinnert damit an seine Ausgangsthese vor dem WM-Turnier, als er zugab, dass das größte Risiko sei, dass er nicht wisse, wie diese junge, zum Teil unerfahrene Mannschaft in einer absoluten Drucksituation reagiere: "Diese Frage ist ganz schwer zu beantworten."

In den vergangenen Tagen hat er deshalb seine Spieler ganz genau beobachtet und viele Gespräche geführt. "Ich habe dabei den klaren Eindruck gewonnen, dass diese Mannschaft das erforderliche Selbstbewusstsein und die innere Überzeugung hat, dieses Spiel zu gewinnen", ist sich Löw sicher. "Ich spüre keine Nervosität, sondern Anspannung und Konzentration."

Einen Schuss Unwissenheit will sich Löw in Bezug auf das parallel laufende Spiel zwischen Serbien und Australien bewahren. "Ich möchte die Gedanken vermeiden, dass wir von den Spielern ständig nach dem aktuellen Stand gefragt werden, besonders in der ersten Hälfte. Wir müssen schauen, dass wir unser Spiel gewinnen. Allenfalls in der Endphase könnte es gut sein, das Ergebnis zu erfahren." Gerade dann könnte es auch für Löw wichtig sein, die Ruhe zu bewahren und richtig zu coachen. Ist eben alles reine Nervensache.

Nur eines steht jetzt schon fest. In der Nacht hat Löw einen Termin mit DFB-Präsident Theo Zwanziger. Entweder gäbe es dann "Champagner oder Wasser", sagte der Verbandschef. Bei einem Ausscheiden werde man dann besprechen, wie es weitergehe. Eine Kurzschlussreaktion Löws, also ein Rücktritt, soll so ausgeschlossen werden.

Und noch etwas ist gesichert: Bei einem Ausscheiden packt die DFB-Elf im Eiltempo ihre Koffer und fliegt bereits am Donnerstag um 18.55 Uhr von Johannesburg nach Frankfurt. Aber das ist nun wirklich nur eine reine Vorsichtsmaßnahme.