Deutschlands nächster Gruppengegner bei der WM in Südafrika steht nach einem 0:1 gegen Ghana bereits gewaltig unter Druck.

Pretoria. Der Respekt erwies sich als unbegründet. "Ich habe echt Angst vor Serbien, weil sie technisch stark und aggressiv spielen", hatte Ghanas Kapitän Stephen Appiah vor dem Duell mit Serbien gesagt und sich unnötigerweise in die Rolle des Underdogs befördert. Doch nach den gestrigen 90 Minuten in Pretoria dürfte der Mann vom FC Bologna dankbar registriert haben, dass auch sein Team recht gefällig spielen und es aufnehmen kann mit den vermeintlichen Großen der Gruppe D. 1:0 hieß es am Ende einer allerdings von spielerischen Höhepunkten weitgehend freien Partie. Das Tor des Tages erzielte Stürmer Asamoah Gyan in der 84. Spielminute per Handelfmeter und sorgte so für den ersten afrikanischen Sieg bei einer WM auf dem eigenen Kontinent. Serbiens Mittelfeldspieler Zdravko Kuzmanovic vom VfB Stuttgart hatte den Ball per Hand im eigenen Strafraum gespielt.

Das Spiel zum Nachlesen im Liveticker

Serbien fiel ansonsten hauptsächlich durch robustes Einsteigen auf. Eine Viertelstunde vor Schluss musste Aleksandar Lukovic mit Gelb-Roter Karte das Feld verlassen, Dortmunds Neven Subotic wurde eingewechselt und kam so zu seinem Debüt beim globalen Turnier. Kurioserweise hatten die Serben hernach in Unterzahl die beste Möglichkeit. Aber Milos Krasic scheiterte mit seinem Schuss aus zwölf Metern am glänzend reagierenden Schlussmann der Ghanaer, Richard Kingson. "Die Gelb-Rote Karte war spielentscheidend", klagte Coach Antic und behauptete kühn: "Ein Fehler hat den Unterschied gemacht. Das Ergebnis ist ein großer Schock für uns, jetzt müssen wir all unsere Energie für das Spiel gegen Deutschland sammeln." Am Freitag treffen die Serben in Durban auf das Team von Bundestrainer Joachim Löw. Eine Analyse nach dem ersten Spiel.

Die Stärken

Serbien verfügt in Nemanja Vidic über einen der besten Innenverteidiger der Welt. Der 28-Jährige von Manchester United ist robust und enorm kopfballstark. Er und die Mittelfeldspieler suchen im Aufbauspiel meist Marko Pantelic. Der Stürmer könnte Deutschland gefährlich werden, vor allem weil er die Spieler der Bundesliga und damit die Schwächen der Verteidigung der DFB-Elf kennt. Er spielte von 2005 bis 2009 für Hertha BSC und erzielte in 114 Liga-Spielen 45 Tore. Das Duell mit seinem ehemaligen Hertha-Mitspieler motiviert den Profi von Ajax Amsterdam: "Das Spiel gegen Deutschland ist für mich wie ein Derby." Er strotzt vor Selbstvertrauen und bewegt sich stets an der Grenze zum Abseits. Das erfordert von den Abwehrspielern viel Bewegung und ein gutes Auge. Mit einer Flanke sorgte er in der 59. Minute für eine der wenigen Chancen der Serben, doch Nikola Zigic verpasste knapp. Besonders achten müssen die Deutschen auch auf Milan Jovanovic: Er ist schnell, bleibt über weite Strecken völlig unauffällig, um sich dann plötzlich mit Sprints in den Angriff einzuschalten. Zigic setzt auf das Überraschungsmoment und hätte gegen Ghana beinahe die Führung erzielt.

Der Zusammenhalt

Die Spieler betonen immer wieder, dass die Reisen mit der Nationalmannschaft einem Familientreffen gleichen. "Wir sind wie Brüder", sagt Pantelic. Weilen sie bei ihren Klubs, telefonieren sie regelmäßig. Auch einige Spielerfrauen sind befreundet. "Der Zusammenhalt macht uns stark", sagt Gojko Kacar, und Pantelic nimmt Pechvogel Kuzmanovic in Schutz: "Wir verlieren zusammen und gewinnen zusammen. Es gibt keine Schuldzuweisungen."

Die Schwächen

Torhüter Vladimir Stojkovic ist beim englischen Klub Wigan Athletic nur zweiter Mann. Im ersten Gruppenspiel musste er kaum etwas halten und konnte sich nicht auszeichnen. Ihm fehlt die Spielpraxis. Und Lukovic, Vidics Partner in der Innenverteidigung, ist nach seiner Gelb-Roten Karte gegen Ghana für das Deutschland-Spiel gesperrt. Serbien muss also umstellen. Zudem haben die Serben Probleme beim Umschalten von Offensive auf Defensive. Spielt der Gegner schnell, ist das Mittelfeld oft ungeordnet, vor der Abwehr entstehen Räume, die Deutschland nutzen muss. Serbiens Schwachstelle gegen Ghana war die rechte Seite. Krasic offenbarte Defizite in der Rückwärtsbewegung. Er und seine Kollegen spielen oft zu langsam und verschleppen das Spiel. Sie ließen die Zielstrebigkeit vermissen. Die Körpersprache drückte keine Entschlossenheit aus, viele Fehlpässe und halbherzige Aktionen prägten die Partie gegen die Westafrikaner.

Der Kader

Serbien ist eine ausgeglichene Mannschaft. Auch die meisten Ersatzspieler stehen bei großen Klubs unter Vertrag, das Leistungsgefälle ist gering. Subotic ist eine verlässliche Alternative für die Verteidigung, Herthas Gojko Kacar für das Mittelfeld. Zoran Tosic (1. FC Köln), und Stürmer Danko Lazovic (Zenit St. Petersburg, gestern eingewechselt) können sich Hoffnungen auf einen Einsatz in den nächsten Spielen machen.

Die Taktik

Trainer Radomir Antic lässt ein 4-4-2 spielen. Vor der Abwehr verteilt Dejan Stankovic von Inter Mailand die Bälle. Der Kapitän und Trauzeuge Pantelics ist der einzige Spieler der Serben, der schon 1998 bei der WM in Frankreich dabei war. Angreifer Zigic von Birmingham City lässt sich oft ins Mittelfeld zurückfallen, um sich Bälle zu holen.