Der Jung-Schiedsrichter beteuert, er sei von Manfred Amerell unter Druck gesetzt worden. Ein Kollege will Ex-Funktionär Amerell verklagen.

Berlin. Am Sonnabend traf sich eine Gruppe von Männern, die viel zu besprechen hatten. Fast den ganzen Tag diskutierten drei Schiedsrichter mit Juristen und ihrem Vertrauensmann, wie sie im Fall Amerell verfahren wollen. Am Ende wurde beschlossen, in die Offensive zu gehen.

Die Betroffenen sollen vom ehemaligen Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell sexuell genötigt worden sein. Noch sind ihre Namen anonym, weil sie die Schmach fürchten. Und weil sie Angst haben, das gleiche Schicksal zu erleiden wie Michael Kempter. Der 27-jährige Unparteiische wurde von seinem einstigen Förderer Amerell öffentlich bloßgestellt, als dieser private E-Mails von Kempter veröffentlichte, die Rückschlüsse auf eine freiwillige Liebesbeziehung zulassen. Kempter dementierte dies und entgegnete, die Mails seien entstanden, weil Amerell jahrelang Druck aufgebaut und ausgeübt habe. "Wenn sie nicht so waren, wie er sie haben wollte, drohte er, mir Spiele wegzunehmen", sagte er. Amerell hat bereits angekündigt, die Schiedsrichter wegen Rufschädigung zu verklagen - und mit Kempter zu beginnen, von dem er zudem Schadenersatz fordern will.

Noch steht der jüngste Bundesliga-Schiedsrichter allein da, aber das soll sich ändern. Nach Informationen der "Welt" wollen weitere betroffene Schiedsrichter an die Öffentlichkeit gehen. Mindestens einer will Klage wegen sexueller Nötigung gegen Amerell einreichen.

Es geht den Betroffenen um Gerechtigkeit - und die Zurückeroberung der Meinungshoheit. Bislang haben Amerell und sein Anwalt Jürgen Langer die mediale Diskussion geschickt befeuert: Vor allem durch Amerells Auftritt bei "Kerner", wo er besagte E-Mails vorlegte, die Kempter ihm geschrieben haben soll. Unter anderem eine, die lautet: "Gleich spielen die Bayern. Hoffentlich fliegen sie raus."

Amerells Intention ist klar: Er will mit dieser Mail Kempters Glaubwürdigkeit erschüttern und dafür sorgen, dass dieser nie wieder in der Bundesliga pfeift. "Angesichts seiner Lügen kann ich mir eine Rückkehr nicht vorstellen", sagte er. Doch es gibt auch besonnene Stimmen in der Bundesliga. Schalke-Trainer Felix Magath etwa sagt: "Ich glaube, wenn man im Fußball engagiert ist, dann hat man auch zu dem ganzen Geschehen irgendwelche Meinungen. Und der FC Bayern polarisiert halt - das will er ja auch. Dass dann in einer Unterhaltung auch mal eine Aussage kommt wie 'Wenn die heute verlieren würden, würde ich mich freuen', ich glaube, das ist doch ganz normal."

Kempter sagte der "Welt", er prüfe derzeit, ob diese Mail tatsächlich von ihm stamme: "Erinnern kann ich mich nicht daran, sie soll ja aus dem Jahr 2007 stammen. Wenn ich doch so etwas geschrieben haben sollte, dann ist diese Aussage unbedacht gefallen. In diesem Fall werde ich mich bei den Verantwortlichen persönlich dafür entschuldigen." Er habe überhaupt nichts gegen den FC Bayern: "Im Gegenteil: Ich habe Spiele von ihnen immer sehr gern gepfiffen."

Der DFB teilte bereits mit, dass der Kontrollausschuss überprüfen wird, ob gegen den Referee ein Verfahren wegen unsportlichen Verhaltens eingeleitet wird. Bayern München reagierte gelassen auf den Vorfall. Der Klub habe "vollstes Vertrauen in den DFB", hieß es in einer Presseerklärung. Und Bayern-Mediendirektor Markus Hörwick ergänzte: "Wir sind nicht wegen Herrn Kempter im vergangenen Jahr nicht Deutscher Meister geworden." Kempter pfiff bislang fünf Bundesligaspiele des FC Bayern, davon gewannen die Münchner vier deutlich, eine endete torlos.

Doch um einen Nachweis von Parteilichkeit oder Benachteiligung geht es ja auch nicht. Längst ist das Thema zu einer Schlammschlacht ausgeartet - und an glitschigem Nachschub soll es nicht mangeln: "Wenn er nicht aufhört zu lügen, kann ich ihm ungefähr 100 weitere Mails zeigen. Oder ich werde auf Wunsch den Ordner mit den Mails Fifa, Uefa und dem DFB zur Verfügung stellen", sagte Amerell "Bild am Sonntag".

Immerhin: Kempter darf sich in der zu erwartenden Prozess-lawine der Unterstützung seiner ehemaligen Freundin Melanie sicher sein. Drei Jahre waren die beiden ein Paar, vor sechs Monaten trennten sie sich. Heute sagt sie, dass sie zwar immer gespürt habe, dass ihn etwas bedrückt. Gesprochen habe er jedoch nie über sein Verhältnis zu Amerell.