Nachdem der DFB und Manfred Amerell einen Vergleich schlossen, verriet der Ex-Schiedsrichter in der TV-Sendung “Kerner“ neue intime Details.

Hamburg. DFB-Präsident Theo Zwanziger möchte die pikante Akte ein für alle Mal schließen, doch Manfred Amerell will von einem Schlusspfiff im Schiedsrichter-Skandal noch lange nichts wissen. Der ehemalige Verbandsfunktionär und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) schlossen am Donnerstag nach einem dreieinhalbstündigen Gütegespräch im Münchner Justizpalast zwar einen außergerichtlichen Vergleich. Nach der Einigung vor dem Landgericht München I erhielt Amerell aber die von ihm angestrebte Einsicht in die Eidesstattlichen Erklärungen der bisher anonymen Schiedsrichter, die ihn neben Michael Kempter der sexuellen Belästigung beschuldigt hatten. Dabei erfuhr er auch deren Namen, darf diese aber nicht weiterreichen.

„Ich bin zufrieden mit dem Tag. Der Sinn der Sache war, dass wir die Namen kriegen“, sagte Amerell. Am Abend kündigte er in der TV- Sendung „Kerner“ an, dass er die Belastungszeugen des DFB verklagen will. „Mit allen vier wird sich in kürzester Zeit der Staatsanwalt beschäftigen.“ Zugleich attackierte er die DFB-Spitze um Zwanziger und nannte die Behauptung, er sei von seinen DFB-Ämtern zurückgetreten, eine „glatte Lüge“. „Ich wurde erpresst, das so zu machen“, sagte Amerell am Donnerstagabend bei der Aufzeichnung der Sat.1-Sendung in Hamburg.

Dank des Vergleichs zog Amerells Münchner Anwalt Jürgen Langer den Unterlassungsantrag gegen dessen Ex-Arbeitgeber zurück: Der DFB darf weiter öffentlich behaupten, Amerell habe in der Vergangenheit mehrere Schiedsrichter sexuell bedrängt und/oder belästigt. Auf die Frage von Moderator Johannes B. Kerner, ob er bisexuell sei, antwortete Amerell: „Könnte man so ausdrücken.“ Er betonte, dass er mit Kempter „keine Liebesbeziehung“ gehabt habe, sagte aber auch: „Ich mochte ihn sehr, sehr gern. Ich glaube, im Umkehrschluss war es genauso.“ Dreimal sei es zwischen ihnen zu „körperlichen Beziehungen“ gekommen. Den Vorwurf, er habe Kempter bedrängt, wies er strikt zurück: „Einvernehmlichkeit war vorhanden.“

Wenige Stunden zuvor in München hatte der 63 Jahre alte Hotelbesitzer aus Augsburg eines seiner Etappenziele erreicht: Den betreffenden Schiedsrichtern droht nun ein Strafprozess – was dem von Justiziar Jörg Englisch und Medien-Anwalt Christian Schertz (Berlin) vertretenen DFB kaum gefallen dürfte.

Dennoch zeigte sich auch Zwanziger zufrieden, scheint er sich doch zumindest fürs Erste Luft verschafft zu haben: „Wir haben den Fall transparent, aber mit der nötigen Vertraulichkeit gelöst. Das Ganze schadet uns nur, wenn wir Dinge unter den Teppich kehren würden. Das ist nicht der Fall“, sagte Zwanziger, der zudem betonte, dass er alles „im Griff“ habe. „Es gibt klare Ergebnisse, die Transparenz ist da. Der DFB ist kein Verband, in dem versteckt und gemauschelt wird.“ Amerell warf dem DFB-Boss hingegen vor, „in blindwütiger Art und Weise“ gehandelt zu haben. Mit Blick auf sich und Kempter sagte der Ex-Referee: „Er hat die Ehre von zwei Menschen auf dem Altar der Öffentlichkeit geopfert.“

Kempter habe ihn für seine eigene Karriere „benutzt“, sagte Amerell dem Sender Sat.1. „Ich unterstelle Kempter, dass er in einer Dreistigkeit lügt, wie ich es in meinem Leben noch nicht gehört habe.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete von einer ihr vorliegenden Mail Kempters an Amerell vom 21. Oktober 2008, in der vom „Schatz“ die Rede sei und von „gemeinsam verbrachter Zeit“.

Bereits am Mittwochabend hatten sich DFB und die Amerell-Seite um eine außergerichtliche Einigung bemüht, was aber laut Richter Lemmers am Fußball-Länderspiel scheiterte. In dem Gütegespräch am Donnerstag in einem Nebenzimmer wurde Amerell verpflichtet, die Namen der ihn belastenden Referees nicht zu veröffentlichen. Eine Zuwiderhandlung wird mit 25 000 Euro Geldbuße bestraft. Nach der nicht-öffentlichen Vorlesung der Eidesstattlichen Erklärungen verließen beide Parteien das Gerichtsgebäude durch einen Hinterausgang.

Amerell bestreitet weiterhin alle Vorwürfe, der DFB hatte den Fall ursprünglich schon vor zwei Wochen für abgeschlossen erklärt. Das Ergebnis der Verhandlung in München könne dem DFB egal sein, sagte Zwanziger auf einer Pressekonferenz am 24. Februar. Am Mittwochabend drohte er überraschend mit persönlichen Konsequenzen. „Wenn wir diesen Prozess verlieren, muss ich selbstverständlich sofort von meinem Amt als DFB-Präsident zurücktreten“, sagte er vor dem Länderspiel gegen Argentinien (0:1) dem „kicker“.

Sollte Amerell in einem möglichen Strafverfahren Recht behalten, hält Zwanziger Konsequenzen für unvermeidbar. „Dieser Fall träte ein, wenn die Aussagen aller jungen Schiedsrichter, die wir zu schützen haben, und ihre eidesstattlichen Erklärungen falsch wären. Denn dann wäre Herr Amerell das Opfer“. Laut „kicker“ erwägt der zuletzt heftig in die Kritik geratene Zwanziger offenbar, die Vertrauensfrage zu stellen. Über die Einberufung eines außerordentlichen Verbandstages am 30. April wird diskutiert. Dort soll auch über Änderungen im Schiedsrichterwesen des DFB beratschlagt werden: Der ehemalige Referee Herbert Fandel leitet eine Kommission, die bereits in der kommenden Woche Vorschläge über Reformen machen will.