Verbands-Chef Theo Zwanziger steht unter Druck. Sogar sein Rücktritt ist möglich. Der DFB darf weiter von sexueller Belästigung reden.

München. Als Manfred Amerell gestern um 15 Uhr den zehn Meter hohen Raum 270 des Münchner Landgerichts I betrat, bildete sich eine Traube von Kameras um den ehemaligen Schiedsrichtersprecher. Wie Galgen hingen die verlängerten Mikrofone über seinem Kopf. Der 62-Jährige schwieg, aber über sein Gesicht spannte sich der Ansatz eines Lächelns.

In diesem Raum, einem ehemaligen Schwurgerichtssaal, endete am 22. Februar 1943 ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte. Hier wurden im Prozess gegen Mitglieder der "Weißen Rose" Todesurteile gegen Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst verhängt.

Seit 11.30 Uhr hatten Amerell und seine Anwälte hier hinter verschlossenen Türen mit den juristischen Vertretern des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Beisein von Richter Peter Lemmers einen "Güteversuch" diskutiert. Amerell hatte den Antrag gestellt, dass dem DFB die Behauptung untersagt wird, er habe verschiedene Schiedsrichter bedrängt und/oder belästigt.

Als Lemmers schließlich am Nachmittag die öffentliche Verhandlung vor den 170 Schaulustigen eröffnete, verkündete er den Abschluss eines Vergleichs, der den Verband nicht wie einen Sieger aussehen lässt. Der Fall Amerell kann, so scheint es, noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Selbst ein Rücktritt von DFB-Präsident Theo Zwanziger ist weiter nicht ausgeschlossen.

Der Vergleich sieht folgende drei Punkte vor: Erstens erklärte sich der DFB bereit, "alle vier eidesstattlichen Versicherungen inklusive der Namen der Aussteller zu verlesen". Somit erreichte Amerell ein zentrales Ziel, schließlich war bisher nur die Aussage von Schiedsrichter Michael Kempter bekannt. Im Gegenzug verpflichtet sich Amerell, Sachverhalte und Namen mit Ausnahme des Sachverhaltes Michael Kempter nur seiner Ehefrau und den Prozessbevollmächtigten zu nennen. Eine Zuwiderhandlung würde eine Strafe von 25 000 Euro nach sich ziehen. Dass die Namen dennoch an die Öffentlichkeit gelangen werden, daran zweifelt Amerell, der alle vier Schiedsrichter verklagen will, nicht. "Wenn die Namen beim Staatsanwalt sind, werden sie auch irgendwann öffentlich werden", sagte er gestern Abend in Hamburg bei der Aufzeichnung der Sat.1-Talksendung von Johannes B. Kerner.

Drittens: Der Kläger nimmt seinen Antrag zurück. Dem DFB ist es somit weiter gestattet, die streitgegenständliche Passage weiter zu verbreiten. Hätte das Gericht im letzten Punkt anders entschieden, hätte dies das Aus für Zwanziger bedeutet. Vor dem Argentinien-Spiel hatte der DFB-Präsident im "kicker" erklärt, zurücktreten zu wollen, "sollten wir den Prozess verlieren".

Dass der DFB die Anonymität der drei bisher unbekannten Zeugen aufgibt, könnte noch Folgen haben. Da Amerell nun die Namen und Anschuldigungen kennt, ist es gut möglich, dass er versuchen wird, die Glaubwürdigkeit der Kronzeugen zu erschüttern. Im Fall von Michael Kempter ist ihm dies offenbar schon gelungen. Vor der Gerichtsverhandlung berichtete die "Süddeutsche Zeitung" von einer E-Mail, die Kempter an Amerell geschrieben haben soll. In dieser am 21. Oktober 2008 verfassten Mitteilung soll vom "Schatz" die Rede gewesen sein und von "zusammen verbrachter Zeit". Drei Tage zuvor soll es aber zu dem ominösen Vorfall zwischen Kempter und Amerell gekommen sein. Schon mit einer veröffentlichten SMS hatte letzterer versucht, den Eindruck zu erwecken, dass alles in Einvernehmen passiert sei und es sich nicht um Amtsmissbrauch handele.

Würde Amerell durch die Klage gegen die vier Referees den langen Kampf um seine Unschuld tatsächlich gewinnen, bliebe Zwanziger, der überlegt, bei einem außerordentlichen Bundestag am 30. April die Vertrauensfrage zu stellen, nur noch der Rückzug. Michael Kempter soll entgegen erster Meldungen nun wohl doch nicht schon am Wochenende wieder ein Spiel leiten. So ist damit zu rechnen, dass es am Ende nur Verlierer gibt.