Beim 2:0-Sieg gegen Israel testete Löw seine EM-Elf. Gomez und Schürrle treffen. Sorgen macht sich der Bundestrainer um Schweinsteiger.

Leipzig. So oder so ähnlich hatten sich die 43 241 Zuschauer den gestrigen Fußballabend offenbar vorgestellt. Als Schiedsrichter Kevin Blom nach 92 Minuten den letzten Test der deutschen Mannschaft vor der EM gegen Israel abgepfiffen hatte, war am Applaus jedenfalls deutlich zu erkennen, dass niemand die Leipziger Red-Bull-Arena enttäuscht verlassen musste. Der nie gefährdete 2:0-Sieg wurde mit Klatschen, Rufen und sogar der Welle gefeiert, was am Ende eines nicht überragend unterhaltsamen Abends vielleicht sogar ein wenig des Guten zu viel war. "Es war eine ganz ordentliche Abschlussprüfung von der Vorbereitung und gibt uns in den kommenden Tagen etwas Rückenwind", urteilte Bundestrainer Joachim Löw, relativierte aber den Auftritt gegen die sehr defensiven Israelis - die Deutschen kamen auf 22:3 Torschüsse und 60 Prozent Ballbesitz - sofort: "Man hat auch gesehen, dass noch nicht alles so rund läuft."

Lahm und Podolski sind Deutschlands neue "Linke"

Vorenthalten blieb den enthusiastischen Leipzigern die Möglichkeit, sich einen persönlichen Eindruck von Bastian Schweinsteigers viel diskutiertem Fitnesszustand zu machen. Der angeschlagene Münchner hatte zwar Platz auf dem offiziellen Spielerbogen gefunden, wurde aber wie erwartet von Löw nicht aufgeboten. "Wir wollten kein Risiko eingehen", sagte der DFB-Coach, der damit aber wohl nur die halbe Wahrheit verriet. In Anlehnung an den Nationalspieler a. D. Michael Ballack, den vor der WM 2006 ähnliche Verletzungssorgen geplagt hatten, wurde im Fall Schweinsteiger landauf, landab bereits besorgt von der neuen "Wade der Nation" gesprochen. Die Lage sei "ernst", hatte Philipp Lahm mit betroffener Miene vor dem Spiel gesagt und so nicht gerade zur allgemeinen Entspannung beigetragen. Ob Schweinsteiger, für den Vereinskollege Toni Kroos an der Seite Sami Khediras auflief, bis zum ersten Spiel am 9. Juni gegen Portugal fit wird, bleibt fraglich, obwohl Löw nach der Partie mitteilte, dass sein Sorgenkind gestern schmerzfrei gewesen sei.

Sehr viel mehr als nur fraglich scheint nach dem gestrigen Abend, ob Kroos tatsächlich ein gleichwertiger Ersatz in Deutschlands Mittelfeldzentrale wäre. Der 22-Jährige war nach einer unauffälligen Leistung einer der wenigen Verlierer unter den Siegern. Man darf dem Münchner zwar zugutehalten, sich im Leipziger Dauerregen bemüht zu haben. Seinen Stempel, so wie Löw es von ihm gefordert hatte, konnte er der Begegnung allerdings nicht aufdrücken. So bleibt dem Bundestrainer gerade mal eine Woche Zeit, um zu entscheiden, ob ein unfitter Schweinsteiger oder ein unfertiger Kroos den offensiven Part der sogenannten Doppel-Sechs übernehmen soll.

Eine Vorentscheidung könnte dagegen im Zweikampf in der Sturmspitze gefallen sein. So sprechen nach dem Sieg gegen Israel gleich zwei Faktoren für eine Nominierung von Mario Gomez. Erstens: Der Bayern-Torjäger traf in überzeugender Art und Weise zum 1:0. Und zweitens: Konkurrent Miroslav Klose traf nach seiner Einwechslung nicht und hatte zuletzt ohnehin mehr mit den unterschiedlichsten Wehwehchen als mit den gegnerischen Torhütern zu tun. Da dürfte dem Römer auch nur wenig helfen, dass er beim letzten Spiel gegen Israel vor zehn Jahren gleich dreimal traf. Die Begegnung in Kaiserslautern endete mit 7:1, was in Leipzig wohl mit einem zweitägigen Freudenfest zelebriert worden wäre.

Über den 2:0-Erfolg, für den der eingewechselte André Schürrle kurz vor Schluss sorgte (82.), war dann aber auch niemand böse. Immerhin durfte sich Löw darüber freuen, mit Jerome Boateng (rechts), Philipp Lahm (links) und den beiden Innenverteidigern Per Mertesacker sowie Holger Badstuber eine hoffnungsvolle EM-Abwehr gefunden zu haben. Mats Hummels, so scheint es zumindest, bleibt wohl erst mal nur ein Platz auf der Bank. Sieben Tage vor dem EM-Auftakt gegen Portugal hat der Bundestrainer damit sein mutmaßlich größtes Problem behoben. Somit dürften alle Spieler guten Gewissens heute zu ihren Familien nach Hause, ehe die Mission EM-Titel dann ab Montagvormittag mit dem Abflug von Frankfurt nach Danzig so richtig ernst wird. "Man hat die Qualität in der Mannschaft in Ansätzen gesehen", sagte ARD-Experte Mehmet Scholl, "Löw hat eine Woche Zeit, da geht noch was. Und da muss auch noch was gehen." Denn Israel war am Donnerstagabend im nassen Leipzig keine echte Prüfung für die EM.

Die Statistik

Deutschland: 1 Neuer/Bayern München (26 Jahre/26 Länderspiele) - 20 Boateng/Bayern München (23/21), 17 Mertesacker/FC Arsenal (27/81), 14 Badstuber/Bayern München (23/20), 16 Lahm/Bayern München (28/86) - 6 Khedira/Real Madrid (25/27) (88. Bender), 18 Kroos/Bayern München (22/26) (85. Götze) - 13 Müller/Bayern München (22/27) (83. Reus), 8 Özil/Real Madrid (23/33), 10 Podolski/1. FC Köln (26/97) (67. Schürrle) - 23 Gomez/Bayern München (26/52) (67. Klose). - Trainer: Löw

Isreal: 1 Harosh/Beitar Jerusalem (24/2) - 8 Yadin/Hapoel Tel Aviv (25/8), 2 Shpungin/Omonia Nikosia (25/16), 3 Ben Haim/FC Portsmouth (30/67), 21 Tibi/Ironi Kiryat Shmona (24/2), 5 Gershon/Standard Lüttich (23/12) - 6 Natcho/Rubin Kasan (24/16), 16 Zahavi/US Palermo (25/11) (67. Sahar), 7 Melikson/Wisla Krakau (27/5) (46. Refaelov), 15 Benayoun/FC Arsenal (32/88) (46. Vermouth) - 11 Shechter/1. FC Kaiserslautern (25/13). - Trainer: Gutman

Schiedsrichter: Kevin Blom (Niederlande)

Zuschauer: 43.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Gomez (40.), 2:0 Schürrle (82.)