Lange dauerte es, ehe Mario Gomez die Deutschen kurz vor der Pause in Führung brachte. Die DFB-Elf ließ zahlreiche weitere Chancen liegen, ehe Schürrle traf.

Leipzig. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat trotz einer erfolgreichen EM-Generalprobe die Zweifel an der Mission Titelgewinn mit einem durchwachsenen Auftritt genährt. Obwohl sieben Profis von Bayern München in die Startformation zurückgekehrt waren, offenbarte die weitgehend ideenlos spielende Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) beim 2:0 (1:0) gegen den Weltranglisten-58. Israel zahlreiche Unzulänglichkeiten - diesmal vor allem in der Offensive.

Torjäger Mario Gomez (40.) erzielte bei Dauerregen die Führung des Teams von Bundestrainer Joachim Löw, der in den ausstehenden Tagen bis zum ersten Spiel bei der Endrunde in Polen und der Ukraine (8. Juni bis 1. Juli) am 9. Juni in Lwiw gegen Portugal noch alle Hände voll zu tun hat. Der eingewechselte Andre Schürrle sorgte in der 82. Minute mit einem herrlichen Treffer für den Endstand. Der Sieg gegen Israel war der vierte im vierten Duell.

„Es war eine ganz ordentliche Abschlussprüfungg. Noch nicht alles lief rund, wir hätten mehr Tore machen können. Aber der Sieg tut uns auf jeden Fall gut, er gibt etwas Sicherheit“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Kapitän Philipp Lahm macht mit Blick auf die EM vor allem eines Mut: „Wir haben eine sensationelle Qualität im Kader. Wir müssen es nur zeigen.“

Schon am vergangenen Samstag hatte der WM-Dritte ohne die Bayern-Profis, die als Folge der bitteren Niederlage im Finale der Champions League gegen den FC Chelsea erst am Montag in die EM-Vorbereitung eingestiegen waren, beim 3:5 in der Schweiz eine ganz schwache Vorstellung abgeliefert. Vor allem die haarsträubenden Fehler in der Defensive hatten große Besorgnis ausgelöst.

Vor 43.241 Zuschauern in Leipzig lief die deutsche Mannschaft ohne Bastian Schweinsteiger auf. Der Münchner Mittelfeldchef leidet nach wie vor an einer Wadenverletzung, die er im Chelsea-Spiel erlitten hat. Obwohl Löw darauf baut, dass der 27-Jährige rechtzeitig zur EM wieder fit wird, steht hinter seiner Leistungsfähigkeit ein Fragezeichen. Schließlich war Schweinsteiger, der durch seinen Klubkollegen Toni Kroos ersetzt wurde, schon zuletzt als Folge einer langen Verletzungspause seiner Topform hinterhergelaufen.

Das Fehlen von Schweinsteiger war allerdings sicher nicht der Grund für die durchwachsene Anfangsphase. Die Deutschen erarbeiteten sich zwar eine klare Feldüberlegenheit, die behäbige Spielweise stellte die vielbeinige Abwehr der extrem defensiv eingestellten Israelis aber zunächst vor keine Probleme.

Bei der deutschen Auswahl kam Kapitän Philipp Lahm wie angekündigt auf der linken Abwehrseite zum Einsatz. Ob das auch bei der EM so sein wird, ist allerdings noch offen. Der Außenverteidiger könnte auch auf der rechten Seite spielen. Die Entscheidung darüber soll laut Löw erst in der kommenden Woche fallen. Offensiv-Allzweckwaffe Marco Reus saß an seinem 23. Geburtstag zunächst auf der Ersatzbank, er kam in der 83. Minute für Thomas Müller aufs Feld.

Reus sah zunächst von der Bank aus in der 15. Minute die erste kleine Chance durch einen Schuss von Kroos. Drei Minuten später sorgte Torjäger Gomez für ein wenig Gefahr. Kurz darauf traf Außenverteidiger Jerome Boateng den Pfosten (19.). In dieser Phase wurde das deutsche Spiel etwas besser, die Durschlagskraft im Sturm ließen der ideenlose Spielmacher Mesut Özil und Co. aber weiter vermissen.

Nach einer knappen halben Stunde hatte Löw genug gesehen und beorderte drei seiner Reservisten zum Aufwärmen. Den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden die Schützlinge des Bundestrainers aber nicht, nach 33 Minuten hallten die ersten Pfiffe durch das Stadion. Daran änderte auch die Chance von Gomez (34.) nichts. Sechs Minuten später hämmerte der Münchner allerdings einen Pass von Sami Khedira zum Führungstreffer unter die Latte.

Auch zu Beginn des zweiten Abschnitts agierten die Gastgeber lethargisch. Der eingewechselte Gil Vermouth vom Bundesliga-Absteiger 1. FC Kaiserslautern hätte das fast bestraft. Torhüter Manuel Neuer war aber zu Stelle (55.). Auf der Gegenseite vergab kurz darauf Özil (56.), dann zweimal Lukas Podolski (59./64) und Andre Schürrle (74.), der sich kurz danach mit seinem siebten Tor im 14. Länderspiel für die Einwechslung bedankte.

Kurz vor der Partie hatte Löw erklärt, dass der erhoffte Titelgewinn aus seiner Sicht nicht der einzige Maßstab für eine erfolgreiche Endrunde sei. „Wir werden alles tun, den Titel zu holen. Aber allein daran ein Team zu messen, halte ich für unangemessen“, sagte Löw, der den Druck von den Spielern nehmen will: „Ich finde es erschreckend, wenn es heißt, sie müssen das. Vielleicht haben sie erst in zwei oder vier Jahren ihren absoluten Zenit erreicht. 2012 ist nicht das Alles-oder-nichts-Jahr im deutschen Fußball.“

Ab Montag wird sich Löw mit seinem 23-köpfigen Aufgebot in Danzig intensiv auf den EM-Auftakt vorbereiten. Bereits am Freitag wird eine DFB-Delegation mit Präsident Wolfgang Niersbach und Löw an der Spitze die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchen. Neben Niersbach und Löw werden Vizepräsident Peter Peters, Generalsekretär Helmut Sandrock, Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff sowie Ligapräsident Reinhard Rauball der Delegation angehören. Die Spieler werden durch Lahm, Miroslav Klose und Podolski vertreten.

Vor dem Spiel: Einmal neunzig Minuten bleiben Joachim Löw noch. Einmal noch neunzig Minuten unter Wettkampfbedingungen. Dann muss sie stehen - die Elf, die am Sonnabend in einer Woche gegen Portugal einen guten Start in die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine schaffen soll. Nach der Generalprobe gegen Israel in Leipzig bleibt Löw und seinem Team zwar noch eine weitere Trainingswoche. Dennoch erhofft sich der Bundestrainer von der Partie am Donnerstagabend noch einmal tiefgreifende Erkenntnisse.

Besonders die Abwehr stellt Löw vor Probleme. Sie ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Sehr wahrscheinlich ist, dass Philipp Lahm auf der linken Seite verteidigen wird - anders als beim FC Bayern, wo er die rechte Außenbahn bearbeitet. Seinen Konterpart in Löws Gedankenmodell dürfte Jerome Boateng bilden. In der Mitte ist Holger Badstuber gesetzt. Wer aber neben ihm aufläuft, ist völlig offen. Per Mertesacker - ohne Spielpraxis, oft hölzern? Oder Mats Hummels, der Dortmunder Doublesieger, dessen Spielweise beim Bundestrainer nur auf wenig Gegenliebe stößt?

Ein weitereres Fragezeichen steht hinter Bastian Schweinsteiger. Während sich im Laufe der letzten Einheiten im französischen Tourettes die Hinweise verdichteten, dass der Mittelfeldchef mit seiner hartnäckigen Wadenverletzung gegen Israel noch fehlen wird, machten bereits Vergleiche zum Schicksal von Michael Ballack bei der letzten Europameisterschaft anno 2008 - Stichwort "Die Wade der Nation" - die Runde.

Der dritte Wackelkandidat im Bunde ist Miroslav Klose. Der Angreifer klagte in den letzten Tagen über Rückenprobleme, laut Löw auch "ein bisschen altersbedingt". Der Bundestrainer erwartet allerdings von seinem Sturm-Routinier, dass sich dieser "reinkämpfen" möge. Mario Gomez ist Kloses derzeit größter Konkurrent im Gerangel um die eine nominelle Position im deutschen Angriff.

Nach der überraschend deutlichen 3:5-Pleite in der Schweiz am vergangenen Woche würde eine weitere Niederlage gegen israel sicher für einiges an Unmut sorgen. Ein Beinbruch wäre sie freilich nicht - richtet Löw doch seine ganze Vorbereitung auf den EM-Auftakt gegen Portugal aus. Die gedämpfte Stimmung, die in den vergangenen Tagen im deutschen Lager waberte, würde sie aber sehr wohl befeuern. Obwohl sich das DFB-Team zurecht noch zum Favoritenkreis für die Endrunde in Polen und der Ukraine sieht, waren die deutschen Nationalspieler zuletzt von ungebremster Titel-Euphorie weit entfernt.

Diese Stimmungslage ist im Vorfeld eines großen Turniers allerdings keine Seltenheit in der Bundesrepublik. Eine gelungene Generalprobe, im Volksmund zwar verschrien, würde aus verhaltener Vorfreude auf ein hochkarätiges EM-Turnier aber sicherlich neue Euphorie machen. (sid/lge/abendblatt.de)

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Die Aufstellungen

Deutschland: 1 Neuer/Bayern München (26 Jahre/26 Länderspiele) - 20 Boateng/Bayern München (23/21), 17 Mertesacker/FC Arsenal (27/81), 14 Badstuber/Bayern München (23/20), 16 Lahm/Bayern München (28/86) - 6 Khedira/Real Madrid (25/27) (88. Bender), 18 Kroos/Bayern München (22/26) (85. Götze) - 13 Müller/Bayern München (22/27) (83. Reus), 8 Özil/Real Madrid (23/33), 10 Podolski/1. FC Köln (26/97) (67. Schürrle) - 23 Gomez/Bayern München (26/52) (67. Klose). - Trainer: Löw

Isreal: 1 Harosh/Beitar Jerusalem (24/2) - 8 Yadin/Hapoel Tel Aviv (25/8), 2 Shpungin/Omonia Nikosia (25/16), 3 Ben Haim/FC Portsmouth (30/67), 21 Tibi/Ironi Kiryat Shmona (24/2), 5 Gershon/Standard Lüttich (23/12) - 6 Natcho/Rubin Kasan (24/16), 16 Zahavi/US Palermo (25/11) (67. Sahar), 7 Melikson/Wisla Krakau (27/5) (46. Refaelov), 15 Benayoun/FC Arsenal (32/88) (46. Vermouth) - 11 Shechter/1. FC Kaiserslautern (25/13). - Trainer: Gutman

Schiedsrichter: Kevin Blom (Niederlande)

Zuschauer: 43.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Gomez (40.), 2:0 Schürrle (82.)