Boris Rousson, von 2002 bis 2007 Torhüter der Hamburg Freezers, erinnert sich an das erste Heimspiel der Clubhistorie. Serie Zurückgekehrt: Hamburger Sportstars an den Stätten großer Momente.

Augenblicke, die eine Karriere prägen. Orte, die man ein Leben lang nicht vergisst. Das Abendblatt bat Sportler, an Hamburger Stätten großer Momente zurückzukehren und sich dort an ihre Vergangenheit zu erinnern. Mit der vorliegenden Folge endet unsere Serie.

Hamburg. Es ist kurz vor 19 Uhr an jenem Dienstag, dem 12. November 2002. Boris Rousson steht im Spielertunnel, links unterhalb des Fanblocks der Hamburg Freezers. Hinter ihm seine 21 Mitspieler, die der Mann mit der Trikotnummer eins anführt. Nur schemenhaft kann der Torhüter erahnen, was sich in der abgedunkelten Color- Line-Arena abspielt. Musik tönt aus den Boxen, Lichtblitze der Einlaufshow zucken durch das weite Rund. Die Anhänger begleiten all dies mit rhythmischen Trommelschlägen. Das Adrenalin schießt durch Roussons Adern.

„Ich habe vor Aufregung und Vorfreude gezittert. Am ganzen Körper hatte ich Gänsehaut. Ich wollte einfach nur aufs Eis “, erinnert er sich. Um Punkt 19 Uhr ist es dann so weit. Die Spieler dürfen endlich, von Arenasprecher Martin Baum namentlich aufgerufen, das Eis betreten. 13.886 begeisterte Zuschauer empfangen die Freezers zu ihrem ersten Heimspiel in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gegen die Kölner Haie. „Es ist ein Privileg, dabei gewesen sein zu dürfen. Es war ein denkwürdiger Abend“, erinnert sich Rousson.

Auch heute, knapp elf Jahre später, sind die Erinnerungen daran präsent. Der heutige Jugendkoordinator der Freezers macht beim Fototermin den Eindruck, als würde er all diese speziellen Momente am liebsten noch einmal erleben wollen. Mit großer Freude und Detailgenauigkeit schildert der 43-Jährige die Ereignisse von damals.

Nicht nur der Spieltag blieb Rousson im Gedächtnis. Eine Woche lang trainierten die Freezers in der heutigen O2 World, um sich „an das neue Zuhause zu gewöhnen“. Ungestört konnte die Mannschaft des damaligen Trainers Sean Simpson jedoch nicht trainieren. Fleißige Bauarbeiter erledigten letzte Arbeiten, damit die neue Heimspielstätte pünktlich fertig wurde. Die Vorfreude in der Mannschaft auf diesen Dienstagabend war fast schon greifbar. Immer wieder spielten die Profis vor dem inneren Auge durch, wie es wohl wäre, nach zuvor zwölf Auswärtsspielen endlich daheim auflaufen zu dürfen. „Wir waren alle neugierig, wie wir in Hamburg angenommen werden. Bei den Auswärtsspielen waren nicht viele Anhänger dabei“, sagt Rousson.

Einen ersten Vorgeschmack auf die Stimmung bekamen Rousson und seine Teamkollegen beim Aufwärmen. „Es war schon recht voll, als wir zum Warm-up rausgegangen sind. Da begann das Abenteuer für uns“, sagt der Publikumsliebling, der bereits als Torhüter der Kölner Haie im Oktober 1998 bei der Eröffnung der Kölnarena dabei war. „Im Haie-Trikot habe ich nach zwölf Sekunden mein erstes Gegentor gefangen. In der Color-Line Arena dauerte es einen kleinen Tick länger“, scherzt er.

Acht Minuten und eine Sekunde waren gespielt, da war der 450-malige DEL-Torwart das erste Mal geschlagen. Alex Hicks überwand ihn mit einem platzierten Schuss. „Natürlich hätte ich bei meiner Heimpremiere gerne zu null gespielt. Aber am Ende konnte ich mit den vier Gegentoren sehr gut leben“, sagt Rousson. Das Tor von Hicks war der Auftakt zu einem verrückten 5:4-Sieg gegen den amtierenden Meister. Dreimal gerieten die Freezers an diesem Abend in Rückstand, doch angepeitscht vom frenetischen, aber Eishockey-unerfahrenen Hamburger Publikum kämpften sie sich zurück.

Richtig emotional wurde es, als Publikumsliebling Bobby House in Minute 54 für das 5:3 sorgte. In diesem Moment realisierte jeder auf dem Eis, auf der Bank und auf den Rängen, dass der erste Heimsieg der Clubgeschichte greifbar nahe war. 53 Sekunden vor der Schlusssirene konnte Köln noch einmal verkürzen, der Rest war Jubel pur. Minutenlang ging „La Ola“ durch die Arena, Trainer Simpson hatte vor Freude Tränen in den Augen, und die Spieler genossen die Atmosphäre in vollen Zügen.

„Wir haben geflachst, dass wir gerade vor einem Fußballpublikum gespielt haben. Jede noch so harmlose Szene, jede noch so leichte Parade von mir wurde frenetisch gefeiert. Wir hatten riesigen Spaß“, sagt Rousson.

Es hält sich bis heute die Legende, dass einige Spieler damals die aberwitzige Idee hatten, alle Hamburger in eine Eishockeyschule zu schicken, damit sie das Spiel besser verstehen lernen würden. „Aber es hat sich schnell ergeben, dass unsere Fans mehr und mehr vom Eishockey verstanden haben. Und sie hatten Spaß. Fast jedes Heimspiel war anschließend ausverkauft. Es war eine fantastische Zeit“, erinnert sich Rousson. Die Erinnerungen an den 12.November 2002 werden wohl nie verblassen. Auch wenn Rousson, der seine Karriere im Sommer 2009 beendete, diesen Moment nicht noch einmal erleben kann, möchte er als Jugendkoordinator der Freezers dafür sorgen, dass eines Tages ein junges Talent ähnlich schöne Erfahrungen in seinem Debüt als Profi in der O2 World machen kann.