Hamburg. Edina Müller spricht im Interview von ihren Problemen vor den Paralympischen Spielen und über ihre Kandidatur für das HSV-Präsidium.

In Anwesenheit von Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein verabschiedete das BG Klinikum Hamburg am Mittwoch Parakanutin Edina Müller (38) und die Rollstuhlbasketballerinnen Maya Lindholm (31), Anne Patz­wald (32) und Mareike Miller (30) zu den Paralympischen Spielen, die am 24. August beginnen. Pararuderin Sylvia Pille-Steppat (53) komplettiert das Hamburger Quintett. Patzwald, Lindholm und Müller arbeiten in therapeutischen Berufen für die Klinik. Miller ist dem Klinikum durch die BG Baskets verbunden.

Hamburger Abendblatt: Frau Müller, Sie wissen erst seit knapp drei Wochen, dass Sie in Tokio starten können. Wie kam das?

Edina Müller: Bis dahin hatte ich noch nicht die Genehmigung von japanischer Seite, dass mein zweijähriger Sohn Liam mitkommen darf. Das war aber alternativlos, weil ich noch stille.

Und dieser Fall ist nicht vorgesehen?

Müller: Nein. Dafür war keinerlei Bewusstsein vorhanden. Schon erstaunlich, weil die Olympischen und Paralympischen Spiele ja unter dem Motto der verwirklichten Gleichheit der Geschlechter stehen sollen. Aber an stillende Athletinnen hat niemand gedacht. Unter „normalen“ Bedingungen ist das auch kein großes Pro­blem – mit den Corona-Regeln schon.

Was haben Sie getan?

Müller: Monatelang Anträge geschrieben. An das japanische paralympische Komitee, den Internationalen Behindertensport-Verband, sogar die Deutsche Botschaft in Japan und das Außenministerium. Der Deutsche Behindertensportverband hat das sehr unterstützt. Aber es gab keine Lösung. Wir Mütter haben uns in der Organisation „andmother“ vernetzt, die die Interessen von Leistungssport treibenden Müttern vertritt. Auch „Athleten Deutschland“ haben sehr geholfen. Am Ende hat es sich dann doch ausgezahlt.

Lief Ihre Vorbereitung auf den Wettkampf denn sonst einigermaßen planmäßig?

Müller: Nein, es war schon ein sehr schwieriges Jahr. Die Verschiebung hat die Planung durcheinander gebracht. 2020 wären die Spiele noch in meine Elternzeit gefallen – jetzt musste ich alle Termine mit der BG Klinik koordinieren, wo ich als Sporttherapeutin arbeite. Glücklicherweise unterstützt man mich mit Freistellungen für Lehrgänge und Wettkämpfe. Wegen Corona konnten wir auch kaum auf Lehrgänge fahren, es gab kein Warmwassertrainingslager im Winter. Ich war wenig auf dem Wasser.

Freuen Sie sich denn trotz all der Einschränkungen auch vor Ort auf die Spiele?

Müller: Ja. Es wird anders, das ist klar. Als Sportlerin muss man flexibel sein, und die Spieler sind wichtiger als „nur“ die Wettkämpfe. London 2012 hat ein ganz starkes Zeichen für die Inklusion gesendet, jetzt haben wir das Thema der Geschlechtergleichheit. Wir vertreten mit dem Start auch die paralympische Idee, und es wäre ein ganz schlechtes Zeichen, dort nicht anzutreten.

Vor Ihrer Abreise am 17. August stehen nach einem Trainingslager die 100. deutschen Kanu-Meisterschaften in Hamburg an.

Müller: Da freue ich mich sehr drauf. Auch weil ich da wieder im „gemischten“ Zweier mit einem nicht behinderten Sportler antrete. Das macht mir immer sehr großen Spaß, das ist echte Inklusion, wie sie sein sollte. Schade, dass es diese Wettkämpfe nicht bei Weltmeisterschaften oder den Spielen gibt.

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Trotz all dieser Belastungen wollten Sie im Team mit Marinus Bester als Vizepräsidentin des HSV e. V. kandidieren.

Müller: Ich bin ja Ehrenmitglied des HSV seit der Goldmedaille 2012, ich kenne Marinus und Philipp Wenzel schon länger, man hat sich immer mal getroffen, kam ins Reden über den Verein und was eventuell anders sein müsste. Ich hätte mich verstärkt um die Amateur- und Leistungssportler gekümmert. Ich habe da möglicherweise als jemand, der aus dem Leistungssport kommt, einen anderen Blick drauf. Ich wollte noch sichtbarer machen, was der HSV neben dem Fußball eben noch alles beinhaltet.

Wie haben Sie die Nichtzulassung durch den Wahlausschuss empfunden?

Müller: Ich habe es nicht verstanden. Als Team anzutreten ist laut Satzung möglich. Wir wurden nur gefragt, ob wir das wollen, als Team antreten. Das haben wir bejaht. Wir wurden nicht gefragt, ob wir eventuell auch als Einzelpersonen antreten würden. Ja, und dann kam die Entscheidung der Nichtzulassung. Bedingungen haben wir nie gestellt. Wir würden auch weiterhin zur Verfügung stehen.