Hamburg. Die Kapitänin vom Uhlenhorster HC galt als gesetzt, wurde aber gleich aus mehreren Gründen aus dem Aufgebot für Tokio gestrichen.

Zur Arbeitsplatzbeschreibung eines Bundestrainers gehört, dass er Menschen weh tun muss; immer dann, wenn Nominierungen für wichtige Wettkämpfe anstehen. Xavier Reckinger weiß das. Dennoch war das, was der 37 Jahre alte Belgier am Donnerstagmorgen erlebte, emotionales Neuland für ihn. „Es war die schlimmste Mitteilung, die ich jemals persönlich machen musste“, sagte der Chefcoach der deutschen Hockeydamen, nachdem er im Anschluss an den am Mittwoch zu Ende gegangenen Nominierungslehrgang in Hamburg alle Kandidatinnen für die Olympischen Sommerspiele in Japans Hauptstadt Tokio (23. Juli bis 8. August) telefonisch benachrichtigt hatte.

18 Spielerinnen plus zwei Ersatzleute hat Reckinger für die EM in Amsterdam (4. bis 13. Juni) berufen, 16 plus zwei davon reisen nach Tokio. Gesprochen wurde indes vor allem über eine, die nicht dabei sein wird: Janne Müller-Wieland. Die 34-Jährige vom Uhlenhorster HC, die 2008, 2012 und 2016 für Deutschland bei Olympischen Spielen auflief und das Team zuletzt als Kapitänin anführte, hat den finalen Cut nicht überstanden. Und Reckinger erklärte offen, was der Grund dafür ist. „Sie hatte aus verschiedenen Gründen einige Defizite aufzuarbeiten. Das hat sie auf ihre Art getan, im Vergleich mit den anderen hat es aber nicht gereicht“, sagte er.

Müller-Wieland sollte eigentlich im Olympia-Kader stehen

Tatsächlich ist die Corona-Krise der Hauptfaktor für das Aus der langjährigen Abwehrchefin, die 2020 so gut wie sicher im Kader gestanden hätte. Da sie aus privaten Gründen zu ihrer Partnerin nach England gezogen war, konnte sie coronabedingt einige Lehrgänge nicht wie geplant absolvieren und verzichtete zudem darauf, durchgehend in der Bundesliga aufzulaufen.

Dazu kam, dass ihre Partnerin das erste, mittlerweile zur Welt gekommene Kind erwartete. „Es gab klare Verabredungen für alle Olympiakandidatinnen. Hockey sollte Priorität eins haben, außerdem sollten sich alle in der Liga top präsentieren“, sagte Reckinger. Er habe Müller-Wielands Sonderrolle mitgetragen, „das war eine Wildcard, die sie bekommen hat, weil ihre Verdienste so groß sind. Das hätte ich nicht jeder Spielerin zugestanden“, sagte er.

Wer wird Spielführerin der Hockeydamen in Tokio?

Letztlich jedoch habe er feststellen müssen, dass die Leistungsdefizite zu groß gewesen seien. „Ich stehe als Bundestrainer in der Verantwortung, das Team zu nominieren, dem ich die größten Erfolgschancen einräume. Das habe ich getan. Menschlich tut mir das für Janne sehr leid. Sie hat es mit Enttäuschung, aber sehr professionell aufgenommen.“ Wer neue Spielführerin wird, ist noch unklar. „Ich habe eine klare Idee, aber das werden wir zu gegebener Zeit besprechen.“ Janne Müller-Wieland, die bereits wieder in England ist, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ebenfalls nicht in Tokio dabei ist Torjägerin Hannah Gablac (26) vom Club an der Alster, die zum zweiten Mal nach 2016 kurz vor dem Zielstrich aus dem Rennen geworfen wurde. Auch Elisa Gräve (24/Düsseldorfer HC) wurde gestrichen, Grund dafür ist ein vor einem Monat erlittener Schlüsselbeinbruch.

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Dafür durften immerhin zehn Spielerinnen aus Hamburger Clubs am Donnerstagmorgen jubeln. Reckinger nominierte vom Club an der Alster Lisa Altenburg (31/Angriff), Hanna Granitzki (23), Viktoria Huse (25), Kira Horn (26/alle Abwehr) und Anne Schröder (26/Mittelfeld), vom Uhlenhorster HC Charlotte Stapenhorst (25), Lena Micheel (23/beide Angriff) und Amelie Wortmann (24/Mittelfeld), vom Harvestehuder THC Franzisca Hauke (31/Mittelfeld) – und vom Großflottbeker THGC die große Überraschung Jette Fleschütz (18/Mittelfeld). „Jette hat sich unglaublich schnell entwickelt. Mit ihrer Geschwindigkeit kreiert sie pro Halbzeit zwei Großchancen, das hilft uns“, sagte Reckinger.

Hockeyherren werden Freitag für Olympia nominiert

Während die Damen also ihr Team für EM und Olympia bestimmt haben, nominiert der Hamburger Herren-Bundestrainer Kais al Saadi seine Auswahl an diesem Freitag nach der abschließenden Partie der vier Spiele umfassenden Testserie auf der Anlage des UHC gegen Frankreich (12 Uhr).

Am Donnerstagmittag besiegten die deutschen Herren Kanada, Gegner im ersten Gruppenspiel in Tokio, 7:0. Die Tore schossen Constantin Staib (Hamburger Polo Club), Martin Häner (Berliner HC), Timm Herzbruch, Malte Hellwig (beide Mülheim), Marco Miltkau (Klein Zwitserland/Niederlande), Linus Müller und Justus Weigand (beide Mannheimer HC).