Hamburg. Die HSV-Sprinter Lucas Ansah-Peprah und Owen Ansah können sich bei der Team-EM in Polen noch für die deutsche Tokio-Staffel empfehlen.

Wie es sich anfühlt, der schnellste Hamburger der Geschichte zu sein? Lucas Ansah-Peprah zuckt mit den Schultern und grinst. „Es ist natürlich eine Ehre“, sagt der 21-Jährige, „trotzdem ist das nicht mein letztes Ziel. Der Rekord motiviert mich nur, noch schneller zu laufen.“ Mitte Mai siegte der HSV-Sprinter beim „Road to Tokio“-Meeting in Mannheim über 100 Meter in 10,25 Sekunden und stellte den Hamburger Rekord von Jobst Hirscht aus dem Jahr 1972 ein.

Auch sein ein Jahr jüngerer Vereinskollege Owen Ansah, der in Mannheim mit 20,66 Sekunden über 200 Meter den Hamburger Rekord von Ingo Schultz (20,78 Sekunden) aus dem Jahr 2004 knackte, macht sich nicht viel aus diesem Erfolg. „Jetzt versuchen wir, noch schneller zu laufen, damit unser Rekord niemals mehr gebrochen wird“, sagt er mit einer Überzeugung, die keinen Raum für Zweifel lässt.

Die nächste Chance dazu erhalten die beiden Freunde, die seit Februar 2019 unter dem ehemaligen Weitsprung-Europameister Sebastian Bayer (34) beim HSV trainieren, bereits an diesem Wochenende bei der Team-Europameisterschaft in Chorzów (Polen). „Die Team-EM ist die nächste Stufe für die beiden. Es ist ein echtes Privileg, dort dabei sein zu dürfen“, weiß Bayer.

Bayer: "Sie haben den strebenden Schwan gemacht"

Wenn der Trainer über die Entwicklung seiner Schützlinge spricht, wird schnell klar, dass dieses Privileg in erster Linie das Ergebnis kompromissloser Arbeit ist. „Als ich die Jungs kennengelernt habe, haben sie sich auf die Bahn gelegt und den sterbenden Schwan gemacht, wenn sie kaputt waren“, berichtet Bayer. „Heute ist das nicht mehr so.“

Owen Ansah nickt. „Anfangs habe ich Leichtathletik einfach aus Spaß gemacht. So richtig ernst wurde es für mich, als Lucas irgendwann richtig abging“, erzählt der 20-Jährige, der noch bei seinen Eltern in Farmsen-Berne lebt und vor zwei Jahren vor einer entscheidenden Weggabelung stand.

Jahrelang war er dreimal pro Woche zum Training gegangen, seine Entwicklung hatte ihm recht gegeben. Um es ganz nach oben zu schaffen, reichten drei Einheiten pro Woche aber nicht. „Irgendwann muss man sich die Frage stellen, ob man Leistungssport oder Hochleistungssport betreiben will“, sagt Bayer. Die HSV-Talente entschieden sich für Hochleistungssport.

HSV-Sprinter müssen gegen Mühen anarbeiten

Mittlerweile trainieren sie sechsmal pro Woche, ordnen alles dem sportlichen Erfolg unter. Als Trainer, erklärt Bayer, zeige er ihnen nur einen Weg auf. „Den müssen die Jungs am Ende aber selbst gehen. Es bringt nichts, wenn ich sie jeden Tag trieze und malträtiere. Die Einstellung müssen sie selbst mitbringen“, sagt er. Den „sterbenden Schwan machen“, wie es Bayer nennt? Das war einmal. „Natürlich bleibt jeder lieber immer noch eine Stunde länger im Bett liegen. Gegen diese Dinge muss der Kopf aber anarbeiten“, sagt Bayer.

Bei der Team-EM in Chorzów startet Ansah über 200 Meter, Ansah-Peprah über 100 Meter. Weitaus wichtiger dürfte aber ihr gemeinsamer Auftritt in der 100-Meter-Staffel werden. Während Bayer ihnen die Qualifikationszeiten für einen Einzelstart bei den Olympischen Spielen in Tokio über 100 (10,05 Sekunden) und 200 Meter (20,20 Sekunden) noch nicht zutraut, könnten sie es über die Staffel doch noch nach Japan schaffen.

Gold mit der deutschen 4x200-Meter-Staffel

Anfang Mai liefen sie mit der deutschen Staffel bei den „World Relays“ bereits über die nichtolympische 4x200-Meter-Distanz zu Gold. Und nachdem der eigentlich für die deutsche 100-Meter-Staffel vorgesehene Kevin Kranz in Tokio verletzt ausfällt, ist ein Platz frei. Neben den beiden HSV-Sprintern hoffen sieben weitere Kandidaten auf eine Staffelnominierung für Olympia. Sechs der neun Aspiranten werden am 28. Juni nominiert, vier von ihnen starten letztlich.

Nach Einschätzung von Trainer Bayer belegen die beiden Hamburger im nationalen Vergleich zurzeit die Ränge sieben und acht. Umso wichtiger seien überzeugende Auftritte bei der Team-EM an diesem Wochenende und eine Woche später bei der deutschen Meisterschaft (5. und 6. Juni) in Braunschweig.

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Konkrete Platzierungen als Ziele haben sich die beiden HSV-Sprinter bis dahin aber nicht gesetzt. Der Plan ist denkbar simpel. „Ich will einfach schnell laufen, einfach performen“, sagt Ansah-Peprah. Der Hamburger Rekord soll schließlich nicht ihr letzter sein.