Hamburg. Sollten bis Jahresende ausschließlich Geisterspiele möglich sein, würde sich der Eishockeyclub nicht für die Oberliga melden.

An Arbeit wird es Sven Gösch (47) in dieser Woche nicht mangeln. Am Mittwoch trifft sich der Geschäftsführer und Sportdirektor der Crocodiles Hamburg mit den Gesellschaftern des Eishockey-Oberligaclubs, um die nach der Hauptrunde vorzeitig abgebrochenen Saison aufzuarbeiten, und den finanziellen Schaden durch den Ausfall der Play-offs zu beziffern. Nach Abendblatt-Informationen fällt das Minus mit 50.000 Euro etwas geringer aus als zunächst befürchtet. „Wir haben uns um die Soforthilfe der Stadt Hamburg bemüht. Wenn wir die bewilligt bekommen, reduziert sich die Summe fast halbieren“, sagt Gösch: „Stand jetzt ist die vergangene Saison für uns nicht existenzgefährdent. Wir würden mit einem blauen Auge davonkommen. Was die Zukunft betrifft, müssen wir abwarten.“

Etatplanungen werden wegen Corona zur Mammutaufgabe

An Gründonnerstag kam der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) der Bitte der zwölf Clubs nach, die Frist der Einreichung für die Lizenzunterlagen zu verschieben, und die Auflagen zu modifizieren. In dieser Woche bekommen die Crocodiles Bescheid, was nötig ist, um bis 31. Mai für dritthöchste Spielklasse melden zu können. Beim DEB hofft man, dass die Saison wie geplant Ende September beginnen kann. "Wir bleiben positiv, was die kommende Saison betrifft, aber es gibt einfach zu viele Dinge, die wir nicht beeinflussen können", sagt Gösch.

Bereits jetzt ist aber klar, dass die Zusammenstellung der Lizenzunterlagen eine Mammutaufgabe ist. Viele Zahlen, so sagt Gösch, müsse man "ins Blaue" abgeben, weil niemand weiß, wann, in welchem Modus und unter welchen Bedingungen die Saison 2020/21 stattfinden wird. Der Etat, der in der abgelaufenen Saison bei rund 700.000 Euro lag, wird in jedem Fall reduziert werden müssen. "Seriös kann ich gerade gar nichts planen", gesteht Gösch offen ein. Vor allem die Zuschauerkalkulation, die ein wichtiger Posten im Budget ist, ist aufgrund der derzeitigen Coronapandemie nahezu unmöglich. "Selbst wenn wieder Zuschauer zugelassen werden, weiß man nicht, ob die Menschen wieder in die Halle kommen."

Geisterspiele sind für den Club nicht realisierbar

Sollte sich die Einschätzung der Virologen und Politiker bewahrheiten, dass im Kalenderjahr 2020 keine Sportveranstaltungen mit Zuschauern möglich sein werden, erwägen die Crocodiles einen freiwilligen Abstieg in die Regionalliga Nord. „Wenn sich herausstellt, dass wir bis Dezember Geisterspiele haben, spielen wir die Oberliga gar nicht erst. Ohne Einnahmen viel Geld ausgeben, ist nicht machbar“, stellt Gösch klar. Noch hofft der Geschäftsführer der Crocodiles, dass zumindest eine begrenzte Anzahl an Fans ins Eisland Farmsen dürfen. Die finale Entscheidung, das weiß auch Gösch, wird am Ende nicht von den Clubs oder vom Verband, sondern von der Politik getroffen. "Nicht jeder ist so aufgestellt wie Bayern München oder Borussia Dortmund. Der Fußball kann vielleicht mal ein Vierteljahr ohne Fans spielen, aber wir nicht", sagt Gösch.

Crocodiles-Spieler sollen auf zehn bis 15 Prozent Gehalt verzichten

Um Kosten zu sparen, haben die Crocodiles die Stundung der Krankenkassenbeiträge beantragt. In den vergangenen Tagen hat Gösch alle Sponsoren kontaktiert, um sich ein Bild zu machen, welche Partner an Bord blieben. Ein Großteil der Sponsoren sind mittelständische Unternehmen, die selbst unter der Coronakrise leiden. „Das Feedback ist positiv, aber verbindliche Zusagen kann niemand machen, weil die Betriebe selbst erstmal sehen müssen, welche Konsequenzen Corona für sie hat. Das verstehe ich“, sagt Gösch.

Konsequenzen könnte die Pandemie auch für die Spieler haben. Da der Kader bereits vor dem Corona-Ausbruch weitestgehend komplett war, erwägt Gösch, die Spieler um einen Gehaltsverzicht in Höhe von zehn bis 15 Prozent zu bitten. Erste Gespräche mit den Profis haben bereits stattgefunden. Anfang Mai, wenn abzusehen ist, wie sich die Sponsorensituation darstellt, sollen diese intensiviert werden. "Wir müssen zusehen, dass wir unsere Zahlen zusammenbekommen und die Daumen drücken, dass unsere Sponsoren, dass sie ihre Zusagen erfüllen können. Dann hoffe ich mal, dass wir im September normal beginnen können", sagt Gösch.

Die Coronakrise kommt für die Crocodiles zur Unzeit. Nach der sportlich starken Saison 2019/20 wollte der Oberligaclub nun den nächsten Entwicklungsschritt gehen. In der Jubiläumssaison wollten Gösch und sein Team in die Infrastruktur investieren und den Fans rund um das Eisland Farmsen mehr Rahmenprogramm bieten. "Wir müssen uns da aber selbst ausbremsen", sagt der Crocodiles-Chef.

Trotz Corona: Pläne für Freiluftspiel im Millerntor werden weiter verfolgt.

Unter den gegebenen Umständen überraschst es, dass die Crocodiles trotzdem an ihren Plänen, ein Freiluftspiel im Millerntorstadion veranstalten zu wollen, festhalten werden. Im Januar 2021 soll im Fußballstadion des FC St. Pauli eine Partie vor 30.000 Zuschauern gegen die Hannover Indians stattfinden. "Wir hätten jetzt die Chance, das Projekt durchzuziehen. Wer weiß, wie es in den kommenden Jahren aussieht?", sagt Gösch. Das Projekt soll komplett fremdfinanziert werden. Für die Umsetzung wird nach Abendblatt-Informationen eine neue Gesellschaft innerhalb des Clubs gegründet, die für die Kosten, die sich auf rund eine halbe Million Euro belaufen, und die Organisation zuständig sein wird.

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Ein "Winter Game" vor 30.000 Zuschauern? Die Crocodiles Hamburg würden gerne eine Eishockeyspiel im Millerntorstadion des FC St. Pauli durchführen. © Witters/Imago

Die Chancen, dass der FC St. Pauli seine Heimspielstätte zur Verfügung stellt, ist aber ohnehin fraglich. Da auch im Fußball noch nicht abzusehen ist, wann die Saison 2020/21 beginnt, werden bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) bereits Szenarien durchgespielt, in denen eine Winterpause womöglich ausfällt. Im Juni 2021 steht schließlich die Europameisterschaft auf dem Programm, was bedeutet, dass der Ligabetrieb bis Anfang Mai durch sein muss. "Das ist derzeit in der Tat unser größtes Problem", sagt Gösch.