Hamburg. Carola Meyer und Marie Gnauert erklären, warum sie am 25. Mai das aktuelle Präsidium des nationalen Verbands ablösen wollen.

Für einen Sport, dessen Dachverband sich gern mit dem Bild einer kleinen, heilen Familie beschreibt, ist wohl wenig schlimmer, als wenn durch diese Familie ein tiefer Riss geht. Insofern muss man verstehen, dass am 25. Mai, wenn im rheinland-pfälzischen Grünstadt das Präsidium des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) neu gewählt wird, auf der Agenda der Herausforderin nicht das sportliche Fortkommen des erfolgreichsten olympischen Teamsports des Landes ganz oben steht. „Wir müssen wieder zu einem vertrauensvollen Miteinander zwischen Präsidium, Vorstand und unseren Vereinen kommen, denn das hat in den vergangenen Jahren leider stark gelitten“, sagt also Carola Meyer, wenn sie nach ihrer Prioritätenliste gefragt wird.

Und das wird sie in diesen Tagen häufig. Seit die 69-Jährige Anfang April angekündigt hat, in Grünstadt gegen Amtsinhaber Wolfgang Hillmann (66) in den Ring zu steigen, ist die Hockeyszene in Aufruhr. Wenn eine wie die Kölnerin, die seit acht Jahren Vizepräsidentin des Europaverbands EHF ist und als Teammanagerin der Damen und Herren tiefe Einblicke in die sportliche Organisation der DHB-Auswahlteams hatte, in eine Kampfabstimmung zieht, muss es ernst stehen um den Patienten DHB.

„System der Angst im Verband“

Tatsächlich hat sich dieser Eindruck in den vergangenen Monaten verschärft, als zunächst Mitte Januar ein anonymer Briefschreiber ein „System der Angst im Verband“ anprangerte und der DHB-Spitze „Misswirtschaft und Klüngelei“ sowie „chaotische Umstände“ in der Organisation von Großevents vorhielt. Mitte Februar hatten zudem die früheren Bundestrainer Markus Weise, Bernhard Peters, Jamilon Mülders und Peter Lemmen in einem offenen Brief scharfe Kritik an der Verbandsführung geübt.

Diese Vorgänge, sagt Carola Meyer, seien indes nur die Spitze des Eisbergs gewesen, nicht aber der Anstoß für ihr Engagement. „Ich sehe schon seit längerer Zeit, dass sich die Dinge in eine falsche Richtung entwickeln. Ich habe lange gewartet und gehofft, dass jemand anders aufsteht. Aber irgendwann ist Schluss, nun müssen wir handeln“, erklärt die ausgebildete Dolmetscherin, die lange in Lateinamerika lebte und fließend Spanisch und Englisch beherrscht – und entkräftet ein Argument ihrer Gegner, dass ein Neuanfang mit einer 69-Jährigen kaum glaubhaft sein könne, charmant. „Ich stehe für maximal zwei Jahre zur Verfügung, dann müssen Jüngere übernehmen. Aber den notwendigen Wandel anzuschieben, das traue ich mir zu.“

Wahlkampf wird intensiviert

Zumal sie, was ihr besonders wichtig sei, ja nicht allein dasteht. Carola Meyer und ihre Mitstreiter haben sich Zeit genommen, um gemeinsam ein komplettes Team aufzustellen. Die Namen sind bekannt, das Konzept des „Teams Aufbruch“, wie es sich selbst nennt, soll innerhalb der kommenden Woche in einer Präsentation allen Landesverbänden und deren Mitgliedsvereinen nahegebracht werden. Als Letzter wurde am Freitag der Hamburger Klaus Täubrich, selbst Hockeyspieler im Hamburger Polo Club und beruflich Spezialist für Marketing und Digitalisierung, als potenzieller Vizepräsident für Vermarktung gewonnen. Bislang hat sich die Herausforderin in der Öffentlichkeit zurückgehalten, in den kommenden Wochen wird der Wahlkampf intensiviert; das Gespräch mit dem Abendblatt war ihr erstes Zeitungsinterview zu dem Thema.

Carola Meyer (69) kandidiert am 25. Mai als Präsidentin.
Carola Meyer (69) kandidiert am 25. Mai als Präsidentin. © picture alliance / dpa

Besonders interessant sind in dem Kandidatenteam zwei Personalien. Die eine ist Marc Stauder (43), der das Finanzressort übernehmen soll. Der Düsseldorfer, Partner bei der renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, ist Experte für Good Governance und Compliance – und die Antwort auf den unter Hillmann zum wichtigsten Strippenzieher aufgestiegenen aktuellen Vizepräsidenten Remo Laschet.

Zweite Personalie birgt ebenso Brisanz

Der Kölner Rechtsanwalt, der auch für den Fall einer Wiederwahl Hillmanns seinen Rückzug erklärt hat, verantwortet aktuell die wichtigen Ressorts Finanzen und Recht und hatte für großen Unmut gesorgt, weil er eine Agentur mit den Bereichen Marketing und Events betraut hatte, an der er über Umwege beteiligt gewesen sein soll. „Wir wollen keine Vetternwirtschaft, sondern maximale Transparenz, um wieder für Sponsoren interessant zu werden“, sagt Carola Meyer. „Ämterhäufung ist schädlich, deshalb werden wir jedes Ressort einzeln mit absoluten Fachleuten besetzen.“

Die zweite Personalie birgt ebenso Brisanz, denn mit Marie-Theres Gnauert hat die amtierende Vizepräsidentin Leistungssport angekündigt, aus Hillmanns in Meyers Team zu wechseln, auch weil ihr der aktuelle Präsident nahegelegt hatte, nicht mehr zu kandidieren. Die gebürtige Hamburgerin, die beim Polo Club mit dem Hockeyspielen begann, aber seit Langem in Berlin lebt, sieht das Image des DHB durch die Querelen der vergangenen Wochen als „stark beschädigt.

Ausgliederung als Wahlkampfthema

Moderne Personalführung sieht anders aus, das interne Klima und die mangelnde Transparenz haben den Verband gespalten“, sagt sie als Begründung für ihre Entscheidung, im „Team Aufbruch“ mitzuarbeiten. Auf die Frage nach ihrem Anteil am aktuellen Dilemma sagt sie: „Ich habe versucht gegenzusteuern, habe alle aus meiner Sicht problematischen Dinge immer wieder angesprochen und darauf gedrängt, externen juristischen Rat zu suchen, bin aber nicht durchgedrungen. Vielleicht hätte ich noch schärfer sein müssen“, sagt die 53-Jährige.

Dass das Präsidium mit Julia Walter, die das Ressort Kommunikation/Events übernehmen würde, und Anette Breucker (Vizepräsidentin Jugend) noch weiblicher wird, ist für Carola Meyer, die die erste Frau an der DHB-Spitze wäre, ebenfalls ein wichtiger Fingerzeig. „Die Gender Balance ist für das Internationale Olympische Komitee und den Deutschen Olympischen Sportbund ein wichtiges Anliegen, dem wir mit unserem Team Rechnung tragen“, sagt sie. Die kommenden Wochen will sie nutzen, um sich in alle relevanten Themenfelder so einzuarbeiten, dass sie auf dem Bundestag die Fragen aller Mitglieder fundiert beantworten könne.

Gibt es ein drittes Team?

Insbesondere die Ausgliederung des Bundesligabetriebs in einen eigenen Ligaverband, die die aktuelle DHB-Führung und einige Großvereine anstreben, hat das Potenzial, die Wahl zu beeinflussen. Eine persönliche Position hat Carola Meyer in dieser Frage noch nicht, „mir fehlen noch Hintergründe. Ich möchte das Thema auch nicht in den Wahlkampf hineinziehen, wir haben andere Sorgen. Klar ist aber, dass wir uns dem Votum der Mitglieder verpflichtet fühlen.“

Ob das Votum, wer den Verband vom 26. Mai an führen soll, die Hockey-Familie wieder vereinen wird, bleibt abzuwarten. Mit welchem Team Hillmann antreten wird, ist unklar, der Präsident schlug mehrere Gesprächsangebote des Abendblatts aus, will sich aber rechtzeitig vor dem Bundestag erklären. Unklar ist ebenfalls, ob ein drittes Team um Hillmanns Vorgänger und Ehrenpräsident Stephan Abel zur Wahl stehen wird. Klar ist hingegen, dass das Team um Meyer nicht einfach nur antritt. „Wenn wir uns schon zu so einem Schritt durchringen, wollen wir auch gewinnen“, sagt sie.