Hamburg. Nach dem Verlust seines Hauptsponsors muss der deutsche Mannschaftsmeister mehr auf den Nachwuchs setzen.

Es ist ja nicht so, als hätte er nichts zu tun. Sein Job bei der Bereitschaftspolizei, wo er sich aktuell zusätzlich um ein weiterführendes Studium bewirbt und einen Lehrgang zum Schießausbilder absolviert, fordert Max Münsterberg an manchen Tagen so sehr, dass an Training kaum zu denken ist. Dennoch hat der 27-Jährige im vergangenen Jahr einiges dazu beigetragen, dass das Hamburger Judo-Team (HJT) zum dritten Mal in Serie deutscher Mannschaftsmeister wurde.

Wenn an diesem Sonnabend (17 Uhr, Sporthalle Wandsbek/Sportdeutschland.tv live) mit dem ersten Kampftag in der Bundesliga-Nordgruppe gegen UJKC Potsdam erneut das Unternehmen Titelverteidigung startet, ist Multitalent Münsterberg allerdings nicht nur in der Klasse bis 81 Kilogramm auf der Matte gefragt. Das HJT-Urgestein, seit 2009 Mitglied, hat zusätzlich auch noch das Amt des Teamleiters von Sascha Costa übernommen. Das bedeutet, dass er für die Organisation der Kampftage zuständig ist, Anreise und Übernachtungen für die auswärtigen Kämpfer plant. „Ich nutze den Großteil meiner Freizeit, um für das HJT zu arbeiten“, sagt Hamburgs Polizeisportler des Jahres 2018, „weil ich mich dem Team sehr verbunden fühle und etwas von dem zurückgeben möchte, was es mir über die Jahre gegeben hat.“

Ausrüstervertrag mit Adidas

Das klingt schön, ein wenig nach heiler Sportwelt, doch der Hintergrund dafür, dass sich altgediente Mitglieder in verstärkter Form engagieren, ist ein anderer. Weil es vor der Endrunde im vergangenen Herbst zu einem Zerwürfnis zwischen der HJT-Führung um Präsident Rainer Ganschow und Gönner Peter Wittmann gekommen war, der massiven Einfluss auf Aufstellung und künftige Ausrichtung des Teams nehmen wollte, stand der deutsche Meister plötzlich ohne Sponsoren da. Der hohe fünfstellige Etat, den es braucht, um eine Meistermannschaft zusammenzustellen, fiel auf einen Schlag weg. Fünf deutsche Topkämpfer – Igor Wandtke (Klasse bis 73 kg), Alexander Wieczerzak (bis 81 kg), Dimitri Peters, Dino Pfeiffer (beide bis 100 kg) und André Breitbarth (über 100 kg) – folgten Wittmann zum Süd-Bundesligisten KSV Esslingen.

Zwar konnten die Hamburger in der vergangenen Woche einen Ausrüstervertrag mit Adidas abschließen, darüber hinaus ist allerdings noch viel Luft im Etat. „Wir haben die Minimalsumme beisammen, um in der Bundesliga zu starten, aber keinen festen Etat. Wir müssen einsparen, wo immer es geht“, sagt Sascha Costa, der in diesem Jahr nur noch als Berater fungiert. Sein Sportdirektorenamt hat mit Patrick Strutz (26/bis 60 kg) ein weiterer aktiver Kämpfer übernommen. „Wenn wir Geld für einen Sportdirektor hätten, würden wir einen bezahlen. Aber so sind wir froh, dass wir solche Jungs wie Max und Patrick haben, die sich engagieren“, sagt Costa.

Ziel ist die Final-Four-Endrunde

Finanzielle Unterstützung von der Stadt fordern sie beim HJT nicht ein. Dass Sportstaatsrat Christoph Holstein sich für den Saisonauftakt angesagt hat, „werten wir als Zeichen der Wertschätzung“, sagt Costa. Außerdem stünde fest, dass die Sporthalle Wandsbek dauerhaft als Heimstätte genutzt werden kann. In der vergangenen Saison mussten zwei Heimkämpfe im Sportzentrum des Eimsbütteler TV ausgetragen werden.

Die Frage, wie weit es in dieser Saison trotz der finanziellen Einschnitte gehen kann, beantwortet Cheftrainer Slavko Tekic ohne Zögern: „Mein Ziel ist die Final-Four-Endrunde, und ich bin überzeugt davon, dass wir diese auch erreichen können“, sagt der 48-Jährige, dessen Auswahl sich dafür in einfacher Hauptrunde (drei Heim- und vier Auswärtskämpfe) mindestens Rang zwei im Norden sichern muss. Im Team sei eine Aufbruchstimmung zu spüren, die auch Münsterberg hervorhebt. „Die Jungs wollen unbedingt beweisen, dass der Erfolg der vergangenen Jahre nicht allein an den fünf Jungs hing, die jetzt gegangen sind. Sie wollen zeigen, dass wir unseren Stolz und unsere Ehre verteidigen werden“, ergänzt Tekic.

Verzahnung mit der zweiten Mannschaft

Tatsächlich stehen mit Moritz Plafky (bis 60 kg), Sebastian Hofäcker (bis 66 kg), Schamil Dsawbatirow (bis 73 kg), Dominic Ressel (bis 81 kg), Dario Kurbjeweit Garcia (bis 90 kg) und Robin Wendt (bis 100 kg) noch immer eine Reihe an deutschen Topkämpfern im Aufgebot. Wichtigste Neuzugänge sind der am vergangenen Wochenende gekürte U-21-Meister Mateo Cuk (bis 66 kg) und Benjamin Bouizgarne (über 100 kg), dazu rücken mit Yerrick Schriever (bis 66 kg) und Losseni Koné (über 100 kg) zwei Hamburger Toptalente ins Bundesligateam auf. Besonders der erst 17 Jahre alte Superschwergewichtler, der im Januar bei der Einzel-DM bei den Senioren Bronze gewann, hat es Cheftrainer Tekic angetan. „Losseni wird uns auf Anhieb sehr weiterhelfen“, sagt er.

Den Weg, verstärkt auf den eigenen Nachwuchs zu bauen, will Tekic nicht nur gehen, weil er alternativlos erscheint. „Wir wollen als Team weiter zusammenwachsen. Unsere Jugendarbeit ist gut, ich möchte den Talenten viele Chancen geben, um sich zu beweisen“, sagt der Coach, der eine Verzahnung mit der zweiten Mannschaft vorantreiben will. Bereits am Sonnabend gegen Potsdam, das neben SUA Witten und Aufsteiger JT Hannover als ärgster Konkurrent für einen der beiden Endrundenplätze im Norden gehandelt wird, könnte die Stunde der Jungen schlagen. Moritz Plafky, Dominic Ressel und Schamil Dsawbatirow sind mit der Nationalmannschaft auf Japan-Reise und Dario Kurbjeweit reist gemeinsam mit Slavko Tekic zu einem Turnier nach Jekaterinburg (Russland).

Max Münsterberg vertritt den Chefcoach. Taktik und Aufstellung sind zwar besprochen, Mehraufwand ist es trotzdem. Aber er hat ja sonst nichts zu tun ...