Hamburg. Achmadschah Zazai,Spielmacher der Towers, über die Bundesliga-Pläne des Hamburger Basketball-Zweitligaclubs.

Am Montag hat sich Achmadschah Zazai drei kleine Metallringe unter seiner rechten Augenbraue vom Arzt entfernen lassen, die den drei Zentimeter langen Cut klammerten, den er sich vor zehn Tagen bei einem Zusammenprall in Chemnitz (79:90) zugezogen hatte. Am Sonnabend gegen Schalke 04 (69:66) hatte er die Ringe, wie es das Reglement verlangt, noch mit einem Pflaster abgeklebt, „doch das hat mein Sichtfeld etwas eingeschränkt“, sagt der Spielmacher der Hamburg Towers. Der Eingriff kam zur rechten Zeit, denn heute (19.30 Uhr, edel-optics.de Arena) ist Zazais Durchblick wieder voll gefragt, wenn mit den Gladiators Trier, Tabellendritter (7:3 Siege) der 2. Basketballbundesliga ProA, einer der Konkurrenten der Towers (2./7:2 Siege) um die zwei Bundesliga-Aufstiegsplätze im Inselpark gastiert.

In den vergangenen Jahren hatten die Towers das A-Wort vermieden, als aber in Wilhelmsburg im vergangenen Sommer erstmals offen über Aufstiegs-Ambitionen gesprochen wurde, interessierte sich auch der 31-Jährige für den Club. Weil Towers-Sportchef Marvin Willough­by und der neue Trainer Mike Taylor einen Spielmacher suchten, der nicht – wie Vorgänger Anthony Canty – auf Korbjagd geht, sondern seine Kollegen optimal einzusetzen versucht, wurden sich beide Seiten bald handelseinig. Und Zazai, 1,75 Meter groß, wendig, ballsicher, dribbelstark, hielt in den bisherigen neun Spielen, was sich die Towers von ihm versprachen. Mit 63 Punkten und 64 Assists ist er hinter dem US-Amerikaner Ray­shawn Simmons (Ehingen), 114 Punkte, 91 Assists bei einem Spiel mehr, laut Statistik der zweitbeste Point Guard der Liga. Seine Mitspieler Andrew Barham (162 Punkte) und Beau Beech (128), die Topscorer der Towers, profitieren von seinen präzisen, schnellen Pässen. Trainer Taylor schwärmt von ihm: „Ich liebe ihn. ,Cha-Cha‘ ist ein Vorbild im Training und im Spiel. Er macht uns besser.“

Zazai schwärmt von Trainer Taylor

Schon vor der Saison wählte ihn die Mannschaft zum Kapitän. „Es ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich dieses Amt übernehmen darf, und ich spüre die Verantwortung, die damit verbunden ist“, sagt Zazai. Taylor habe ihm nach der Abstimmung gesagt, in einem Team müssten drei Leute in jedem Training, in jedem Spiel immer alles geben: der Trainer, der beste Spieler – und eben der Kapitän. Zazais Einstellung war in seiner langen Laufbahn allerdings schon immer über jeden Zweifel erhaben.

Die Komplimente des Trainers gibt Zazai gern zurück. Taylor, zugleich Coach der polnischen Nationalmannschaft, sei der Hauptgrund gewesen, warum er in Hamburg angeheuert habe. „Mit ihm kannst du aufsteigen. Er weiß, wie es geht, er hat eine positive, menschliche Art, ist sehr erfahren und gibt uns viel Selbstvertrauen. Was wir bei ihm lernen, lernst du sonst nur bei der Nationalmannschaft.“ Taylors Philosophie sei auch die seine: Kein Spieler dürfe sich über das Team stellen. „Das tut auch niemand bei uns“, sagt Zazai, der deshalb an den Aufstieg glaubt. „Unser Team hat großes Potenzial. Wir wachsen immer mehr als Mannschaft zusammen, merzen derzeit viele kleine Fehler aus. Ich habe vor der Saison gesagt, im Januar werden wir optimal eingespielt sein, und davon gehe ich weiterhin aus.“

Zazai wechselte bisher 14-mal den Verein

Hauptkonkurrenten in der Liga sind für Zazai der bisher ungeschlagene Tabellenführer Niners Chemnitz und der heutige Gegner Trier. „Ich will möglichst kein Spiel mehr verlieren, dann in den Play-offs Meister werden“, sagt er. „Das klingt ambitioniert, aber wir können das schaffen.“ Vier Jahre hat Zazai in Gießen und Braunschweig schon Bundesliga gespielt, die Rückkehr ins Oberhaus treibt ihn in Hamburg an. Dass er in seiner Profikarriere bisher 14-mal den Verein gewechselt hat, kann er schnell erklären. „Ich gehe immer dorthin, wo ich glaube, dass ich glücklich werde.“ Hamburg sei für ihn ein Dreipunktewurf. Über eine Vertragsverlänge-rung wird er zum Jahreswechsel verhandeln. Wie bei allen anderen läuft sein Arbeitspapier am Saisonende aus.

Zazai wuchs in Berlin-Schöneberg mit acht Geschwistern auf, spielte mit zehn Jahren erstmals Basketball, warf sich mit 16 Jahren in die deutsche Jugend-Nationalmannschaft. Seine Eltern kamen in der 1970er-Jahren aus Afghanistan, integrierten sich schnell. Zu Hause wurde/wird Deutsch geredet. Seine Großeltern, Tanten und Onkel leben noch heute in Kabul. Zazai spricht die Landessprache Paschtunisch, die Heimat seiner Vorfahren hat er bisher nicht besucht. „Das will ich unbedingt nachholen, aber als Basketballprofi hat mir bislang die Zeit dafür gefehlt.“ Regelmäßig überweist er Geld an seine Verwandten; zu helfen sei ihm ohnehin ein wichtiges Anliegen.

Zu wenig Restaurants in Hamburg, die die Halāl-Fleisch anbieten

Wenn er Hamburg mit seiner Geburtsstadt Berlin vergleicht, missfällt dem gläubigen Moslem „neben dem Wetter“ nur eins: Es gebe hier zu wenige Restaurants, die Halāl-Fleisch anbieten. „Am besten schmeckt es mir jedoch immer noch bei meiner Mutter“, gesteht Zazai. Im Mai, wenn 2019 der Fastenmonat Ramadan ansteht, wird er sich trotz der für diesen Zeitraum angesetzten Play-off-Endspiele an die religiösen Regeln halten, zwischen Sonnenauf- und -untergang nichts essen und trinken. Für einen Profisportler ist das eine Herausforderung. Zazai sieht das anders: „Das ist alles Kopfsache. Wenn die mentale Einstellung stimmt, sollte das kein Problem sein.“ Einem wie ihm scheint das leicht von der Hand zu gehen wie ein Korbleger.