Die beiden Protagonisten haben jedoch eine Vergangenheit, die die Zusammenarbeit in ein überraschendes Licht rückt.

Hamburg. Wenn hinter einer starken Nachricht eine Geschichte steckt, die die Nachricht in den Schatten stellt, dann ist die Geschichte wert erzählt zu werden. Felix Sturm, Profiboxweltmeister im Mittelgewicht, hat in Köln seinen neuen Trainer vorgestellt. Es ist der langjährige Chefcoach des Hamburger Universum-Stalls, Fritz Sdunek. Man tauschte die branchenüblichen Nettigkeiten aus, beteuerte sich gegenseitig höchsten Respekt und erklärte, gemeinsam das Potenzial bestmöglich ausschöpfen zu wollen. Es war wie immer bei öffentlichen Pressekonferenzen, wo selten das gesagt wird, was wirklich wichtig ist. Dabei haben die beiden Protagonisten eine Vergangenheit, die die Zusammenarbeit in ein überraschendes Licht rückt.

Ebenso wie Sdunek, der 1994 zu Universum kam, gehörte auch Sturm viele Jahre zu dem Hamburger Stall. Im Januar 2001 begann der heute 31 Jahre alte Leverkusener dort seine Profikarriere. Anfang dieses Monats endete die Beziehung nach einer monatelangen Schlammschlacht mit einer in letzter Minute ausgehandelten außergerichtlichen Einigung. Sturm, der sich in Zukunft in Eigenregie vermarkten möchte und am 4. September in der Lanxess Arena seinen ersten Kampf als freier Unternehmer bestreitet, zahlte eine Abfindung in Höhe von knapp einer Million Euro, dafür war er sofort ein freier Mann.

Sdunek dagegen war auf einem anderen Weg bei Universum ausgeschieden. Nachdem der 63-Jährige nach einer Reihe gesundheitlicher Probleme angekündigt hatte, eine Auszeit nehmen zu wollen, nahm Universum dies zum Anlass, ihm einen Rückzug nahezulegen, der zum Jahresende 2009 vollzogen wurde. In Wahrheit waren Universum-Chef Klaus-Peter Kohl und sein Team schon länger verärgert über Sduneks Illoyalität. Der Mecklenburger, der sich ebenfalls nicht ausreichend gewertschätzt fühlte, würde sich mehr um Schwergewichtsweltmeister Vitali Klitschko kümmern als um seine Schützlinge bei Universum, lautete der Vorwurf. Als Sduneks Kämpfer reihenweise wichtige Duelle verloren, war die Geduld ausgereizt. Öffentlich hieß die Sprachregelung: Auszeit auf unbestimmte Zeit. Intern wusste jeder: Eine Rückkehr wird es nicht geben. Viele Beobachter wunderten sich, warum Universum einen Trainer mit so viel Sachverstand gehen ließ. Doch Kohl blieb hart.

SDUNEK UND KLITSCHKO

Dass sich mit Sturm und Sdunek nun zwei von Universum in Unfrieden geschiedene Alphatiere zusammenfinden, überrascht deshalb auf den ersten Blick niemanden. Zwar hatte Sturm vor einigen Monaten bereits US-Startrainer Freddie Roach als seinen neuen Coach präsentiert. Nachdem dieser jedoch forderte, Sturm solle zur Kampfvorbereitung zu ihm nach Amerika reisen, nahm der Champion Abstand von der Kooperation. Interesse an Sdunek hatte Sturm indes schon seit vielen Jahren. Zu Bundesligazeiten in Leverkusen, als Sturm noch unter seinem Geburtsnamen Adnan Catic kämpfte, arbeiteten die beiden zusammen. Bei Universum trainierte Sturm jedoch unter Michael Timm; nicht immer zur vollsten Zufriedenheit. Vor einigen Jahren fragte er bei Sdunek bezüglich eines Wechsels an. Damals lehnte dieser mit der Begründung ab, Sturm passe charakterlich nicht in seine Trainingsgruppe.

Jetzt hat Sdunek zwar keine Trainingsgruppe mehr, sein Engagement bei Sturm sorgte jedoch trotzdem für ungläubiges Erstaunen bei seinem früheren Arbeitgeber. „Ich dachte bis zuletzt, das sei eine Ente. Niemals im Leben hätte ich mir vorstellen können, dass Fritz Felix trainiert“, sagte Excoach Timm. Sduneks früherer Assistent Artur Grigorian konnte sich kaum beruhigen, viele Sportler reagierten ebenso ungläubig auf die Nachricht wie langjährige Begleiter. „Es gibt kaum einen Menschen, der sich in den vergangenen Jahren dermaßen negativ über Sturm geäußert hat wie Fritz“, sagte einer. Tatsächlich war Sdunek mehrfach auch in größeren Runden über Sturm hergezogen, die Kritik war teils beißend hämisch gewesen. Gestern nun sagte er: „Felix wirkt von seinem Auftreten her arrogant, aber er ist es nicht. Er hat ein tolles Team um sich herum und viel Potenzial. Ich hatte Langeweile, warum also hätte ich das Angebot nicht annehmen sollen?“

Vitali Klitschko, der sich mit seinem Bruder Wladimir im Sommer 2004 von Universum losgesagt hatte und nach Sduneks Demission dessen einziger Schützling war, hat seinem Coach die Absolution erteilt. „Fritz hat mich vor einigen Wochen gefragt, ob er mit Sturm arbeiten darf. Er darf mit jedem arbeiten, solange gewährleistet ist, dass meine Vorbereitung darunter nicht leidet“, sagte er. Klar ist, dass Sturm sich in seiner Planung nach Klitschko richten muss.

Sdunek, der sich derzeit noch von den Folgen einer Hüftoperation erholt, wird am 9. August nach Köln reisen und Sturm dort in dessen Gym auf das Comeback vorbereiten. Da dieser mit Clive Salz seit Jahren einen eigenen Fitnesstrainer hat, verzichtet Sdunek gar auf die sonst von ihm praktizierte ganzheitliche Betreuung und wird sich lediglich um die boxspezifische Vorbereitung kümmern. „Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam viel Erfolg haben werden“, sagte er gestern. Es gibt viele, die das bezweifeln. Aber dass Fritz Sdunek für Überraschungen gut ist, hat er schon häufig bewiesen.