Hamburger Steffen Deibler wird über 100 Meter Schmetterling Vierter. Marco Koch holt einzige Beckenmedaille. Der DOSB sah eigentlich drei bis vier Medaillen vor.

Barcelona. Die deutschen Schwimmer stecken weiter im Abwärtsstrudel. Marco Kochs Silbermedaille über 200 Meter Brust hellte eine ernüchternde Bilanz schlechter Zeiten im WM-Becken von Barcelona nicht auf. Die Pause von Ex-Weltmeister Paul Biedermann und nicht zählbare Erfolge Britta Steffens, der Doppel-Olympiasiegerin von 2008, ließen Defizite diesmal offen zutage treten. Nun will der neue Chefbundestrainer Henning Lambertz nicht mehr nur beobachten, sondern mit durchgreifenden Veränderungen der enteilten Weltspitze wieder näherkommen. „Da liegt viel im Argen und viel tiefer im Argen, als man vermuten konnte. Wir müssen mehr, härter und intensiver trainieren. Punkt“, erklärte ein entschlossen wirkender Lambertz.

Die Zielvereinbarung des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sah für Barcelona „drei bis vier“ Medaillen im Becken vor. Stattdessen gab es seit dem WM-Start 1973 nie so wenig Edelmetall. In Belgrad holte die Bundesrepublik damals drei Medaillen, die DDR-Schwimmer räumten ab. Vor zwei Jahren verbuchte das Team in Shanghai mit fünf dritten Plätzen schon die schlechteste Becken-Bilanz seit der Wiedervereinigung 1990. Wenigstens wurden die angepeilten zehn Finalteilnahmen erreicht. Der Abwärtstrend nach den medaillenlosen Olympischen Sommerspielen 2012 in London wurde in Barcelona allenfalls verlangsamt. Den Freiwasser-Schwimmern um Rekord-Weltmeister Thomas Lurz, 33, der über 25 Kilometer und mit der Staffel Gold holte, und den Wasserspringern um die Überraschungs-Weltmeister Patrick Hausding/Sascha Klein war die Gesamtbilanz von zehn deutschen Medaillen (3-3-4) zu verdanken.

Lambertz sprach statt von Edelmetall stets davon, dass 70 Prozent ihre Leistungen der deutschen Meisterschaft Ende April in Berlin verbessern sollten. Doch trotz im Vergleich zu den Vorjahren entschärften Normen gelang dies nicht mal einem Fünftel. Und das hat nun Konsequenzen. „Die nächste Saison wird mit deutlich mehr Vorgaben ablaufen, als es bisher der Fall war“, sagte der 42-Jährige und kündigte Eingriffe in die Arbeit der Heimtrainer an: „Die Freiheiten sind in vielen Bereichen nicht so gestaltet worden, wie wir uns das erhofft haben, gar keine Frage.“

Seine Freiheiten und individuelle Klasse nutzte Steffen Deibler, 26, auch wenn es diesmal wieder nicht zur erhofften WM-Medaille auf der 50-Meter-Langbahn reichte. Wie bei Olympia 2012 wurde der Hamburger Vierter über die 100 Meter Schmetterling. „Ich bin einen Schritt weitergegangen auf meinem Weg, irgendwann mal ganz oben anzukommen“, sagte der Hamburger trotz seines Ärgers über die acht Hundertstelsekunden hinter dem Bronzerang. Seine bis zum Finale gültige Weltjahresbestzeit von 51,19 Sekunden hätte in Barcelona zu Silber gereicht, in 51,54 Sekunden schwamm er am Podest vorbei. Bei der Wende nach 50 Metern hatte er noch in Führung gelegen. Der Südafrikaner Chad Le Clos, 20, der schon die doppelte Strecke gewonnen hatte, siegte in 51,06 Sekunden.

„Die letzten Meter waren nix“, sagte Deibler, „da fehlte mir die Kraft. Ich habe mir jedoch nichts vorzuwerfen. Das war jetzt die zweitschnellste Zeit, die ich bisher geschwommen bin. Ich war schneller als in London, und die Gegner waren diesmal besser. Diese Erkenntnis mindert meine Enttäuschung etwas.“ Aber auch am Tag danach stand Deibler der Frust ins Gesicht geschrieben, obwohl er zum WM-Abschluss mit der Lagenstaffel auf einem guten Platz fünf anschlug. „Ich habe nicht gut geschlafen, lag sehr lange wach “, gestand er am Sonntagabend. „Heilandzack. Nur Blech“, hatte der gebürtige Schwabe auf seiner Facebook-Seite geschrieben und dazu ein Bild gepostet, auf dem er eine ziemliche Flunsch zieht.

Individualität zeigt auch Britta Steffen, die sich im Urlaub Gedanken über ihren weiteren Schwimm-Weg machen und die WM erst mal „sacken lassen will“. Immerhin deutete sie am Sonntag an, dass die Heim-EM 2014 in Berlin für sie weiter im Kopf ist. Zuvor hatte sie anklingen lassen, dass die 100 Meter Freistil ihr letztes WM-Einzelrennen gewesen sein könnten.

Rückendeckung auch für unpopuläre Maßnahmen erhielt Lambertz von Leistungssportdirektor Lutz Buschkow. „Wir müssen unnachgiebig nacharbeiten. Wir drohen den Anschluss zu verlieren.“ Buschkow rechnet mit „einschneidenden Veränderungen“ bei Projektmitteln im Becken. Die öffentliche finanzielle Grundförderung bleibe aber unberührt. Nach jeweils enttäuschenden Olympiaergebnissen hatte der DSV bei der WM 2001, 2005 und 2009 überzeugen können und zwischen sechs und 15 Becken-Medaillen gewonnen – auch weil die Konkurrenz diesen nacholympischen Titelkämpfen nicht immer Priorität einräumte. Diese Chance verpassten nun die Beckenschwimmer in Barcelona, 2015 wird die WM im russischen Kasan dann zum gnadenlosen vorolympischen Kräftemessen.

Lambertz hatte vor der WM vom nötigen „First Step“ auf dem Weg nach Rio de Janeiro 2016 gesprochen, nun erkannte er, dass dem ersten Schritt viel größere Sprünge folgen müssen. Konkurrenzfähigkeit im Kampf um die Medaillen bewiesen nur der Darmstädter WM-Zweite Koch, 23, der vom ehemaligen Hamburger Bundestrainer Dirk Lange betreut wird, und Steffen Deibler als Sechster (50 Meter) und Vierter über die Schmetterlingsdistanzen.

Britta Steffen schwamm eine passable WM mit persönlichen Jahresbestzeiten, war aber von Edelmetall wie erwartet entfernt. Für Paul Biedermann wird nach schon halbjähriger Pause der Weg zurück schwer. Die zweite Reihe konnte sich nicht in Szene setzen. Deiblers Bruder Markus, 26, der über 200 Meter Lagen als Neunter das Finale knapp verpasst hatte, war nach erneut gesundheitlichen Problemen auf die Titelkämpfe körperlich nicht optimal vorbereitet. Er hat das Potenzial, in Rio 2016 um Medaillen kämpfen zu können.

International schwamm die Jugend den Arrivierten oft davon. Zwei jeweils 16-Jährige trumpften auf: Litauens Ruta Meilutyte mit Weltrekorden, US-Girl Katie Ledecky räumte mit zwei Freistil-Weltrekorden vier Titel ab. Die nur zwei Jahre ältere Teamkollegin Missy Franklin war mit sechs Titeln die erfolgreichste Schwimmerin dieser WM.