Der FC Bayern München feiert sich und sein Triple nach dem 3:2-Sieg im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart. Die Gier auf weitere Erfolge, versichern sie, sei ungebrochen.

Berlin. Es war 0.37 Uhr, die Triple-Feier im Herzen Berlins hatte schon Fahrt aufgenommen, da kulminierte die historische Saison von Bayern München in ihrem wohl emotionalsten Moment. „Uli, komm' hoch!“, rief Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge dem Präsidenten Uli Hoeneß zu, dazu skandierten mehrere Hundert Menschen im Bankettsaal „Uliuliuli“.

Hoeneß erklomm die Bühne. Und wie er da oben stand, die drei glänzenden Trophäen neben sich und Arm in Arm mit seinem Freund Kalle, da war der große FC Ruhmreich für einen Augenblick ganz bei sich. Hoeneß genoss den Moment, dann entließ Rummenigge ihn, Trainer Jupp Heynckes und diese außergewöhnliche Mannschaft in die Nacht. „Feuer frei! Wir geben Vollgas bis zum Abwinken“, rief er.

Rummenigge ließ diesen Worten bald Taten folgen. Als Hoeneß um kurz vor drei Uhr nachts die Hauptstadt-Repräsentanz der Deutschen Telekom verließ, schwang der Bayern-Boss das Tanzbein. Zuvor hatten sich beide noch im Stadion nach dem 3:2 (1:0) im DFB-Pokal-Finale gegen den VfB Stuttgart das erste Gläschen gegönnt, beim Bankett folgten die ihnen in London noch verwehrten Sieger-Zigarren.

Die Bayern genossen diesen Abend und die darauffolgende Nacht in vollen Zügen. Drei Titel in einer Saison – das war noch nie da. In Berlin machten sich Heynckes und seine Mannschaft um die Kapitäne Philipp Lahm sowie Bastian Schweinsteiger unsterblich. „Was diese Leistung geschichtlich bedeutet, können wir vielleicht erst in zehn Jahren erfassen“, sagte Stürmer Thomas Müller.

Rummenigge schwärmte in seiner Bankettrede: „Hier stehen große Fußballer, Franz Beckenbauer, Günter Netzer. Die waren Weltmeister, deutscher Meister, haben den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Aber das Triple hat noch keiner erreicht.“ Die Spieler unterbrachen ihn in diesem Moment mit „Super Bayern“-Sprechchören, dann würdigte er sie als „unglaublich“. Und Beckenbauer bestätigte: „Das ist die beste Mannschaft, die der FC Bayern jemals hatte.“

Der „Kaiser“ würdigte Heynckes als „Vater des Erfolges“, erneut überreichte Rummenigge dem Coach verbal die „Carte blanche“ des Klubs. „Was auch immer du vorhast: Wir werden für dich immer eine Tür offen halten – nicht nur wegen der Erfolge, sondern wegen deiner Menschlichkeit.“

Der Coach habe in der ganzen Saison nur einzigen Fehler gemacht: In die Hauptstadt mit nur einem Anzug zu reisen. Heynckes wurde nach der Pokalübernahme von Lahm um 22.12 Uhr zunächst von Torwart Manuel Neuer, dann viele weitere Male biergeduscht. Zur Pressekonferenz erschien er im Trainingsanzug.

Dort warteten einige Dutzend Journalisten auf eine Erklärung zu seiner Zukunft. Doch Heynckes, um den sich nach wie vor Gerüchte um einen möglichen Wechsel zu Real Madrid ranken, verwies auf Dienstag. Dann will er sich von der Münchner Journaille verabschieden – und zu seinem weiteren Lebensweg erklären. Lust auf weitere Trainerjahre verspürt er wohl noch. Doch wie er nach dem Schlusspfiff, die Hände in die Hosentaschen gesteckt, auf dem Rasen des Olympiastadions so lustwandelte, schien er sich vom Trainerjob zu verabschieden.

Das Triple, das Müller (37., Foulelfmeter) und der möglicherweise ebenfalls scheidende Mario Gomez (48., 61.) mit ihren Toren perfekt machten, war auch für Heynckes die Krönung. „Wahnsinnige Bedeutung“ habe es für ihn, sagte er. „Was die Mannschaft, wir alle geleistet haben, ist historisch, das hat es noch nie gegeben.“ Sein Nachfolger Pep Guardiola könne mit dem FCB nurmehr den Eurovision Song Contest gewinnen, spottete Sky-Experte Jan Åge Fjørtoft.

Lahm dagegen ist vor der Zukunft „nicht bange“, wie er noch in den Katakomben des „deutschen Wembley“ versicherte. „Ohne Jupp wird es anders sein, aber wir bekommen auch wieder einen Toptrainer. Die Mannschaft ist in einem perfekten Alter, hat gute Charaktere. Alle Spieler haben längere Verträge, da ist noch einiges drin“, sagte er, und drohte der Konkurrenz: „Wir bleiben hungrig.“ Das verdeutlichten auch die Bayern-Fans unter den 75.420 Zuschauern, die nach dem Spiel die drei Trophäen auf großen Plakaten zeigten, dazu den Spruch: „We just can't get enough!“ Diese Bayern haben nie genug.

Das galt in dieser Nacht auch in Sachen Party. Kaum ein Profi war wirklich am exquisiten Menü mit Alpenlachs auf Belugalinsensalat und Milchkalbsrücken mit Spargel oder am Nachtisch („Schokoladen-Duett“) interessiert. Stattdessen folgten sie Rummenigges Vorgabe. „Letzte Woche habe ich gesagt: 1,8 Promille ist das Maß. Heute erhöhen wir auf über zwei. Wir lassen es krachen!“, rief der. Kurz vor zwei Uhr wurden von breitschultigen Sicherheitsleuten die Pokale weggepackt – noch einmal zur Politur für die Siegerparade in München.

Die Spieler und Heynckes waren da bereits in schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift „Oans, zwoa, drei – gwunna!“ geflüchtet. Grausam war die bereits in London aufspielende Band, die mit elektronischen Klängen quälte. Nur einmal bewies die Combo, gleichwohl unbewusst, Feingefühl. Als sich Hoeneß den Weg durch zahlreiche Gratulanten aus dem Saal zum Ausgang bahnte, spielte sie: „We are family!“