Serie - 3. Folge: Kaum war Max Schmeling aus den USA zurückgekehrt, wurde er in die Reichskanzlei befohlen.

Hamburg. Kaum war das Luftschiff "Hindenburg" mit dem Triumphator an Bord in Tempelhof gelandet, war die Menschenmasse nicht mehr zu halten: Kordeln und Absperrgitter wurden niedergerissen, alle wollten jenem Mann nahe sein, der das Wunder vollbracht und den als unschlagbar eingestuften "Braunen Bomber" Joe Louis k. o. geschlagen hatte. Ein Held war geboren. Ein Idol, das auch deswegen alle Sympathien genoß, weil es keinen großen Max machte.

Fast alle Zeitungen berichteten in Sonderbeilagen über den Fight, bei dem die Nation zu nächtlicher Stunde am Dampfradio mitgefiebert hatte. "Des siegreichen Schmeling Heimkehr" titelte das Hamburger Fremdenblatt in der Ausgabe vom 27. Juni 1936; die Ereignisse aus der Hauptstadt füllten Seiten. "Das alles heißt etwas für einen Mann, der in Hamburg-Eilbek aufgewachsen ist", erinnerte sich der brave "Maxe" später an die Ovationen: "Polizeiabsperrungen, Massenjubel, Konfettiregen und Motorrad-Eskorten sind überwältigende Erlebnisse für einen Mann in den zwanziger Jahren."

Kein Wunder, daß die Propagandaabteilung der NSDAP geschickt bemüht war, das Boxfieber und die mitreißende Woge der Begeisterung für die eigenen Zwecke zu nutzen. Der Sieg des arischen Modellathleten gegen den dunkelhäutigen Amerikaner, das paßte ideal ins Weltbild der Nazis. Reichsminister Joseph Goebbels hatte den Faustkampf in seiner Berliner Wohnung verfolgt und dazu Schmelings Ehefrau Anny Ondra geladen. Andere Parteibonzen standen auf dem Rollfeld in Tempelhof Spalier: Es ließ sich gut sonnen im Glanze des Sensationssieges.

Nur konsequent, daß Max Schmeling unmittelbar nach der Landung eine Einladung der ungewöhnlichen Art erhielt: "Der Führer bittet um 14 Uhr zum Tee in die Reichskanzlei." Zeitgleich ordnete Adolf Hitler an, die Aufzeichnung des Kampfes als Spielfilm in die Kinos zu bringen. Der Titel: "Max Schmelings Sieg ein deutscher Sieg". Hitler habe den Film des Louis-Fights abspielen lassen und sich bei jedem Volltreffer Schmelings begeistert auf die Schenkel geklopft. Ganz geheuer kam das dem bodenständigen und grundanständigen Hamburger nicht vor.

Über ein weiteres Treffen mit Hitler, einen Kaffeeklatsch am Tegernsee, berichtete er so: "Jeder Platz war mit frischem Birkenlaub und Schokoladen-Maikäfern geschmückt. Es gab Sandtorte und Streuselkuchen mit reichlich Sahne." Mit süßlichen Worten garniert.

Über Anny Ondras Heimatstadt Prag schwärmte Hitler in einem persönlichen Gespräch: "Prag, welch wunderschöne deutsche Stadt." Dann waren Weggefährten und Freunde urplötzlich verschwunden. Es waren Juden. Schmeling wurde immer nachdenklicher. Als Volksheld wurde er von den Nazis hofiert und herumgereicht, und fraglos genoß der junge Mann Rummel wie Ruhm. Er spielte mit, mehr nicht. Einer Mitgliedschaft in der NSDAP verweigerte er sich bauernschlau: "Was soll ein Sportler mit Politik? Das sind unterschiedliche Paar Schuhe."

Dennoch wuchs der Druck. Massiv wurde Schmeling bedrängt, sich von seinem langjährigen Manager und Freund Joe Jacobs zu trennen. "Sie sind der einzige deutsche Sportler, der noch einen jüdischen Manager hat", hieß es von höchster Stelle. Schmeling bat um einen Termin bei Hitler, er wurde gewährt.

Originalton Schmeling: "Herr Jacobs ist jüdisch. Aber im Boxen spielt es keine Rolle, ob jemand Katholik, Jude oder Neger ist. Herr Jacobs ist effizient, ehrlich, tüchtig. Das sind doch deutsche Eigenschaften." Hitler habe "wie versteinert" dagesessen und geschwiegen. "Da wußte ich, daß ich zu weit gegangen war. Die Audienz war beendet." Jacobs starb 1939 in New York.

Mit Max Schmeling war kein (nationalsozialistischer) Staat mehr zu machen. Auch unter dem Eindruck des verlorenen WM-Titelkampfes am 22. Juni 1938 gegen Joe Louis durch K. o. nach 124 Sekunden hatte der frühere Meister aller Klassen ausgedient. 1940 wurde der 35jährige zum Kriegsdienst als Fallschirmjäger einberufen. Bei einem Absprung über Kreta zog sich Schmeling im Mai 1941 beim Aufprall schwere Rücken- und Knieverletzungen zu. Ostern 1943 wurde er ausgemustert.

Als Deutschland wenig später in Schutt und Asche versinkt, steht auch das zuvor millionenschwere Ehepaar Schmeling mit leeren Händen da. Es ist viel verloren, aber nicht alles.