Serie: Anny Ondra und Max Schmeling - wie die Liebe begann, wie lange sie dauerte.

Hamburg. Wohl der, die einen Straßenkreuzer der Marke Chevrolet ihr eigen nennt - und dann noch in Königsblau. Noch besser ist sie dran, wenn Morgen für Morgen ein riesiger Blumenstrauß auf der Kühlerhaube liegt. Und am besten ergeht es der Dame, wenn dieser Gruß von einem Meister aller Klassen stammt.

Genau so erging es der Schauspielerin Anny Ondra. Sobald sie, meist gegen Mittag, ihre Luxuswohnung am Sachsenplatz 10 in Berlin verließ, lockte die Blütenpracht mit betörendem Duft. Der Absender, Max Schmeling, wohnte im gleichen Haus. Nur Freunde wußten, daß der Faustkämpfer mit der Hammerhand über weitere bemerkenswerte Eigenschaften verfügte: ein weiches Herz und eine enorme Angriffslust. Nur nicht, wenn eine Frau ins Spiel kam. Dann war der starke Max ganz schwach. Beim Kampf um die Liebe verließ ihn schlicht der Mut.

Kein Wunder, daß er einen Kumpel vorschickte, um die Anfangsoffensive zu starten. Und was für einen Kumpel! Paul Damski hieß er. Und er war herzensgut, auch bauernschlau, aber von eher schlichter Grundstruktur. Fürstliche Manieren und eine ausgefeilte Rhetorik zählten kaum zu Paules Markenzeichen. Und so stand er an diesem Frühlingstag im Jahre des Herrn 1929 im Sonntagsstaat vor Annys Wohnungstür und nuschelte etwas vom "Gruß eines Herrn Schmeling". Die Tür knallte zu, Damski zog ab - mit der geknickten Blumenpracht.

Ein Boxer nimmt zweimal Anlauf. Auch wenn Paule nicht mehr wollte. Doch als "Maxe" ihm das Herz ausschüttete, trottelte er ein paar Tage später von neuem los. Der Gardeathlet auf Freiersfüßen hatte gebeichtet, sich "unsterblich in Anny verliebt" zu haben - im Kino. Im Streifen "Die vom Rummelplatz" hatte er die blonde Schönheit mit den kecken Kulleraugen gesehen. Um "Maxe" war's geschehen.

Die Filmprinzessin, in Hitchcocks Tonfilm-Premiere "Blackmail" mit von der Partie und auch in Deutschland ein Star, zog über den gewissen "Herrn Schmeling" Erkundigungen ein und erhörte den Werbenden. Erst via Paul Damski zum Bohnengetränk in einem Cafe am Reichskanzlerplatz, dann zum privaten Plausch im Freundeskreis, letztlich ganz persönlich unter vier Augen. Zwei Herzen schlugen im Siebenachteltakt. Wie im Bilderbuch.

In Berlin verlief das Glück anfangs inkognito. Beide waren Stars: er der Schwergewichtsboxer, sie der zierliche Filmstern. Um Käseblätter und Volkstratsch auszutricksen, wandelte Max mit Vollbart und Sonnenbrille zum Rendezvous. Geradezu rührend schreibt Schmeling in seinem Buch "Erinnerungen" von bebenden Gefühlen, von magischen Anziehungskräften und wonnigen Sommerwochen im Naturparadies Saarow-Pieskow. In der dortigen Dorfkirche gaben sich beide am 6. Juni 1933 das Jawort. Irgendwie war ganz Deutschland Trauzeuge. Adolf Hitler ließ von seinem Chauffeur einen japanischen Ahorn vorbeibringen . . .

Das Schönste an dieser Liebesgeschichte: Sie ist wahr. Und sie währte ein Leben lang. Fast 54 Jahre. Bis zu Anny Ondras Tod im Februar 1987. Max Schmeling beschrieb die tiefe Glückseligkeit auf seine Weise: "Vielleicht ist es kein einzelnes Ereignis, das mir am eindringlichsten in Erinnerung tritt, wenn ich mir mein Leben vergegenwärtige. Sind es am Ende nicht doch die Jahrzehnte mit Anny, die keine Sensationen enthielten, sondern ganz einfach nur Glück bedeuteten?"

Bittere Zeiten waren vom Berg der Gefühle überschüttet. Die Fehlgeburt nach einem Autounfall im Jahr des Louis-Triumphs 1936, die schwere Kriegsverletzung, der Verlust des Ritterguts 1939 in Ponickel (Pommern), für das beide 3,5 Millionen Reichsmark bezahlt hatten. Wie viele andere Überlebende standen Anny und Max mit leeren Händen da. Sie hatten kaum mehr als ihr bloßes Leben - und sich selbst. Genug, um Energien freizusetzen, die Weichen für eine grandiose Zukunft stellten.

Schmelings wagten einen Neubeginn: im Boxring, aber auch im Geschäftsleben. Daß er sich nach einem angeblichen Grundstücksbetrug in der Alsterkrugchaussee für ein Vierteljahr in der Strafanstalt Fuhlsbüttel wiederfand, konnte das Glück nicht bremsen.