Die Türkei muss auf deutsche Schützenhilfe hoffen und gleichzeitig gegen Aserbaidschan punkten. Mesut Özil “spielt“ heute für beide Länder.

Hamburg. Wenn Mesut Özil heute Abend (19 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) für Deutschland gegen Belgien aufläuft, dann spielt er gleichzeitig auch für die Türkei. Der in Gelsenkirchen geborene Sohn türkischer Einwanderer will mit einem Sieg über den Nachbarn den Weg frei machen für die EM-Qualifikation der Türkei. Denn nur wenn die deutsche Mannschaft ihrer Favoritenrolle gerecht wird, den elften Sieg im elften Spiel einfährt oder zumindest ein Unentschieden holt, ist der Weg zum Turnier in Polen und der Ukraine für die Türken noch möglich.

Dazu bedarf es für die Mannschaft von Trainer Guus Hiddink jedoch zeitgleich auch einen Erfolg oder ein Remis gegen Aserbaidschan. Verliert Belgien in Düsseldorf und die Türkei schafft nur ein Unentschieden, zieht die Türkei in die Playoffs ein, da sie im direkten Vergleich mit den Belgiern die Nase vorne haben. Eine lösbare Aufgabe, dennoch steht der niederländische Coach unter Druck. Die Ausgangslage ist klar: Durch die 1:3-Pleite gegen Deutschland am Freitag in Istanbul verlor Hiddinks Elf den zweiten Tabellenplatz an Belgien, die einen Zähler mehr auf dem Konto haben.

Frankreich und Portugal zittern vor dem entscheidenden Spiel

Ein Sieg der Belgier gegen Joachims Löw Team käme dem Aus der türkischen EM-Träume und wohl auch Hiddinks als Nationalcoach gleich. "Wir müssen am Dienstag gewinnen und Belgien muss Deutschland schlagen. Wir glauben, dass wir die Playoffs erreichen, da es bei diesen Spielen keine Überraschungen geben kann", sagte Hiddink zuversichtlich.

Direkt qualifiziert wäre der Tabellenzweite der Gruppe A aber nicht, muss eben jenen Umweg über die Playoffs nehmen. Doch angesichts der deutschen Übermacht würde Rang zwei die Verantwortlichen und Fans in der Türkei zufrieden stellen. Beim vergangenen Turnier 2008 in Österreich und der Schweiz erreichten die Türken noch das Halbfinale, verloren dort knapp mit 2:3 – gegen den anschließenden Vizemeister Deutschland. Auch heute werden Kapitän Philipp Lahm, der damals das deutsche Siegtor in der 89. Minute erzielte, und seine Mitstreiter zum entscheidenden Faktor für die Türkei. Auch deshalb will Mesut Özil nach überstandener Verletzung heute unbedingt auflaufen. Für ihn ist es eine Frage der Ehre.

Hintergrund: Die Ausgangslage in der EM-Qualifikation

Vor dem letzten Qualifikationsspieltag stehen bisher 7 der 16 Teilnehmer an der Fußball-Europameisterschaft 2012 fest. Neben den Gastgebern Polen und Ukraine sind Deutschland, Titelverteidiger Spanien, England, Italien und die Niederlande für die Endrunde vom 8. Juni bis 1. Juli qualifiziert. Die Gruppensieger und der beste Gruppenzweite haben die direkte Teilnahme sicher, die übrigen Zweiten ermitteln in Playoff-Spielen die letzten vier Endrundenstarter. Bei Punktgleichheit von zwei oder mehr Mannschaften entscheidet zunächst der Direktvergleich und erst dann die Tordifferenz aus allen Spielen.

Gruppe A: Deutschland steht als Gruppensieger fest. Der Tabellenzweite Belgien (15 Punkte) muss zum Erreichen der Relegation gegen die DFB-Auswahl mindestens so viele Punkte holen wie Verfolger Türkei (14) gegen Aserbaidschan. Bei Punktgleichheit hätten die Türken wegen des besseren Direktvergleichs die Nase vorn.

Gruppe B: Tabellenführer Russland (20) reicht gegen Andorra ein Remis zur EM-Teilnahme. Irland (18) muss gegen Armenien (17) gewinnen und auf einen Ausrutscher der Russen hoffen, um noch vorbeizuziehen. Bei einer Niederlage müsste das Team von der Grünen Insel Armenien den Relegationsplatz überlassen.

Gruppe C: Italien ist souverän durch. Dahinter streiten Estland (16) und Serbien (15) um den Relegationsplatz. Nur ein Sieg in Slowenien würde die Serben an den spielfreien Esten vorbei auf Rang zwei bringen.

Gruppe D: Tabellenführer Frankreich (20) und Bosnien-Herzegowina (19) kämpfen im direkten Duell um den Gruppensieg. Den Franzosen reicht ein Remis. Den Play-off-Platz haben beide Mannschaften sicher.

Gruppe E: Vize-Weltmeister Niederlande ist qualifiziert. Schweden hat die Play-off-Teilnahme sicher und würde mit einem Sieg gegen die „fliegenden Holländer“ als bester Gruppenzweiter die EM erreichen.

Gruppe F: Griechenland genügt in Georgien ein Unentschieden für die direkte Qualifikation. Kroatien muss gegen Lettland gewinnen und auf eine Niederlage des Europameisters von 2004 hoffen. Bei einem hohen Sieg hätten die Kroaten sogar eine Mini-Chance auf die direkte Qualifikation als bester Gruppenzweiter.

Gruppe G: England hat die EM erreicht, Montenegro steht sicher in der Relegation.

Gruppe H: Portugal und Dänemark (je 16) ermitteln im direkten Duell in Kopenhagen den Gruppensieger. Den Portugiesen genügt wegen des besseren Direktvergleichs ein Unentschieden. Beide können die Endrunde zudem noch als bester Gruppenzweiter direkt erreichen.

Gruppe I: Spanien hat das EM-Ticket längst in der Tasche. Schottland (11) muss im letzten Spiel beim Titelverteidiger mindestens so viele Punkte holen wie Tschechien (10) in Litauen, um das Play off zu erreichen.