Zum Prozessauftakt gegen Uwe Schwenker und Zvonimir Serdarusic gehen die Verteidiger des früheren THW-Kiel-Erfolgsgespanns in die Offensive.

Kiel. Ein bisschen länger als unbedingt nötig verharrt Uwe Schwenker im Schwurgerichtssaal 232 des Kieler Landgerichts. Fast könnte man denken, er beginne sich wohlzufühlen im neoklassizistischen Ambiente, den weichen Farben und geschwungenen Formen. Dass es ein Heimspiel für den früheren Manager des THW Kiel werden könnte, hatte sich schon bei seiner Ankunft vier Stunden zuvor angedeutet, als er von einigen Zuhörern mit Applaus empfangen worden war. Als Schwenker schließlich gestern um 13.19 Uhr, drei Minuten nach seinem Mitangeklagten Zvonimir Serdarusic, heraustritt, umspielt ein Lächeln seine Lippen. Dieser erste Verhandlungstag sei gut gelaufen, lässt sein Strafverteidiger Michael Gubitz wissen. Und dass er hoffe, man könne das Verfahren bald abschließen.

21 Termine hat die 5. große Strafkammer angesetzt, um herauszufinden, ob sich der deutsche Handball-Rekordmeister 2007 den Champions-League-Titel für 92 000 Euro erkauft hat. Das Geld soll über den kroatischen Mittelsmann Nenad Volarevic an die polnischen Schiedsrichter des Finalrückspiels gegen die SG Flensburg-Handewitt geflossen sein. Auch 2008 sei es im Halbfinale gegen Barcelona und im Finale gegen Ciudad Real zu - allerdings fehlgeschlagenen - Manipulationsversuchen im Umfang von 60 000 Euro gekommen. Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlich begangene Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

Schwenker und der frühere Trainer Serdarusic, durch zwei Stühle voneinander getrennt, nehmen die Verlesung der Anklage ohne erkennbare Regung zur Kenntnis. Das einstige Erfolgsduo würdigt sich keines Blickes, noch nicht einmal in der Pause, als Serdarusic in der Gerichtskantine nur noch der Platz neben Schwenker bleibt. Später wird man erfahren, dass Schwenkers Trennung von seiner Ehefrau Karin, die mit Serdarusics Gattin Mirjana eng befreundet war, Ende 2007 zum Zerwürfnis geführt hat. Intime Details gehen aus einer Erklärung hervor, die Schwenker im November 2009 bei der Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Sie bleibt das wichtigste Beweisstück dieses ersten Verhandlungstages, an dem sich die Beschuldigten ansonsten in Schweigen hüllen. Zu keinem Zeitpunkt, heißt es in Schwenkers Einlassung, habe er Geld an Schiedsrichter bezahlt.

Handball auf der Anklagebank

Vielmehr rückt sie die Anschuldigungen ins Zwielicht einer Intrige. So sei die Zeugenaussage des HSV-Geldgebers Andreas Rudolph, wonach Schwenker die Schiedsrichterbestechung bei einer Feier auf Rudolphs Anwesen auf Mallorca zugegeben habe, "frei erfunden, um mir und dem THW Kiel zu schaden". Rudolph habe später vor Zeugen eingeräumt, es gehe ihm gar nicht darum, ob die Vorwürfe nun zuträfen oder nicht. Ziel sei vielmehr, den Titelrivalen zu vernichten.

Schwere Vorwürfe adressiert Schwenker auch an die Rhein-Neckar Löwen, deren Beirat Dieter Matheis die Affäre losgetreten hatte. Sie hätten ihre angeblichen Beweise als Erpressungsmittel verwendet, um die Ablöse für die Kieler Starspieler Nikola Karabatic und Vid Kavticnik zu drücken.

Die Zahlungen an Volarevic wenige Tage vor dem Finalrückspiel 2007 seien eine Vergütung dafür gewesen, dass der Serdarusic-Vertraute den osteuropäischen Spielermarkt für den THW sondiert und Kontakte zu Talenten hergestellt habe. Aus einer späteren Vernehmung Schwenkers geht hervor, dass Serdarusic sogar seinen Verbleib beim THW von dieser Zusammenarbeit abhängig gemacht haben soll.

Dem Trainer selbst will Schwenker im Jahr darauf die 60 000 Euro Bargeld in Form eines Darlehens ausgezahlt haben, als Serdarusic in finanziellen Nöten steckte. Offen bleibt, warum das Geld nie zurückgezahlt oder bei der vorzeitigen Vertragsauflösung 2008 verrechnet wurde. "Buche es irgendwie!", will Schwenker dem THW-Buchhalter Günther Dittmer zugerufen haben. Er habe es vielleicht an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen zu jener Zeit, nachdem seine neue Lebensgefährtin Heidi Assmann schwer erkrankt sei.

Für Serdarusics Verteidiger fügt sich alles zu einem schlichten Bild: Es gehe darum, "den sympathisch-bodenständigen THW unter die Räder einer Ballermann-nahen Schickeria" aus Hamburg und Mannheim geraten zu lassen. Der Konkurrenz sei es nicht gelungen, die Kieler auf dem Handballfeld zu überflügeln, die Verunglimpfung daher politisch motiviert.

Der Vorwurf blieb zumindest gestern unwidersprochen. Mit kleinen Nadelstichen legten Samson und Gubitz die Schwachstellen der Anklage frei. Sie unterschlage etwa, dass die von Volarevic entnommenen 45 000 Euro wenig später wieder auf dessen Konto eingingen. Auch hatten es die Ermittler offenbar unterlassen, einen Hinweis Schwenkers zu prüfen, wonach eine frühere Überweisung an Volarevic aus technischen Gründen fehlgeschlagen war. Dies könnte den zeitlichen Zusammenhang zum Champions-League-Finale infrage stellen. Die Vorwürfe seien schwach, der Tatverdacht nicht hinreichend, wetterte Gubitz und schlug einen Bogen zum Kachelmann-Prozess. Fast kleinlaut klang die Entgegnung der Staatsanwaltschaft, man wolle "keine Verurteilung um jeden Preis".

Für nächsten Mittwoch ist Jesper Nielsen in den Zeugenstand geladen. Den Hauptgesellschafter der Löwen beschrieb die Ermittlungsbeamtin Eva Heiden gestern als "relativ unkontrolliert: Er suchte Kontakt zu den Medien". In Saal 232 wird er ihn bekommen.