Ab Mittwoch stehen Ex-THW-Manager Schwenker und Ex-Trainer Serdarusic vor Gericht. Es geht um das Champions-League-Endspiel 2007.

Kiel. Es herrscht ein Medienauflauf wie in der Champions League, aber diesmal geht es für den Handball-Rekordmeister THW Kiel um einen Gerichtsprozess. 23 Journalisten sind für das Kieler Landgericht akkreditiert. Zwei Kamerateams, eines für die Öffentliche-Rechtlichen, eines für die Privaten, verschiedene Radiostationen, darunter die Deutsche Welle Bosnien, wollen von Mittwoch an aus dem Saal 232 berichten.

Angeklagt sind der ehemalige Manager Uwe Schwenker sowie der einstige Trainer Zvonimir Serdarusic, die 2007 das siegreiche Champions-League-Finale gegen den Nordrivalen SG Flensburg-Handewitt manipuliert haben sollen. Beide bestreiten die Vorwürfe, die vor zweieinhalb Jahren bekanntwurden. Es geht um den Verbleib von 152 000 Euro. 92 000 Euro davon sollen über einen kroatischen Mittelsmann an die polnischen Schiedsrichter geflossen sein. „Es ist einer der größten bundesweit interessanten Kieler Prozesse“, sagte Richter und Gerichtssprecher Sebastian Brommann über den Prozess. "Ich bin zuversichtlich, dass der Prozess schnell über die Bühne geht, damit ich danach möglicherweise wieder im Handball arbeiten kann“, sagte Schwenker selbst vor Beginn.

Während das Interesse der Medien an den 21 angesetzten Prozesstagen groß ist, herrscht beim THW Kiel Gelassenheit. „Bei uns löst das überhaupt keine Unruhe aus. Das sieht man doch daran, wie wir spielen“, meinte Geschäftsführer Klaus Elwardt am Dienstag. Seine Mannschaft hat in der Bundesliga die vier bisherigen Saisonspiele deutlich gewonnen und thront an der Tabellenspitze.

Untreue, Betrug, Bestechung: Handball-Welt blickt nach Kiel

„Das Team ist seit Beginn der Affäre gut mit dem Rummel umgegangen, hat sich sportlich nicht beeinflussen lassen. Ich bin mir sicher, dass wir auch den Prozess gut überstehen werden“, bestätigte THW-Kapitän Marcus Ahlm den „Kieler Nachrichten“ Unaufgeregtheit beim 16-fachen Meister.

Überhaupt lässt sich der Verein von den Spekulationen nicht beeindrucken, der THW könnte das Champions-League-Finale 2007 zu Unrecht gewonnen haben. „Es wurde doch von mehreren Instanzen geprüft: Rein sportlich ist alles sauber gelaufen und wir haben zu Recht gesiegt“, betonte Elwardt, der die Verhandlungen nicht als Zuschauer verfolgen möchte. „Wir kümmern uns um den Sport. Wir sind gut ausgelastet.“

Die SG Flensburg-Handewitt, die bei erwiesener Manipulation als Verlierer des Finals Schadenersatz fordern könnte, mahnt zur Ruhe. „Es tut der SG gut, wenn wir uns auf den sportlichen Bereich konzentrieren. Außerdem wollen wir nicht im Kaffeesatz lesen“, meinte Geschäftsführer Holger Kaiser.

Das Kieler Landgericht schickt sich jedenfalls an, Justizgeschichte zu schreiben. Denn den Vorwurf der Schiedsrichterbestechung gibt es im deutschen Recht nicht. Deshalb bemüht die Kammer das Wirtschaftsstrafrecht. Schwenkers Verteidiger Michael Gubitz: „Ein juristischer Holzweg ins Abseits!“

Kurz vor dem Auftakt des Mammut-Prozesses hat sich Stefan Lövgren zu Wort gemeldet. Der langjährige THW-Kapitän hat sich das Champions-League-Finale von 2007 noch einmal angeschaut. „Bei der Schiedsrichterleistung konnte ich überhaupt keine fehlerhaften Dinge oder Unregelmäßigkeiten erkennen“, sagte Lövgren. Der Schwede hofft auf ein schnellen Verlauf des Prozesses. „Das würde dem Handball gut tun“, sagte Lövgren.

Zur Schlüsselfigur könnte Zeuge Jesper Nielsen werden. Dem dänischen Gesellschafter des Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen soll Schwenker angeblich die Bestechung der beiden Schiedsrichter im Champions-League-Finale 2007 gestanden haben. Es soll allerdings auch einen Zeugen geben, der eben dies bestreitet. Auch die beiden beschuldigten polnischen Schiedsrichter werden im Laufe des Prozesses als Zeugen erwartet.

Schwenker, der sein Amt als Geschäftsführer des THW Kiel nach Bekanntwerden der Anschuldigungen im Frühjahr 2009 niedergelegt hatte, denkt hingegen bereits an die Zeit danach. Eine Rückkehr zum Handball scheint nicht ausgeschlossen. „Das ist mein Traumberuf“, sagt der 52 Jahre alte ehemalige deutsche Nationalspieler: „Es hat ja in der Vergangenheit immer wieder Anfragen gegeben - nur bisher war es nicht möglich.“ Seine Zukunft liegt nun in den Händen des Gerichts.

Hintergrund: Die Vorwürfe gegen Schwenker und Serdarusic

Weil das deutsche Strafrecht Schiedsrichterbestechung nicht kennt, muss im Prozess gegen die früheren Verantwortlichen des THW Kiel, Uwe Schwenker und Zvonimir Serdarusic, das Wirtschaftsrecht herhalten. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sind das Untreue und Betrug (Schwenker) beziehungsweise Beihilfe dazu (Serdarusic). Beide sollen den Champions-League-Finalsieg 2007 gegen die SG Flensburg-Handewitt durch Bestechung der polnischen Schiedsrichter gekauft haben, so der Vorwurf.

Schon vor Prozessbeginn schloss die Kammer allerdings Betrug und Untreue als Straftatbestände aus. Begründung: Es fehle ein hinreichender Tatverdacht. Für eine Verurteilung wegen Untreue muss dem THW laut Gericht ein Vermögensschaden entstanden sein. Doch der THW Kiel habe durch den Champions-League-Sieg deutlich stärker profitiert, als er durch eventuelle Bestechungsgelder verloren hätte. Auch für Betrug sieht die Kammer keine Anhaltspunkte. Hier fehlt ihr der nötige Nachweis der Täuschung.

Dagegen halten die Richter eine „Straftat gegen den Wettbewerb“, also eine Wirtschaftsstraftat für möglich. Diese lautet: „Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe). Sportliche Wettbewerbe könnten mit geschäftlichen Beziehungen verglichen werden, sagt Gerichtssprecher Sebastian Brommann. „Immerhin geht es bei den Einnahmen der Handball-Spitzenvereine um Hunderttausende Euro.“ Schwenker ist auch angeklagt, die THW-Bilanz 2007 unrichtig erstellt zu haben. Er und Serdarusic sollen zudem Geld aus der Vereinskasse genommen haben. (dpa/sid/dapd)