Die angehende Ärztin absolviert in Hamburg ihr praktisches Jahr. Am Sonnabend steht sie für ihren neuen Klub Klipper THC dennoch im Tor.

Hamburg. Kristina Reynolds ist im Stress. Seit ihrer Rückkehr von der WM in Argentinien Mitte des Monats absolviert die angehende Ärztin in Hamburg ihr praktisches Jahr. Bis Dezember arbeitet die 26 Jahre alte Nationaltorhüterin in Reinbek in der Radiologie, danach geht es in Barmbek in der Chirurgie weiter. Hockey spielt sie trotzdem. Am Sonnabend (15 Uhr) steht sie für ihren neuen Klub Klipper THC im Stadtderby gegen Vizemeister Uhlenhorster HC zwischen den Pfosten.

Abendblatt: Frau Reynolds, Hand aufs Herz: Wie hart war es, bereits zwei Wochen nach der WM wieder in der Bundesliga aufs Feld zu müssen?

Kristina Reynolds : Zum Glück hat mir unser Trainer Peter Krueger eine Woche Auszeit gegönnt, denn meine Lust auf Hockey hielt sich nach der Enttäuschung, als Vierter wieder mit leeren Händen von einem großen Turnier zu kommen, in engen Grenzen. Allerdings hat mir sehr geholfen, dass ich beim Klipper THC eine neue Herausforderung habe. Ich will mich einbringen und muss mich neu beweisen. Deshalb freue ich mich jetzt auch, dass die Bundesliga wieder läuft.

Sie haben nach zehn Jahren beim HTHC gemeinsam mit Krueger den Klub verlassen. War er der Grund, dass Sie gewechselt sind?

Reynolds: Ich mag Peter als Trainer und als Mensch sehr gern. Aber eine entscheidende Rolle hat er bei meinem Wechsel nicht gespielt. Es war einfach so, dass ich schon seit mehreren Jahren mit einem Wechsel geliebäugelt hatte, aber das Team nie im Stich lassen wollte. Das Training beim HTHC hatte schon seit längerem nicht mehr das Niveau, das ich mit meinem Ambitionen, im Nationalteam die Nummer eins zu sein, benötige, weil viele ältere Spielerinnen es aus beruflichen Gründen nicht zum Training geschafft haben. Ich brauchte eine neue Herausforderung, und die habe ich jetzt.

Die hätten Sie aber auch bei den Topteams UHC oder Alster suchen können. Stattdessen sind Sie Krueger zu Klipper gefolgt.

Reynolds : Ganz so war es nicht. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall in Hamburg bleiben wollte. Aber beim UHC und bei Alster sind die Torwartpositionen vergeben, und ich wollte dort niemanden verdrängen. Ich weiß auch gar nicht, ob die Klubs mich gewollt hätten. So blieb für mich nur Klipper.

Hat es Ihnen geholfen, dass Sie von März bis Juni bereits in Barcelona gespielt haben? War die Trennung vom HTHC dadurch emotional leichter?

Reynolds: Mit Sicherheit, diese Monate in Spanien haben mir ermöglicht, einen Blick von außen auf den Verein zu werfen, und ich habe gespürt, dass der Umbruch jetzt im Sommer so groß ist, dass ich den Schritt wagen kann. Ich wusste, dass ich es schaffen könnte, mich vom HTHC zu lösen. Zwar denke ich manchmal noch, dass ich das Team im Stich gelassen habe, aber wenn man rational an die Sache herangeht, versteht, so glaube ich, jeder meine Entscheidung.

Das Derby beim HTHC ist noch etwas hin. Denken Sie trotzdem schon daran?

Reynolds: Ein bisschen schon. Ich weiß, dass das kein normales Spiel sein wird. Ich richte mich auch darauf ein, dass es ein paar Sprüche geben wird. Aber das ist okay, davor habe ich keine Angst.

Am Sonnabend kommt der UHC zum Derby zu Klipper. Was erwarten Sie, und was können Sie mit Ihrem neuen Team in dieser Saison erreichen?

Reynolds : Der UHC wird in den kommenden Jahren sportlich kaum einzuholen sein, aber in einem einzelnen Spiel kann man sicherlich mithalten. Für uns ist es eine schöne Standortbestimmung. Es ist ein Bonusspiel, das wir genießen sollten. Was für uns in der Saison drin ist, kann ich noch nicht einschätzen, ich habe erst zweimal mit dem Team trainiert und ein Spiel gemacht. Aber das Potenzial ist groß, es ist eine sehr junge Mannschaft, und hier sind in jedem Training 20 motivierte Spielerinnen, die alles geben. Das habe ich gesucht und gebraucht.

Die Damen-Bundesliga spielt in dieser Saison erstmals im Herrenmodus mit zwölf statt zehn Teams, aber einer einfachen Hauptrunde ohne Rückspiele. Was halten Sie davon?

Reynolds : Das hat Vor- und Nachteile. Ich als Nationalspielerin finde es super, dass es jetzt Wochenenden gibt, an denen wir mal einen freien Tag haben. Das kommt mir sehr zugute, da ich durch mein praktisches Jahr unter der Woche extrem eingespannt bin und deshalb den Tag zum Verschnaufen am Wochenende sehr gut gebrauchen kann. Der Nachteil ist, dass es keine Rückspiele gibt und darunter die Chancengleichheit leidet. Aber da der Modus sowieso nicht endgültig ist, mache ich mir auch keine großen Gedanken darüber.

Wie lange werden Sie die Dreifach-Belastung aus Beruf, Bundesliga und Nationalteam noch aushalten?

Reynolds: Mein Plan ist, dass ich bis zu den Olympischen Spielen in London 2012 voll durchspiele, auch in der Hallensaison werde ich nicht pausieren, höchstens mal für ein Wochenende. Ich will 2012 als Nummer eins nach London, noch einmal das Gefühl Olympia erleben, weil ich in Peking dabei war und weiß, was das bedeutet. Dort wollen wir endlich die Medaille holen, die uns zuletzt verwehrt blieb. Und dann kann ich meine internationale Karriere beenden. Das ist der Plan. Ich hoffe sehr, dass er aufgeht.