Wladimir Klitschko verteidigt seine Titel. Der Boxweltmeister aus der Ukraine bestraft Samuel Peter beim K.-o.-Sieg wie ein Champion.

Frankfurt am Main. Ivaylo Gotsev hatte Erstaunliches mitzuteilen. Wie es Samuel Peter gehe, hatte man dessen Manager gefragt. "Er muss gleich ins Krankenhaus, um eventuelle gesundheitliche Schäden auszuschließen", sagte Gotsev, "aber er sitzt in der Kabine und macht schon wieder ein paar Witze." Man hätte sich in diesem Moment in den Umkleideraum des nigerianischen Schwergewichts-Boxprofis gewünscht, um zu hören, worüber ein Mann scherzen könnte, der gerade die schlimmste Prügelstrafe seiner Karriere bezogen hat.

Es muss eine gehörige Portion Galgenhumor gewesen sein. Denn was der 30-Jährige beim Titelkampf gegen Wladimir Klitschko in der Frankfurter Commerzbank-Arena an Schlägen auf seinen Kopf einstecken musste, erinnerte eher an ein Experiment mit einem Crashtest-Dummy denn an einen Boxkampf. Serienweise schlugen rechte Geraden und Haken ein. Peter machte lange Zeit den Eindruck, dass auch eine Ladung Pflastersteine, die man ihm aus kurzer Distanz ins Gesicht werfen würde, nur unwesentlich mehr Spuren hinterlassen hätte als die Schläge seines Peinigers. Als Peter einem irgendwann leidzutun begann, weil er so hoffnungslos unterlegen war und dennoch unermüdlich angriff, war das Ende nach 1:22 Minuten der zehnten Runde für die 43 000 Zuschauer in der ausverkauften Arena und bis zu 10,18 Millionen bei RTL wie eine Erlösung.

Dass der Mann, der die brutale Schlacht mit einer Kombination aus rechtem Aufwärtshaken, rechter Geraden und linkem Aufwärtshaken beendet hatte, mit seinem zum Zeichen des Sieges in die Luft gereckten rechten Arm tatsächlich wie ein Erlöser wirkte, war das Symbol eines Abends, der möglicherweise den Startpunkt einer neuen Ära des Schwergewichts markiert hatte. Wladimir Klitschko, 34, Weltmeister der Verbände WBO und IBF, hatte seine Titel gegen Peter verteidigt, aber er hatte dabei erstmals seit Langem nicht wie ein Bürokrat gewirkt, der sein Guthaben verwaltet, sondern wie ein echter Champion, der jeden, der nach seinem Besitz trachtet, bestraft. Der üblichen Ankündigung im Vorfeld, er werde seinen Gegner ausknocken, hatte der Ukrainer endlich die Entschlossenheit folgen lassen, die sein Trainer Emanuel Steward seit Jahren von ihm fordert. Anstatt sich auf seine linke Führhand zu verlassen, schlug er mehr rechte Hände als in seinen vier vorangegangenen Kämpfen zusammen.

"Ich habe zuletzt nie das abgerufen, was ich kann, sondern immer nur so viel getan, wie für den Sieg nötig war", sagte Klitschko. "Sam Peter hat mir mehr abverlangt, also musste ich auch mehr zeigen." Tatsächlich muss man dem Afrikaner zubilligen, dass er im Gegensatz zu den meisten Klitschko-Gegnern der vergangenen Jahre den Mut hatte, den Champion zu attackieren. Dass er damit die harten Konter des Zweimeterhünen schlucken musste, nahm er in Kauf. Weil der schwache Ringrichter Robert Byrd (USA) Peters ständiges Halten, Tief- und Nachschlagen nicht ahndete, gewann dieser wichtige Erholungsphasen, die ihn überhaupt die zehnte Runde erreichen ließen. "Wladimir hat sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen lassen, unsere Taktik gut umgesetzt und Peter Schritt für Schritt zermürbt", lobte Trainer Steward.

Vor fast genau fünf Jahren war Klitschko in Atlantic City mit Peter über die Runden gegangen, hatte ihn trotz dreier erlittener Niederschläge nach Punkten besiegt. "Ich habe diesen Kampf und all die bösen Worte nie vergessen. Heute habe ich bewiesen, dass ich mich weiterentwickelt habe, und ich möchte meinen Kritikern zurufen: Fresst eure Worte!", sagte der Weltmeister, der in der Ringecke erstmals von zwei weiteren Klitschkos unterstützt wurde. Neben Bruder Vitali, 39, Weltmeister des WBC, war auch dessen Sohn Egor-Daniel, 10, dabei. "Das hat mir Kraft gegeben. Ich genieße das Leben jeden Tag, und ich habe zum Boxen eine Liebe entwickelt, die ich früher nie hatte", erklärte er.

Diese Liebe wird den Champion noch vor Weihnachten erneut in den Ring treiben. Für den 4. oder 11. Dezember ist eine freiwillige Titelverteidigung vorgesehen, nachdem die IBF den Kampf gegen Peter als Pflichtverteidigung sanktioniert hatte. Berlin, Hannover und Mannheim sind mögliche Austragungsorte, als Gegner wird der Neuseeländer David Tua hoch gehandelt. Möglich wäre laut Klitschko-Manager Bernd Bönte auch ein Duell mit dem Franzosen Jean-Marc Mormeck in Paris. Ein Kampf gegen den Polen Tomasz Adamek, den Steward als Gegner ins Gespräch brachte, solle eher im Frühjahr 2011 in den USA stattfinden, wo Adamek eine große Fangemeinde hat und das Bezahlfernsehen Interesse zeigt. Den Russen Alexander Powetkin und den britischen WBA-Champion David Haye schloss Bönte vorerst aus. "Sie haben zu oft gekniffen und müssen sich jetzt hinten anstellen." Der Kubaner Odlanier Solis soll als Pflichtherausforderer gegen Vitali antreten.

Ginge es nach Steward, dann wäre die Gegnerwahl unproblematisch. "Es gibt nur die Klitschkos, dann noch mal die Klitschkos, und dann kommt der Rest. Die Brüder sind eine Klasse für sich, es ist egal, gegen wen sie antreten." Ivaylo Gotsev konnte da nur zustimmen. "Das Problem an unserem Kampfplan war, dass der Gegner Wladimir Klitschko hieß", sagte der Bulgare. Als Witz war das nicht gemeint.