Im Abendblatt-Interview spricht der Schweriner Europameister im Halbschwergewicht über seine WM-Ambitionen, seinen EM-Herausforderer und sein zweifelhaftes Image.

Hamburg. Vor seiner Pflichtverteidigung gegen den Italiener Antonio Brancalion (33) am Sonnabend in Oberhausen (22 Uhr, ZDF live) beantwortete Halbschwergewichts-Europameister Jürgen Brähmer (Schwerin) aus dem Hamburger Universum-Stall dem Abendblatt einige Fragen.

Abendblatt: Herr Brähmer, in den vergangenen Wochen wurde viel über die TV-Zukunft Ihres Promoters Universum diskutiert. Fürchten Sie auch, von Ende 2010 an nicht mehr im Fernsehen zu sehen zu sein?

Jürgen Brähmer: Nein, darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Das ZDF ist meines Wissens nicht der einzige Sender, der sich für uns interessiert, und es gibt in Deutschland auch noch andere Sender, die das Boxen hochklassig präsentieren.

Abendblatt: Das klingt, als wüssten Sie mehr als andere.

Brähmer: Na ja, ich rede ja auch mit meinem Promoter Klaus-Peter Kohl über solche Dinge, und ich bin mir sicher, dass wir auch nach 2010 eine gute Zukunft haben werden.

Abendblatt: Für Sie soll die nahe Zukunft eine neue WM-Chance bringen, nachdem Sie im November 2008 Ihre erste gegen WBA-Weltmeister Hugo Hernan Garay deutlich vergeben haben. Ist der EM-Titel mehr als nur eine Durchgangsstation?

Brähmer: Ich weiß, dass ich mal gesagt habe, dass für mich nur zählt, Weltmeister zu sein. Aber der EM-Titel ist ein schöner und großer Titel, der manchmal schwieriger zu gewinnen ist als eine WM, weil es dort vier verschiedene Verbände gibt. Deshalb nehme ich natürlich jeden EM-Kampf ernst.

Abendblatt: Ist diese Änderung Ihrer Einstellung auch notwendig gewesen, um den Druck von sich zu nehmen, unbedingt Weltmeister werden zu müssen?

Brähmer: Das hat mit Druck gar nichts zu tun. Es war einfach wichtig, dass ich meine Einstellung zum Boxen grundsätzlich geändert habe. Ich habe viel mehr Spaß an Training und Wettkampf als früher. Die Bereitschaft, im Training alles zu geben, hatte ich früher nicht immer. Ich spüre aber jetzt, dass sie das Quäntchen ausmacht, was man zum absoluten Erfolg braucht. Ich lebe das Boxen jetzt endlich so, wie man es muss, um in der Weltspitze anzukommen.

Abendblatt: Dass man aus Niederlagen manchmal mehr lernt als aus Siegen, ist eine altbekannte Weisheit. War also die Schlappe gegen Garay heilsam für Sie?

Brähmer: Ich habe viel daraus gelernt, aber am wichtigsten waren vielleicht die Sticheleien der vielen Kritiker danach. Das war das, was ich gebraucht habe. Ich konzentriere mich noch mehr auf mich selbst und weiß jetzt, was mir wirklich wichtig ist.

Abendblatt: Noch einen Satz zu Ihrem Herausforderer. Was ist die größte Stärke Brancalions?

Brähmer: Er ist sehr schwer zu treffen und unangenehm zu boxen. Ansonsten weiß ich nicht viel über ihn. Wie gesagt, ich konzentriere mich auf mich selbst.

Abendblatt: Ihre Vergangenheit als Gefängnis-Insasse haben Sie jüngst auf Ihre Art in den Fokus der Öffentlichkeit zurückgeholt. Sie unterstützen das Projekt „Santa Fu – heiße Ware aus dem Knast“, das von Häftlingen in Fuhlsbüttel gefertigte Klamotten vertreibt. Haben Sie keine Angst, dass Sie Ihr Image als „Knast-Boxer“ nie mehr loswerden?

Brähmer: Ich weiß ja, dass ich dieses Image nie loswerden werde, das ist mir aber auch egal, weil ich zu meiner Vergangenheit stehe. Ich mag den Style der Klamotten und die Idee, die dahinter steckt. Und ein bisschen Selbstironie tut doch jedem gut.