Auch Floyd Landis klagt den siebenfachen Toursieger erneut an. Wenn es ganz dick kommt, muss Armstrong unter Eid vor Gericht aussagen.

Gueugnon. Lance Armstrong wird die dunklen Schatten seiner Vergangenheit nicht los und steht erneut im Mittelpunkt massiver Doping-Anschuldigungen. Der dreimalige Toursieger Greg LeMond bezichtigte den Texaner erstmals öffentlich des Epo-Dopings, und auch Floyd Landis setzte mit neuen Vorwürfen seinen persönlichen Rachefeldzug gegen Armstrong und Co. fort. Unterdessen wurde der ebenfalls schwer belastete Teamchef Johan Bruyneel bereits vom belgischen Radsport-Verband verhört - Armstrongs Mentor stritt alles ab. „Ich habe Lance mal erzählt, hätte ich Epo genommen, dann hätte ich wohl mit acht Minuten anstatt mit acht Sekunden Vorsprung die Tour 1990 gewonnen. Daraufhin sagte Armstrong: 'Komm, jeder nimmt doch Epo'. So war das Gespräch mit Armstrong“, sagte LeMond der ARD. Der frühere Tour-Champion hatte sich in der Vergangenheit schon des Öfteren als Armstrong-Kritiker hervorgetan, in dieser Deutlichkeit aber noch nie. So gestaltet sich die dreizehnte und letzte Tour de France alles andere als ruhig für Armstrong. Es vergeht kaum ein Tag ohne neue Anschuldigungen und pikante Details. Und mittendrin ist erneut Landis , der bereits im Mai mit seinem Doping-Geständnis ein kleines Erdbeben in der Radsport-Welt ausgelöst hatte. Zum Tour-Start in Rotterdam hatte der frühere Radprofi, dem der Toursieg 2006 nach einer positiven Dopingkontrolle aberkannt worden war, in einem Bericht des Wall Street Journals über systematisches Blutdoping bei US-Postal berichtet. Epo, Bluttransfusionen und Testosteron seien an der Tagesordnung gewesen. Sogar Rennräder sollen für die Beschaffung von unerlaubten Mitteln verkauft worden sein.

Am Donnerstag zitierte nun die ARD aus E-Mails, die direkt von Landis an Armstrong gerichtet waren. „Mr. Armstrong, ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit, dass ich Sie und unsere früheren Mannschaftskameraden beschuldige, Blutdoping betrieben und Dopingmittel genommen zu haben, so dass Sie dreimal die Tour de France gewinnen konnten“, hieß es in einer E-Mail.

Ferner berichtete Landis nun, wie Armstrong ihm erklärt habe, warum Bluttransfusionen nötig seien, weil der neue Epo-Test so lästig sei. Nachdem Armstrong mehrmals die Glaubwürdigkeit von Landis infrage gestellt hatte, richtete dieser eine weitere Email an Armstrong: „Bitte hören Sie mit Ihren Drohungen auf und erstatten Sie stattdessen Strafanzeige. Die Anschuldigungen sind begründet. Das Publikum wurde betrogen.“

Angesprochen auf die Vorwürfe hatte Armstrong stets nach dem selben Schema reagiert und den alten Teamkollegen diskreditiert. „Landis' Glaubwürdigkeit ist wie eine Tüte saure Milch. Wenn man den ersten Schluck genommen hat, weiß man, dass der Rest auch schlecht ist“, hatte Armstrong zum Tour-Auftakt gesagt und die Anschuldigungen als „glatte Lüge“ abgetan.

Dopingexperte Werner Franke schenkt den Aussagen von Landis dagegen Glauben. „Floyd Landis hat Angst, dass er in die Hölle kommt. Deshalb fängt er jetzt an, alles hervorzuholen. Das ist ja eine strenge Sekte, in der er ist“, meinte der Heidelberger Molekularbiologe, der nicht fassen kann, dass Armstrong immer noch fahren darf.

Wie auch immer die Wahrheit aussieht, auf Armstrong könnten noch weitaus anstrengendere Tage zukommen als in den Bergen von Frankreich. In den USA wird bereits seit einigen Wochen gegen Armstrong wegen Betrugs und Verschwörung ermittelt. Chefermittler Jeff Novitzky hat sich gar der Sache angenommen. Wenn es ganz dick kommt, muss Armstrong unter Eid vor Gericht aussagen. Sollte er dann nachweislich lügen, droht eine Haftstrafe wie bei Sprinterin Marion Jones.

Aussagen musste Armstrong noch nicht, sein Mentor Bruyneel indes schon. Bei der mündlichen Anhörung vor dem belgischen Radsport-Verband hat der 45-Jährige alle Vorwürfe abgestritten. Chefermittler Jaak Fransen will aber weitere Ermittlungen einleiten. Bis die Untersuchung abgeschlossen ist, werde es keine weiteren Statements geben, hieß es in einer Mitteilung des Verbandes.

Bis dahin wird es weitere Anschuldigungen geben, wie von LeMond, der bereits 2006 gegen seinen Landsmann gewettert hatte. Weil LeMond im Jahr 2001 Armstrongs Kontakte zum umstrittenen italienischen Arzt Michele Ferrari kritisiert hatte, habe ihn der Texaner massiv unter Druck gesetzt. „Lance hat mich bedroht, meine Frau, mein Geschäft, mein Leben“, sagte der zweimalige Weltmeister damals. Das Comeback von Armstrong bezeichnete LeMond als „Albtraum“. Zumindest in dieser Hinsicht wird er in zwei Wochen wieder gut schlafen können.

Auch Jan Ullrichs früherer Betreuer Rudy Pevenage kann beruhigt sein. Der Weltverband UCI wird den Belgier nach dessen Geständnis, Ullrichs Reisen zum spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes organisiert zu haben, nicht belangen.