Huck vor seinem ersten Schwergewichts-WM-Kampf gegen den Russen Alexander Powetkin über Schmeling, die Klitschko-Brüder und Neider.

Hamburg. Er bereitet sich auf den Kampf seines Lebens vor. Am 25. Februar (22.45 Uhr/ARD live) boxt der Bielefelder Marco Huck, 27, vom Berliner Sauerland-Team in der Stuttgarter Porsche Arena gegen seinen russischen Stallkollegen Alexander Powetkin um die WBA-WM-Krone im Schwergewicht. Das Abendblatt traf ihn im Trainingslager in Kienbaum.

Hamburger Abendblatt: Herr Huck, Sie können als erster Deutscher seit Max Schmeling Weltmeister im Schwergewicht werden. Was bedeutet Ihnen das?

Marco Huck: Es ist für mich eine riesengroße Ehre, in einem Atemzug mit einer Legende genannt zu werden. Was Schmeling für den Boxsport in Deutschland und für das Land getan hat, ist unvorstellbar. Ich bin stolz, dass ich diese Chance bekomme, und ich werde alles geben, um als sein Nachfolger genannt zu werden. Das haben ja schon einige versucht, die dann jämmerlich gescheitert sind. Ich kann versprechen, dass ich alles geben werde.

Sie sind als bosnischer Serbe geboren, haben aber die deutsche Staatsangehörigkeit und bezeichnen Deutschland als Herzensangelegenheit. Trotzdem werden Sie von vielen nicht als Deutscher anerkannt. Schmerzt Sie das?

Huck: Ach, ich habe mich daran gewöhnt. Schade finde ich es trotzdem, weil ich nicht in diesen Kategorien denke. Wenn mich in der Halle jugoslawische und deutsche Fans anfeuern, nehme ich sie als meine Fans wahr. Ich fühle mich als Deutscher, ich habe diesem Land viel zu verdanken, und ich werde alles geben, um diese Ehre zu verteidigen. Wer mir das nicht gönnt, dem kann ich nicht helfen. Ich weiß, dass ich viele Neider habe. Wenn ich auf die hören würde, müsste ich mich mit der ganzen Welt anlegen.

+++ Huck sieht sich für Schwergewicht gut gerüstet +++

Sie heißen Muamer Hukic, Marco Huck ist nur ein Künstlername zur besseren Vermarktbarkeit in Deutschland. Haben Ihre früheren Landsleute Ihnen diesen Schritt schon verziehen?

Huck: Nein. Einige nehmen mir das bis heute noch übel. Gerade unter jugoslawischen Fans bin ich sehr umstritten. Was glauben Sie, was dort in Internetforen alles an Gerüchten über mich kursiert? Letztens stand dort, ich wäre vor den Augen meines Trainers von einem Sparringspartner verprügelt worden, der mit nur einem Arm und verbundenen Augen angetreten ist. Ist das nicht lustig? Ich kann mich darüber mittlerweile nur noch amüsieren.

Als Sie ins Schwergewicht aufgestiegen sind, haben Sie sofort die Klitschkos herausgefordert. Können Sie verstehen, dass viele Sie als größenwahnsinnig ansehen?

Huck: Nein. Ich finde es auch schade, dass es in Deutschland so schwer ist, sein Selbstbewusstsein zu zeigen. Ich glaube an mich, warum soll ich das nicht auch demonstrieren? Ich bin keiner, der im Alltag damit prahlt, Boxweltmeister zu sein. Wenn ich auf der Straße angesprochen werde, ob ich nicht der Boxweltmeister bin, dann sage ich oft aus Verlegenheit, dass ich nur der Bruder bin. Ich bin ein höflicher Mensch. In Berlin trage ich oft alten Menschen ihre Einkäufe oder schiebe sie im Rollstuhl, einfach so. Wenn die dann fragen, was ich so mache, sage ich meist, dass ich Sportstudent bin. Ich will im Alltag gar nicht auffallen. Aber im Ring, da bin ich eben ein Lautsprecher, absolut von mir überzeugt. Was ist daran falsch?

"Meinen Eltern verdanke ich alles und für sie würde ich ins Feuer springen, ohne eine Sekunde zu zögern"

Wahrscheinlich sind es der forsche Tonfall und die Art, wie Sie Dinge äußern.

Huck: Ich habe größten Respekt vor den Erfolgen der Klitschkos, sie sind Topathleten, und sie können nichts dafür, dass viele ihrer Gegner Schiss haben. Diesen Respekt haben sie sich erarbeitet. Im Ring aber hätte ich keinen Respekt vor ihnen, ich würde mich nicht verstecken, sondern alles geben. Und ich weiß, dass ich sie schlagen würde. Ich wäre gern sofort gegen einen von ihnen angetreten, aber mit Powetkin war es einfacher, weil wir denselben Promoter haben. Also schlage ich zuerst ihn.

+++ Marco Huck bleibt Weltmeister im Cruisergewicht +++

Woher nehmen Sie Ihr Selbstvertrauen?

Huck: Weil ich, im Gegensatz zu vielen Klitschko-Gegnern, schon etwas geleistet habe. Ich bin Weltmeister im Cruisergewicht und habe den Titel achtmal verteidigt. Ich wollte überall der Beste sein. Ich habe im Sport viel ausprobiert, war beim Fußball, beim Handball oder beim Football. Überall wollten sie mich dabehalten. Aber erst im Kampfsport habe ich mich wohlgefühlt. Wenn man beim Fußball müde wird, spielt man einfach den Ball ab und ist die Verantwortung los. Aber wenn man im Boxen müde wird, dann geht der Spaß erst los. Dann muss man seinen Mann stehen, allein, im Duell eins gegen eins. Das hat mich fasziniert, das ist mein Naturell.

Woher kommt diese Leidenschaft für den Kampf Mann gegen Mann?

Huck: Ich war ein hyperaktives Kind und wollte mich immer duellieren. Wenn es auf dem Schulhof zu Prügeleien kam, dann habe ich mich auf die Seite des Schwachen geschlagen und mich mit den Starken gemessen. Das steckt einfach in mir drin. Deshalb habe ich als Zehnjähriger mit Kampfsport begonnen. Ich habe immer mit Jungs trainiert, die fünf, sechs Jahre älter waren. Die haben mich nie geschont, und am Anfang haben sie mich ganz schön vermöbelt. Ich habe mir gesagt: Irgendwann kriege ich euch! Und als ich 15 war, hat es klick gemacht. Da war ich besser als alle anderen, und die, die mich früher verhauen haben, haben mich angebettelt, dass ich nicht so hart zuschlage. Das war ein tolles Gefühl!

Was gibt es Ihnen, einen Gegner zu besiegen, am besten gar auszuknocken?

Huck: Es gibt mir ein Gefühl der Stärke. Ich bin sehr aufgeregt, bevor der Kampf losgeht. Aber wenn der erste Schlag kommt, dann fällt alle Last von mir ab, dann fühle ich mich frei. Ich brauche einfach dieses Adrenalin.

Ist Boxen Ihr Leben oder eine Metapher für Ihr Leben?

Huck: Nein, mein Leben ist meine Familie. Was nützt einem Reichtum, wenn zu Hause keine Harmonie herrscht? Boxen ist mein Hobby, das ich zum Beruf gemacht habe. Darüber bin ich sehr glücklich. Früher habe ich bezahlt, um den Sport zu machen. Heute werde ich dafür bezahlt. Ein Traum!

Sie sagen gern, Sie hätten vor nichts Angst. Ist Angst nicht aber auch ein gesundes Gefühl, das schützen kann?

Huck: Wenn ich Angst hätte, dann würde ich mich nicht in den Ring trauen. Ich denke auch nicht über die Gefahr von Verletzungen nach. Trotzdem bin ich ein vorsichtiger Mensch. Ich finde es toll, wenn ich später sagen kann: Guck mal, das war ich, das habe ich erreicht. Es gehört zu meinem Stil, aggressiv zu boxen und das Risiko zu suchen. Damit habe ich Erfolg.

Aber für viele Kritiker sind Ihre Kämpfe mehr Wirtshausprügelei als Boxen.

Huck: Ja, und wissen Sie was? Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Kritiker habe, ich begehre ihre Worte geradezu. Denn sie sind für mich die größte Motivation. Mittlerweile freue ich mich vor Kämpfen am meisten auf die vielen Neider, die danach wieder über mich lästern. Mir zeigt das, dass man mich respektiert. Wenn die Leute nicht über mich reden würden, wäre ich nicht mehr interessant. Aber solange sie lästern, beschäftigen sie sich mit mir.

Der Kern der Kritik lässt Sie aber kalt? Immerhin sagt auch Ihr Trainer Ulli Wegner oft, dass Sie noch viel zu lernen und zu verbessern hätten.

Huck: Ich bin mit meinem Stil sehr weit gekommen. Warum sollte ich also etwas ändern? Ich bleibe lieber bei dem, womit ich bislang Erfolg hatte. Was meinen Trainer angeht: Ich versuche natürlich, auf ihn zu hören. Aber immer geht das nicht.

"Es gehört zu meinem Stil, agressiv zu boxen und das Risiko zu suchen. Die Neider sind für mich die größte Motivation"

Sieht er das auch so? Warum ist er denn der richtige Trainer für Sie?

Huck: Herr Wegner ist für mich eine absolute Respektsperson. Er hat so viel geleistet, dass ich ihn sehr bewundere. Aber ich bin leider nicht immer einfach zu lenken, das hat er auch schon mitbekommen. Trotzdem kann ich mir keinen besseren Trainer wünschen. Es gibt nur zwei Personen, denen ich noch mehr vertraue, und das sind meine Eltern. Ihnen verdanke ich alles, und für sie würde ich ins Feuer springen, ohne eine Sekunde zu zögern. Ich habe ihnen einige graue Haare verschafft, was mir sehr leidtut. Aber das ist vorbei. Jetzt genieße ich es, dass sie mir sagen, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Und wissen Sie, was nach einem Kampf die größte Belohnung ist?

Verraten Sie es uns.

Huck: Wenn ich mich zu Hause in den Schoß meiner Eltern legen kann und sie mir über den Kopf streicheln.

Das verwundert. Ich hätte eher auf eine üppige Kampfbörse getippt. Dem Vernehmen nach war Ihr Aufstieg ins Schwergewicht einzig den größeren Verdienstmöglichkeiten geschuldet.

Huck: Das ist auch wieder ein Vorurteil. Man verdient auch im Cruisergewicht sehr gut. Geld ist wichtig, aber die Hauptrolle hat die sportliche Herausforderung gespielt.

Ihren Cruiser-WM-Titel haben Sie dennoch nicht niedergelegt. Was machen Sie, wenn Sie Powetkin schlagen?

Huck: Dann lege ich beide WM-Gürtel nebeneinander und kläre per Abzählreim, welchen ich behalten will.

Das könnte bedeuten, dass Sie aus freien Stücken auf das Erbe von Max Schmeling verzichten?

Huck: Ich weiß es wirklich noch nicht. Erst einmal zählt nur, dass ich gegen Powetkin einen überzeugenden und schönen Sieg schaffen werde, damit alle zufrieden sind: meine Kritiker, meine Fans und meine Familie. Und dann sehen wir weiter.