Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin, fordert nach dem Olympia-Aus der Nationalmannschaft neue Strukturen im deutschen Handball.

Hamburg. Bob Hanning, 43, Geschäftsführer der Füchse Berlin und Vizepräsident der Handball-Bundesliga, hat nach dem Olympia-Aus der Männernationalmannschaft bei der EM in Serbien "gravierende strukturelle Veränderungen" im Deutschen Handballbund (DHB) angemahnt. "Amateure hoffen, Profis arbeiten" hat er sein umfangreiches Positionspapier überschrieben. Vom HSV und dem THW Kiel fordert Hanning mehr Mut bei der Integration talentierter junger Spieler.

Hamburger Abendblatt: Herr Hanning, wie steht es um den deutschen Handball?

Bob Hanning: Nach dem siebten Platz bei der EM war oft zu hören, die Mannschaft habe hervorragend gekämpft. Wenn das der Ansatz für den größten Handballverband der Welt ist, wäre das fatal. Mit etwas Glück und besseren Schiedsrichtern hätten wir das Halbfinale erreichen, mit etwas Pech in der Vorrunde ausscheiden können. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit über den derzeitigen Leistungsstand der Nationalmannschaft. Auf jeden Fall schöpfen wir das Potenzial nicht aus, das wir aufgrund unserer Sponsoren, unserer Mitgliederzahl und unserer Bundesliga haben. Unser Anspruch muss es sein, dass wir 2020 Olympiasieger werden wollen und 2014 bei der nächsten EM wieder um den Titel mitspielen können.

Was muss dafür geschehen?

Hanning: Die Bundesligavereine haben deutlich an Professionalität gewonnen, der Verband aber tut sich damit schwer. Da fehlen kompetente Personen, die hauptamtlich Verantwortung übernehmen, die etwas ändern wollen und können. Mit Tradition und Ehrenamt kommen wir nicht mehr weiter. Der DHB muss moderner werden, Strukturen überdenken. Auch den Landesverbänden muss geholfen werden. Der Weg des geringsten Widerstandes ist asphaltiert, doch er endet oft am Abgrund. Es kann nicht sein, dass der Verband sich in der Öffentlichkeitsarbeit den neuen Medien verweigert. Oder nehmen Sie die Kampagne "Handball-Stars go School". Das ist sehr schön, wenn ein paar Stars in der Schule auftauchen und Training geben. Aber: Wo ist bitte da die Nachhaltigkeit? Die fehlt. Damit bringt das gesamte Projekt wenig bis nichts.

Braucht der DHB einen neuen Präsidenten, wie es Ihr Nationaltorhüter Silvio Heinevetter nach der EM gefordert hat?

Hanning: Ulrich Strombach hat große Verdienste, er hat mit zum Erfolg der WM 2007 in Deutschland beigetragen. Ich würde daher nie sagen, der Präsident muss weg. Es gehen von ihm jedoch zu wenig Impulse für eine Modernisierung aus. Mein Vorschlag wäre: Lasst uns alle zusammen, Bundesliga, Landesverbände, DHB, bis 2013 einen geeigneten Nachfolger suchen. Es bringt nichts, jetzt einen Präsidenten zu stürzen, wenn man keinen neuen hat.

"Der HSV Hamburg bietet als Verein mit seinem Umfeld alle Voraussetzungen, um eine Vorreiterrolle im deutschen Handball zu spielen" - Bob Hanning

Der jetzige DHB-Manager Heiner Brand macht hauptsächlich die Vereine für den Leistungsstand der Nationalmannschaft verantwortlich. Sie würden Ausländer kaufen, anstatt Talente zu fördern.

Hanning: Viele Vereine sind sehr spät aufgewacht. Inzwischen ist die Liga dank des Jugendzertifikats auf dem richtigen Weg. Auch der HSV und Kiel investieren jetzt kräftig in den Nachwuchs. Alle Klubs erkennen, dass sie etwas für das Gesamtprodukt - und zu dem zählt die Nationalmannschaft - leisten müssen. Die Bundesliga gibt für ihre Nachwuchsarbeit weit mehr als drei Millionen Euro aus und ist jetzt bereit, auch die Anstrengungen der Landesverbände finanziell zu unterstützen - weil es nur gemeinsam vorangeht.

Ausbilden ist das eine, spielen lassen das andere. Talente erhalten nicht nur bei den Spitzenklubs kaum Einsatzzeiten.

Hanning: Von Trainern ist oft zu hören: Bis ich den Spieler entwickelt habe, bin ich längst entlassen. Da kann ich nur den Managern empfehlen, auch an ihre Jobs zu denken. Wenn diese Nachhaltigkeit fehlt, wird der gesamte Handball irgendwann darunter leiden. Es gehört natürlich auch Mut dazu, junge Spieler regelmäßig einzusetzen. Gerade der HSV oder der THW Kiel wären dazu aber sportlich in der Lage. Sie könnten selbst ein, zwei Niederlagen verkraften, ohne ihre Spitzenstellung einzubüßen. Der HSV könnte mit seinen Strukturen und seinem Umfeld das Aushängeschild der Liga werden, sein positives Image weiter verbessern, wenn er systematisch auf junge Spieler setzt, wenn er auf diesem Weg voranschreitet. Darin liegt eine riesige Chance für den Klub.

Eine Quote könnte nachhelfen.

Hanning: Einsicht wäre besser, auch wenn ich für drei bis fünf Spieler unter 25 Jahren im Kader jedes Klubs plädiere. Schauen Sie auf den Fußball. Dortmund, Stuttgart zeigen, dass man mit jungen Spielern große Erfolge feiern kann. Bei beiden Klubs war die finanzielle Not der Ratgeber, das macht die Sache nicht schlechter. Das Gegenbeispiel ist der englische Fußball. Die Liga ist die beste Europas, die Nationalelf wartet seit Jahrzehnten auf einen Titel. Das sollten wir uns vor Augen halten.

Der HSV sucht einen neuen Cheftrainer. Talant Dujshebaev soll es werden. Der will die Champions League gewinnen und nicht in erster Linie Talente fördern.

Hanning: Dujshebaev ist einer der besten Trainer der Welt. Wechselt er in die Bundesliga, wäre das nur zu begrüßen. Er würde neue Ideen einbringen, neue Impulse geben. Davon profitieren alle.

Ihr Verein, die Füchse Berlin, zeigt als Tabellenzweiter hinter Kiel und drei Punkte vor dem HSV, dass man mit geringeren finanziellen Mitteln um die Meisterschaft mitwerfen kann. Wie geht das?

Hanning: Auf Dauer geht das nicht mit einem Etat, der 40 Prozent des HSV-Budgets beträgt. Wir haben das Glück, dass wir von Verletzungen halbwegs verschont geblieben sind. Bei der Zusammenstellung unseres Kaders haben wir zuerst auf den Charakter der Spieler geschaut, dass der Kader menschlich passt und dass wir einen erstklassigen Trainer verpflichten können. Den haben wir mit Dagur Sigurdsson.

Am Mittwoch treten die Füchse in Hamburg beim HSV an. Ist das bereits das Endspiel um die Vizemeisterschaft?

Hanning: Es ist für beide Mannschaften ein wichtiges Spiel, für den HSV ein noch wichtigeres als für uns.

Die Bundesliga-Auswahl mit den HSV-Profis Bertrand Gille und Domagoj Duvnjak besiegte in Leipzig die deutsche Nationalmannschaft mit 36:32 (18:18).