Man wolle Dortmund auf das eigene Niveau ziehen, hieß es im Lager des Außenseiters. Der kann pünktlich zum Jubiläum Historisches schaffen.

Kiel. 11.500 Tickets waren binnen 13 Minuten vergriffen, auf dem Schwarzmarkt boten verzweifelte Fußballfans bis zu 3000 Euro pro Karte. Kiel - eigentlich doch Handball-Hochburg - steht am Dienstag im Fokus von ganz Fußball-Deuschland. Der Deutsche Meister Borussia Dortmund nämlich gibt sich die Ehre und tritt im Viertelfinale des DFB Pokal (20.30 Uhr/ARD und Sky) beim viertklassigen Pokalschreck Holstein Kiel an.

„Wir hätten bestimmt 40.000 Tickets verkaufen können. Aber auch so ist dieses Spiel ein gigantisches Ereignis für uns“, skizziert Holstein-Sportchef Andreas Bornemann den immensen Publikumszuspruch. Und obwohl es gegen die aktuell beste deutsche Vereinsmannschaft geht, glimmt bei den „Störchen“ ein kleiner Hoffnungsfunken auf eine weitere Pokalsensation. Immerhin wurden in den ersten drei Runden die Zweitligisten Energie Cottbus und MSV Duisburg sowie Erstligist FSV Mainz 05 eliminiert - ohne Verlängerung und sogar ohne jedes Gegentor.

Aus dieser beeindruckenden Siegesserie zieht auch Trainer Thorsten Gutzeit seinen Glauben daran, dass der Erfolgsweg seiner Truppe den KSV Holstein erstmals seit 71 Jahren wieder in die Vorschlussrunde führen könnte: „Vor dem Anpfiff verschwende ich keinen Gedanken an eine mögliche Niederlage. Aber es wird ganz, ganz schwer, die sind immer geil auf Erfolg. Wir müssen Dortmund irgendwie auf unser Niveau herunterziehen.“

+++ Kein Public Viewing beim Pokalhit Kiel gegen BVB +++

Gespielt wird mit einem eigens für diese Begegnung kreierten „Pokalschreck“-Ball, doch eher dürften die technisch überragenden Gäste von den Bemühungen der Platzherren profitieren, das Spielfeld des Holstein-Stadions auch ohne Rasenheizung mit Hilfe eines 150.000 Euro teuren Klimazeltes zu erwärmen. Die aus England eingeflogene Konstruktion war bereits im Viertelfinale gegen Mainz zum Einsatz gekommen, ein Vorteil erwuchs dem drei Klassen höher spielenden Favoriten daraus seinerzeit allerdings nicht.

Finanziell ist man an der Förde schon jetzt der große Pokalsieger. Zwischen 2,5 und 3 Millionen Euro werden auf die Holstein-Konten fließen, Einnahmen, die norddeutsch-kühl verplant und nicht nach dem Gießkannenprinzip ausgegeben werden soll. „Keiner wird da bei uns die Bodenhaftung verlieren“, verspricht Geschäftsführer Wolfgang Schwenke. Der ehemalige Handball-Nationalspieler und langjähriger Stammakteur beim deutschen Rekordmeister THW Kiel ist der Garant dafür, dass die unverhofften Zusatzgelder sinnvoll investiert werden. „Das Geld ist schön, bedeutsamer für den Verein ist aber noch der große Imagegewinn, den wir durch die tollen Pokalauftritte haben. In Deutschland und in der Region“, betonte der Clubchef.

+++ Die große Familie von Holstein Kiel +++

Schließlich sind die Pokaltriumphe kurzfristige Erfolge, mittelfristig streben die Schleswig-Holsteiner zurück in die 3. Liga, später auch gern in die 2. Bundesliga. Derzeit steht Kiel in der Regionalliga Nord auf Tabellenplatz zwei, nur einen Punkt hinter Tabellenführer und Aufstiegsfavorit RB Leipzig. Coach Gutzeit: „Wir wollen wieder dauerhaft auf die große Fußball-Landkarte, deshalb wäre der Sprung in Liga drei sehr wichtig für uns.“

BVB nimmt Double ins Visier – Hummels: „Haben Großes vor“

Borussia Dortmund nimmt das erste Double der Vereinsgeschichte ins Visier. Vier Tage nach der Rückkehr an die Bundesliga-Tabellenspitze eröffnet der Meister im DFB-Pokal die Runde der letzten acht Teams. „Wir haben Großes vor – nicht nur in der Meisterschaft“, sagte Mats Hummels vor dem Spiel am Dienstag (20.30 Uhr/ARD und Sky) beim Viertligisten Holstein Kiel. Wie der Nationalspieler hofft auch Trainer Jürgen Klopp auf eine Fortsetzung des derzeitigen BVB-Erfolgszugs – und den ersten Einzug in ein Pokal-Halbfinale seit 2008: „Ich habe schon als Junge vom Pokalfinale geträumt.“

Der seit 14 Bundesliga-Spielen unbesiegte BVB geht zwar als Favorit, aber auch mit gehörigem Respekt in die Partie. Klopp ließ zwei Testpartien des Gegners beobachten und schaute sich dessen Pokalerfolge über die Zweitligisten aus Cottbus und Duisburg sowie über den Erstligisten Mainz auf DVD an. Befürchtungen, dass seine Profis die Partie auf die leichte Schulter nehmen könnten, hegt er nicht. „Meine Mannschaft unterschätzt definitiv keinen Gegner, weder Kiel noch irgendeinen anderen“, sagte der Coach in einem Interview auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Kopfzerbrechen bereiten jedoch die Platzverhältnisse – auch wenn beim BVB zumindest offiziell niemand darüber redet. Denn der Zweite der Regionalliga Nord hat keine Rasenheizung. Trotz der derzeit eisigen Temperaturen haben die Kieler wie schon in Runde 3 vorgesorgt - ein über der Rasenfläche aufgebautes und 8000 Quadratmeter großes Klima-Zelt soll ein Anfrieren des Bodens verhindern. „Wie ich hörte, ist in Kiel ein komplett neuer Rasen verlegt worden. Damit ist dieses Thema erledigt“, kommentierte Klopp betont unaufgeregt.

Nach Hummels’ Einschätzung ist von Beginn an höchste Konzentration vonnöten. „Wichtig ist, dass wir in Führung gehen. Wenn nicht, könnte es schwierig werden. Das haben die anderen drei Mannschaften zu spüren bekommen“, sagte der Manndecker mit Verweis auf die bisherigen Zu-Null-Pokalsiege der Kieler gegen die Profi-Clubs aus Cottbus, Duisburg und Mainz. Für Holstein-Coach Thorsten Gutzeit war es selten leichter, seine Spieler auf eine Partie einzustimmen: „Das ist ein Traum für meine Spieler“, sagte der Trainer, der die Herausforderung immerhin in Bestbesetzung annehmen kann. „Es wird diesmal ganz, ganz schwer. Aber meine Spieler sind alle geil auf den Erfolg.“

Vor einer höheren Pokalhürde als der Bundesliga-Spitzenreiter aus Dortmund steht der Verfolger aus München. Der Stolperstart in die Rückrunde mit nur vier Punkten aus drei Partien hat beim FC Bayern München vor dem Spiel am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF und Sky) beim VfB Stuttgart für ungewohnte Nervosität gesorgt: „Wir sind jetzt unter Druck“, bekannte Sportdirektor Christian Nerlinger.

Dritter im Bund der Pokalfavoriten ist Borussia Mönchengladbach. Gut drei Monate nach dem 2:1-Erfolg in der Meisterschaft bei Hertha BSC will der Bundesligavierte den Erfolg an gleicher Stätte wiederholen. Für Erfolgscoach Lucien Favre ist es zwar die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte, aber nach eigenem Bekunden kein besonderes Spiel: „Dass es mein Ex-Club ist, ist mir egal.“

Neben Holstein Kiel ist Greuther Fürth der einzige Club im Viertelfinale, der nicht zur deutschen Eliteliga zählt. Gleichwohl rechnet sich der Zweitligist im Duell beim derzeit instabilen Gegner

1899 Hoffenheim gute Chancen aus. Schließlich hatte Hoffenheim-Coach Holger Stanislawski nach dem 2:2 seiner Mannschaft am Samstag gegen Augsburg Anzeichen von Resignation erkennen lassen. Manager Ernst Tanner hofft auf eine Trotzrektion der Mannschaft: „Wir haben die Chance, erstmals ins Halbfinale zu kommen. Ich habe mit Stani telefoniert, es geht ihm schon viel besser.

Die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen:

Kiel: Jensen - Herrmann, Berzel, Jürgensen (Schulz), Poggenberg - Kazior, Müller - Chahed (Sachs), Sykora, Lindner - Heider. - Trainer: Thorsten Gutzeit

Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Kehl, Leitner - Blaszczykoski, Kagawa, Großkeutz - Lewandowski. - Trainer: Jürgen Klopp

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)