Kapitän Pascal Hens bleibt bei der Handball-EM auch auf der Bank ein Vorbild. Heute steht das Duell mit Schweden auf dem Programm.

Nis. Martin Heuberger hat die Frage erwartet. Die Frage nach dem Kapitän der Handball-Nationalmannschaft, die Frage nach Pascal Hens. 60 Minuten lang hatte der Hamburger Rückraumschütze am Dienstagabend beim 24:23-Erfolg gegen Mazedonien im zweiten deutschen Vorrundenspiel der Europameisterschaft auf der langen Auswechselbank gesessen, die Frage aber, ob Hens heute gegen Schweden (18.15 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) wieder zum Einsatz kommen werde, entlockt dem Bundestrainer zunächst nur ein sanftes Lächeln. Dann sagt er: "Wir brauchen jeden. Pascal spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in unserem Team." Diplomatischer und ausweichender hätte Heuberger nicht antworten können.

Der Kapitän als Statist, in diese Funktion werden Führungsspieler in deutschen Auswahlmannschaften selten degradiert, besonders dann nicht, wenn das sportliche Überleben in einem internationalen Turnier auf dem Spiel steht. Und wohl wenige hätten diese Rolle derart positiv und aktiv angenommen, wie es Hens gegen Mazedonien vor 3,11 Millionen Zuschauern in der ARD (12,1 Prozent Marktanteil) tat. Hier sei nur an den Fußballprofi Michael Ballack erinnert, den einstigen Capitano der Nationalelf. Der leitete aus dem Amt stets auch Ansprüche ab, koste es (Teamgeist), was es wolle. Nicht so Hens. Er ist ein echter Kapitän.

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Ein Vorbild, einer, der selbst dann gedanklich nicht von Bord geht, wenn die anderen spielen. "Ich bin hier im Dienst der Mannschaft unterwegs", sagt Hens am Tag danach, "ob ich ihr auf dem Feld oder von außen helfen kann, ist egal. Hauptsache, wir haben Erfolg. Das ist unsere Mission. Erfolgreich sind wir, wenn wir als Team funktionieren." Hens, Welt-, Europa- und deutscher Meister, der in 194 Länderspielen 562 Tore warf, feuert seine Kollegen von der Linie aus an, leidet mit, muntert sie auf, nimmt sie in den Arm, streichelt ihnen über den Kopf, gibt Ratschläge und reicht ihnen Wasser. Und als die Medien nach dem Spiel Erklärungen erwarten, steht er in den Katakomben des Sportcenters von Nis noch immer Rede und Antwort, als der Rest des Teams die ersten entspannenden Momente unter den Duschen genießt. Über seine ungewohnte Rolle sagt der 31-Jährige: "Ich bin gesund. Natürlich will ich dann spielen. Aber auch von der Bank ist so eine Begegnung anstrengend. Du fieberst mit, du bist hochkonzentriert, weil du jederzeit eingewechselt werden könntest. Da kommt dir zu keinem Zeitpunkt in den Sinn, dass du viel lieber auf dem Feld wärst."

Die, die Hens lange kennen, sind nicht überrascht vom Auftreten des Kapitäns in Serbien. Martin Schwalb zum Beispiel, der Präsident der HSV-Handballer, sein langjähriger Trainer in Hamburg und früher in Wallau-Massenheim, schwärmt: "Pascal hat Millionen Menschen am Bildschirm seinen Charakter gezeigt. So kennen wir ihn. Er setzt sich, ob im Verein oder in der Nationalmannschaft, immer für die Gemeinschaft ein. Auch deshalb ist er für ein Team so wertvoll, als Spieler und als Mensch." Vor seinem Rückflug aus Belgrad nach Deutschland schickte ARD-Experte Schwalb noch eine Glückwunsch-SMS an Hens. "Ich wollte ihm nur noch einmal sagen, dass ich begeistert von seinem Verhalten war."

Die sportlichen Gründe seiner Nichtberücksichtigung kann Hens nach seinem sportlich schwachen Auftritt am Sonntag gegen Tschechien (24:27) akzeptieren. Lars Kaufmann, der Flensburger Halblinke, sei eine gute Alternative, weil er andere Aufgaben in der Deckung wahrnehmen könne. "Wenn wir als Team Erfolg haben wollen, müssen wir zunächst in der Abwehr gut stehen. Schaffen wir das, gehst du gleich mit viel mehr Selbstvertrauen in den Angriff über", sagt Hens.

"Wir haben gegen Mazedonien zwei nicht alltägliche Entscheidungen getroffen", sagt Co-Trainer Frank Carstens aus Magdeburg, "Hens auf die Bank und Carsten Lichtlein für Silvio Heinevetter ins Tor. Das war kein Angriff auf unsere interne Hierarchie, da steht Pascal weiter an der Spitze, sondern eine Reaktion auf die Erfordernisse dieser Partie. Es spricht für die Qualität unseres Kaders, dass wir diese Möglichkeiten haben." Gegen Schweden sei dennoch Hens' Dynamik womöglich wieder gefragt. "Wir wissen, was er kann. Er hat es oft genug gezeigt", sagt Carstens. Gegen den WM-Vierten gilt es heute nicht nur, Punkte für die Hauptrunde von Sonnabend an in Belgrad zu sammeln, auch ein Ausscheiden nach der Vorrunde muss verhindert werden. Sollten die Deutschen gegen Schweden verlieren und anschließend Mazedonien Tschechien besiegen, würden sie Freitag nach Hause fliegen.

Gestern war der Sieg gegen Mazedonien noch einmal kurz in Gefahr. Weil beim letzten Wurf Kiril Lazarows der Ball von der Unterkante der Torlatte hinter die Linie geprallt sein soll, legten die Mazedonier Protest ein. Er wurde am Mittag abgelehnt. Erstens sprang der Ball vor der Linie auf, zweitens war es eine Tatsachenentscheidung.