Die deutschen Handballer verlieren ihr Auftaktspiel bei der Europameisterschaft mit 24:27 gegen Tschechien. Nächster Gegner ist Mazedonien.

Nis. Eine halbe Stunde nach der bittersten Niederlage in seiner kurzen Amtszeit als Bundestrainer, seiner fünften im sechsten Spiel, hatte Martin Heuberger seine Fassung zumindest äußerlich zurückgewonnen. "Ich bin mir sicher, dass wir am Dienstag gegen Mazedonien eine andere deutsche Mannschaft erleben werden, eine ganz andere, die mit viel mehr Selbstbewusstsein und Überzeugung auftritt", sagte er mit fester Stimme. Dass Heuberger weiter an sein Team glaubt, sollte selbstverständlich sein, woher er allerdings die Hoffnung auf die schnelle Wende zum Besseren nimmt, ist nach dem ersten Auftritt der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Serbien unklar.

Phasenweise hilflos, über weite Strecken konzeptlos, oft hektisch wie mutlos und zudem meist glücklos hatte sich das Team beim 24:27 (9:14) gegen Tschechien im Sportcenter von Nis präsentiert. Die Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten könnte schon der entscheidende Rückschlag im Kampf um die letzten beiden freien Plätze für die Olympia-Qualifikationsturniere im April gewesen sein. "Das war ein Endspiel", meinte der Altinternationale Daniel Stephan, "und das haben wir verloren. Jetzt wird alles doppelt schwer." Auch die Spieler machten aus ihrem Frust keinen Hehl. "Ich bin sprachlos und maßlos enttäuscht", sagte der Berliner Torhüter Silvio Heinevetter, "es ist ernüchternd, dass wir uns von den Tschechen zum Teil haben vorführen lassen. Jetzt müssen wir gegen Mazedonien zeigen, dass wir Charakter haben. Ansonsten können wir nach der Vorrunde die Koffer packen."

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Dass am Ende die Statistik Heinevetter mit einer Fangquote von 29 Prozent (11 von 38 Würfen) gegenüber seinem Vereinskollegen Petr Stochl (9 von 32; 28 Prozent) als den etwas besseren Torhüter auswies, rettete den Abend für ihn nicht. Stochl wurde als Mann des Spiels ausgezeichnet, weil er gefühlt der zentrale Faktor beim Sieg der Tschechen war. "Besonders in der ersten Halbzeit hat er uns den Nerv geraubt", sagte Kiels Dominik Klein.

Schon der Anfang des Spiels war den Deutschen missraten. Uwe Gensheimer, ein bekannt sicherer Siebenmeterschütze, scheiterte nach 109 Sekunden von der Linie an Stochl. Es sollte nicht der einzige Rückschlag in den ersten Minuten sein. Kapitän Pascal Hens, zuletzt beim HSV Hamburg und in den beiden Vorbereitungsspielen gegen Ungarn in starker Form, klebte das Pech wie Harz an den Händen. Weder seine Anspiele hatten diesmal die gewünschte Effektivität noch seine Würfe. Zweimal zielte er dabei innerhalb von 60 Sekunden zu genau, der Ball prallte vom Pfosten in die Hände seines Gegenspielers, und Jan Filip nutzte die Gelegenheiten zu erfolgreichen Gegenstößen.

Die Tschechen führten nach elf Minuten 8:3, Filip Jicha gelang kurz darauf gar das 9:3. Ausgerechnet Jicha. Heuberger hatte den Welthandballer und derzeit besten Feldtorschützen der Bundesliga von dessen Kieler Mannschaftskameraden Klein zeitweise in Manndeckung nehmen lassen, zunächst mit Erfolg. Als abgerechnet wurde, hatte Jicha sieben Treffer erzielt.

Ein Handballspiel wäre aber wohl kein Handballspiel, wenn sich nicht selbst der klar zurückliegenden Mannschaft irgendwann eine zweite Chance eröffnen würde. Tatsächlich erhielt das deutsche Team diese zum Anfang der zweiten Hälfte. Die Abwehr agierte aggressiver, machte diesen einen kleinen Schritt mehr zu ihren Kontrahenten, und im Angriff brachten zunächst der Berliner Sven-Sören Christophersen und danach der Göppinger Michael Haaß das nötige Tempo ins Spiel. Das zeigte Wirkung. Die Deutschen warfen sich heran, und in der 40. Minute stand Linksaußen Klein das Tor zum 17:17-Ausgleich weit offen.

Aber wieder war es Stochl, der seine Hände hochriss und den Wurf aus sechs Metern parierte. Klein schüttelte fassungslos den Kopf. Die Deutschen hatten dennoch zu dieser Zeit ihre beste Phase. Abwehrrecke Oliver Roggisch verkürzte in der 44. Minute auf 19:20, und als anschließend die Zweiminutenstrafe für einen Wechselfehler die Tschechen auf fünf Feldspieler dezimierte, ergaben sich weitere Möglichkeiten, dem Spiel die Wende zu geben.

Niemand nutzte sie, die Tschechen zogen bis zur 53. Minute auf 25:20 davon. "Unser Überzahlspiel war eine Katastrophe", meinte Hens, "da war leider auch ein Teil Unvermögen dabei." Bundestrainer Heuberger sah es nicht ganz so dramatisch: "Dass wir uns wieder herangekämpft haben, spricht für unsere Moral, den großen Willen der Mannschaft. Das ist es, was mir Hoffnung macht. Den Traum von Olympia werden wir nicht aufgegeben."

Eine Bildergalerie zur EM finden Sie unter www.abendblatt.de/handball-em2012