Die Rekordjagd hat ein Ende: Kofler schnappt seinem Landsmann Schlierenzauer den Sieg weg. Mechler ist als Siebter bester Deutscher.

Innsbruck. Gregor Schlierenzauer wechselte am Bergisel in Innsbruck für einen kurzen Moment den Job. Der Superstar der österreichischen Skispringer hatte sein Arbeitsgerät nach einem ordentlichen Sprung geschultert, baute sich vor der Haupttribüne des Stadions mit breiter Brust auf und brachte die Fans zum Schreien, Johlen und zu einer La Ola. Der 21-Jährige hatte im Probedurchgang leichtes Spiel mit einem euphorischen Publikum, das ihm nach seinen zwei Auftaktsiegen bei der Vierschanzentournee nun zum dritten Erfolg tragen wollte. Von Anspannung nur eine Stunde vor dem Springen auf seiner Heimschanze war bei dem Tiroler nichts zu spüren.

Doch ausgerechnet sein Mannschafts- und Trainingskollege Andreas Kofler avancierte zum Spielverderber und schnappte Schlierenzauer den Sieg mit 5,2 Punkten Vorsprung weg. "Das ist unglaublich", sagte Kofler, der von seinem Wohnort Thaur auf die Schanze blicken kann. "Ich darf daheim ganz oben stehen - das sind Emotionen pur." Schlierenzauer bleibt damit zwar in der Gesamtwertung vorne und der Topfavorit auf den Tourneesieg, Sven Hannawald aber kann jetzt wieder ruhig schlafen: Der 37 Jahre alte frühere Erfolgsspringer bleibt weiter der Einzige, der alle vier Tourneestationen hintereinander gewann. "Jetzt habe ich wieder ein Jahr Ruhe und kann mich entspannt zurücklehnen. Gott sei Dank", sagte er auf Sky Sport News. An der Millionenprämie in Schweizer Franken (820 800 Euro), die in diesem Jahr erstmals für den Grand Slam ausgelobt war, ist Schlierenzauer nun vorbeigeflogen. "Das Geld hat mich aber sowieso nie interessiert, der Grand Slam auch nicht. Wenn ich die Tournee schon mal gewonnen hätte, würde ich mich ärgern", sagte er. "Mir geht es um die Gesamtwertung, und ich bin meinem Ziel ein Stück näher."

Deutsche fliegen in der Quali auf Platz zwei und drei

Platz drei sicherte sich in Innsbruck der Japaner Takeuchi Taku. Für die Deutschen war es wieder nicht der erhoffte Jubeltag: Richard Freitag meldete sich zwar als Zwölfter zurück. Severin Freund verspielte hingegen als 21. alle Chancen auf einen Podestplatz im Gesamtklassement. Dort liegt er jetzt auf Platz sechs, hat jedoch auf Titelverteidiger Thomas Morgenstern aus Österreich, der Dritter ist, bereits 31,3 Punkte Rückstand. "Es ist nicht aufgegangen. Das war ein ziemlicher Schmarren", sagte Freund enttäuscht. "Manchmal muss man solche Tage schlucken." Als Bester des deutschen Teams überraschte Maximilian Mechler auf Rang sieben, Michael Neumayer wurde Achter.

+++ Martin Schmitt - der Abgang eines Überfliegers +++

+++ Sieger Schlierenzauer jagt Hannawalds Rekord +++

Nach dem ersten Durchgang sah es noch so aus, als könnte der Pole Kamil Stoch den Österreichern den Tag gehörig vermiesen. Der 24-Jährige deklassierte Gregor Schlierenzauer als Zweitbesten um 6,1 Punkte. Doch der Wind trieb am Bergisel wieder einmal sein eigenes Spielchen - Stoch lieferte zwar keinen optimalen Sprung im zweiten Durchgang, war aber zudem durch die Bedingungen deutlich im Nachteil. Vielleicht verunsicherte ihn auch der Blick auf den Hexenkessel, gefüllt mit 22 500 vorwiegend österreichischen Fans, die inständig hofften, dass er doch bitte nicht zu weit springen möge.

Am Ende fiel Stoch auf Platz neun zurück. Und als dann Kofler mit Tränen in den Augen erstmals auf seiner Heimschanze einen Sieg bejubelte und sich Gregor Schlierenzauer über den Tiroler Doppelsieg auch freuen konnte, brannten bengalische Feuer, wehten Tausende österreichische Flaggen und war der Lärmpegel zu laut zum Reden. "Es war ein geiles Springen. Ich bin heute sehr zufrieden. Cool, dass es in Tiroler Hand bleibt", brachte Schlierenzauer nach den ersten Minuten, in denen ihm die Enttäuschung noch anzusehen war, heraus. Geärgert hat er sich aber dennoch ein bisschen über die Windregel, die mit Plus- und Minuspunkten einen Ausgleich bei unterschiedlichen Bedingungen schaffen soll. "Die Regel ist noch nicht ausgereift", sagte er. "ich bin etwas angepisst über meine Windpunkte, aber das kann ich nicht ändern."

Im Innsbrucker Freudentaumel gab sich Bundestrainer Werner Schuster kämpferisch: "Der große Wurf ist uns bisher nicht gelungen, aber wir haben jetzt noch eine kleine Chance auf einen Podestplatz", sagte er. Diese Chance eröffnet sich schon am Freitag, wenn sich in Bischofshofen die Sportler zum letzten Mal bei dieser Tournee in die Tiefe stürzen.

Martin Schmitt kann sich das finale Springen auf dem Fernsehbildschirm ansehen, denn aus seinen geplanten Trainingssprüngen wird erst mal nichts. Der bald 34-Jährige, für den es nach schlechten Leistungen nur zu einer Zweischanzentournee gereicht hatte, muss wegen erneuter Schmerzen im linken Knie eine Zwangspause einlegen. Mannschaftsarzt Mark Dorfmüller diagnostizierte eine Ansatzreizung der Quadrizepssehne - eine Überlastungsreaktion. Schmitt will sich auch von diesem neuerlichen Rückschlag nicht umwerfen lassen. "Sobald ich mich wieder fit fühle, werde ich mit dem Training beginnen, denn ich möchte diese Saison noch einige Weltcupspringen machen", sagte der Routinier, der noch nicht ans Aufhören denkt. Seinen Weltcupplatz hat er zwar verloren, doch Werner Schuster signalisierte, dass der frühere Siegspringer bereits am 28. Januar in Sapporo (Japan) eine neue Chance bekommen könnte.