Ein Abend der großen Gefühle und am Ende die tiefe Enttäuschung beim Hamburger SV: das Euro-League-Logbuch des Halbfinal-Rückspiels.

London. 19.30 Uhr: Es ist voll in der U-Bahn auf dem Weg zum Craven Cottage, der Spielstätte des FC Fulham. Doch das liegt einzig an der Londoner "Peak-Time", der Hauptverkehrszeit im beliebtesten Fortbewegungsgmittel der Stadt - und nicht etwa an einer geballten Ladung Fulham-Fans, die sich auf den Weg ins Stadion machen. Auch auf dem anschließenden Fußweg durch den angrenzenden Park ist von euphorisierenden Fangesängen nichts zu hören. Die Atmosphäre rund um das Stadion deutet eher auf ein entspanntes Grillfest hin als auf den bevorstehenden Kampf um den Einzug ins Finale der Europa League.

20:20 Uhr Als Hamburgs Torwart Frank Rost als erster Spieler das Stadion zum Aufwärmen betritt, wird es im HSV-Fan-Block kurzzeitig laut. Von den Anhängern der Heimmannschaft ist eine halbe Stunde vor dem Anpfiff nichts zu hören - nicht weiter verwunderlich, denn es befindet sich noch so gut wie niemand in der Arena. Eine erstaunliche Gelassenheit, da auf Seiten der Gastgeber der größte Erfolg der Vereinsgeschichte kurz bevor steht.

20.45 Uhr: Zwanzig Minuten vor Spielbeginn folgt der große Auftritt des Klubbesitzers Mohamed Al-Fayed: Schalschwenkend läuft er auf den Rasen an den HSV-Fans vorbei und antwortet auf die Gesänge mit dem "Victory-Zeichen" - welches in England eine deutlich weniger positive Bedeutung hat als in Deutschland. Man stelle sich vor, HSV-Boss Bernd Hoffmann ginge vor einem Heimspiel über den Rasen, gäbe jedem Spieler einzeln die Hand, schwenkte seinen HSV-Schal durchs Rund und richtete einen "Stinkefinger-Gruß" an die gegnerischen Fans - undenkbar.

21.05 Uhr: Mit dem Anpfiff ist das Stadiondann doch knackevoll, Europa-Cup-Atmosphäre in jedem Winkel. "Come on Fulham", lautet der Schlachtruf der knapp 25.000 Fans der Hausherren, die aber anders als in Deutschland ihre lautesten Fans nicht in speziellen Bocks versammeln oder auf einer Seite des Stadions, sondern im gesamten Rund verteilt sind.

21.27 Uhr: Aufbrandender Jubel im HSV-Block, kurze Schockstarre im Rest des Fußballtempels. Petric hat das 0:1 erzielt. Doch im Kollektiv steht das Stadion nur 15 Sekunden später geschlossen auf und treibt das Heimteam erneut nach vorne.

21.52 Uhr: Halbzeit im Craven Cottage. Die Ohren sind leicht taub, etwa wie nach einem Rockkonzert. "Über London fahren wir nach Haus" und "Football is coming home" skandieren die HSV-Fans.

22:31 Uhr: Das Stadion steht Kopf, Fulham hat den Ausgleich erzielt. Die Fans stehen noch Minuten später auf ihren Sitzen und peitschen ihr Team nach vorne.

22.37 Uhr: Der Jubel kennt eine Grenzen mehr. Fulham erzielt das 2:1 und steht mit diesem Ergebnis im Finale. Wieder ertönt der englische Song-Klassiker "Football's coming home", dieses Mal allerdings von den heimischen Anhängern gesungen. Jeder Fehlpass des HSV wird fortan frenetisch von Applaus unterlegt.

22.55 Uhr: Schlusspfiff! Fulham steht im Finale. Bei den HSV-Fans herrscht Fassungslosigkeit. Der große Traum ist vorbei. Zé Roberto und Guerrero bleiben minutenlang wie angewurzelt stehen. Auch zehn Minuten nach dem Abpfiff gibt es keine Regung im HSV-Fanblock. Al-Fayed marschiert wieder schalschwenkend an den Fans vorbei. Dieses mal verzichtet er auf einen Gruß.