37 Läufer und zwei Läuferinnen starten am Sonntag zum 25. Mal beim Hamburger Marathon. Sie haben alle Rennen seit 1986 mitgemacht.

Die Begrüßung fiel herzlich aus. "Eigentlich habe ich nur noch ein Ziel: Ich will der Letzte von euch sein, der alle Hamburger Marathons mitgelaufen ist. Nur deshalb mache ich überhaupt noch mit." Gerhard Falkner sagt das, und sein breites Grinsen verrät, dass er bei allem Ehrgeiz Realist geblieben ist. "Ich bin 73 Jahre alt", sagt der pensionierte Kriminalbeamte, "ich weiß, ich weiß, ich bin der Älteste von euch. Die Zeit arbeitet gegen mich." So viel Einsicht stimmt dann doch milde. Die anderen nicken zufrieden. "Gerd", ruft einer, "halt durch!" Gerhard Falkner atmet tief durch. Er antwortet mit einem Lächeln.

37 Läufer und zwei Läuferinnen starten am Sonntag zum 25. Mal beim Hamburger Marathon. Sie haben alle Rennen seit 1986 mitgemacht. 17 von ihnen kommen aus Hamburg und Umgebung, zehn sind der Einladung des Abendblatts zum "Veteranen-Treffen" an der Außenalster gefolgt. Man kennt sich, meistens nur mit Vornamen, vom Sehen, von vielen gemeinsamen Läufen, von Reisen rund um die Welt, vom Training an Alster und Elbe. Man läuft sich des Öfteren über den Weg.

Klaus-Dieter Stein ist mit 54 Jahren der Jüngste der Gruppe. "Der letzte 'Überlebende' zu bleiben, das ist irgendwie auch mein Ziel", bekennt der Beamte. Er könnte es schaffen, glauben selbst die nicht minder ambitionierten Läuferkollegen. 1993 wurde er mit der Staffel der TSG Bergedorf in Hamburg deutscher Mannschaftsmeister. Es war der Höhepunkt seiner Marathonkarriere. 2:38 Stunden ist seine Bestzeit, eine sehr respektable dazu, heute kommt er eine Stunde später ins Ziel. Der Spaß hat nicht gelitten. Daran, stimmen ihm die anderen zu, hat das Hamburger Publikum seinen größten Anteil. "Nirgendwo gibt es mehr Zuschauer an der Strecke als hier, nirgendwo sind Stimmung und Anfeuerungsrufe besser", sagt Reinhardt Singelmann (63).

1986, das Jahr des ersten Hamburger Marathons, war für fast alle die Premiere über jene legendären 42,195 Kilometer, die ein Menschenleben verändern können. "Ich habe durch das regelmäßige Marathonlaufen gelernt, mit Energie und Willen ein Ziel anzustreben und zu erreichen, das manchmal sehr fern liegt", sagt Singelmann. Dreimal wollte er in Hamburg schon aufgeben, einmal plagte ihn eine Zerrung, ein anderes Mal ein Hexenschuss, dann Achillessehnenbeschwerden. Singelmann kam immer am Fernsehturm an. "Das unterscheidet mich eben von einem wie Dieter Baummann", sagt er - nicht ohne Stolz in der Stimme. Der 5000-Meter-Olympiasieger gab 2002 bei Kilometer 36 auf. "Das tun nur Profis", meint Singelmann, "ein Amateur hält durch. Ein Hobbyläufer kennt keinen Schmerz." Er sagt es mit Augenzwinkern.

Wolfgang Kieselbach (57) hat bereits 169-mal durchgehalten. Der Marathon hilft dem Bankkaufmann, den Stress zu bewältigen. Seitdem er sich vor 25 Jahren das erste Mal die Laufschuhe angezogen hat, hat er auch gelernt, die Natur zu genießen, weiß er die frische Luft zu schätzen.

Die Entscheidung, Marathon zu laufen, trafen alle aus unterschiedlichen Beweggründen. Herbert Tramm (67) plagte vor 25 Jahren ein Bandscheibenvorfall, abnehmen empfahl der Arzt. Auch Regina Leu (56) war "früher eher unsportlich", bis sie den Reiz des Marathons entdeckte. Weit mehr als hundert ist sie bisher gerannt, in Hamburg startet die Hausfrau am liebsten. "Hier kenne ich jede Ecke, jeden Meter. Da läuft man beinahe automatisch." Auch Klaus von Rönnen (70) hatte "mit Sport nichts am Hut". Das änderte sich 1985. In Bremen lief er seinen ersten Marathon, rund 60 folgten. "Ein Freund hat mich überredet", erzählt der Diplom-Ingenieur. Ihm ist er noch heute dankbar. Er fühle sich fitter, gesünder und ausgeglichen. Das geht allen ähnlich.

Es sind erstaunliche Karrieren, von denen die Dauerläufer zu berichten wissen. Am Anfang stand die sportliche Herausforderung, ein ärztlicher Rat, eine ehrgeizige Ehefrau, die Betriebssportgemeinschaft oder der Zufall, wie bei Ullrich Kulpok (60), der einst im Abendblatt las, dass in Hamburg ein Marathon geplant sei. Loslassen konnten sie alle nicht. "Marathon macht nicht süchtig, aber hochzufrieden", sagt Hans-Joachim Sothmann (72), ein ehemaliger Lokomotivführer. "So lange ich kann, will ich laufen."

Einigen von ihnen sind die 42,195 Kilometer längst nicht mehr genug. Udo Freund (71) zeigt sein T-Shirt vom Ironman auf Hawaii, wo er vor dem Marathon 3,8 km Schwimmen und 180 km Radfahren zu bewältigen hatte. "Vor 25 Jahren hätte ich nie gedacht, dass Sport in meinem Leben einmal diesen Stellwert einnehmen würde", sagt er. Das Erstaunen teilt Udo Freund mit vielen, die am Sonntag zum 25. Mal den Hamburger Marathon laufen.