Kultur-Staatsrat Nikolas Hill läutet die Startglocke auf der Reeperbahn. Dabei ist der Marathon längst ein Wirtschaftsfaktor für Hamburg.

Am Sonntagmorgen um neun Uhr wird die größte Party der Stadt eingeläutet. Mit einem kräftigen Glockenschlag wird Nikolas Hill den 25. Hamburger Marathon in Bewegung setzen. Weil im Startbereich zwischen Millerntorplatz und Reeperbahn das Tragen von Waffen grundsätzlich verboten und unter Strafe gestellt ist, muss der Staatsrat der Behörde für Kultur, Sport und Medien auf den einst obligatorischen Startschuss verzichten.

20 185 Läuferinnen und Läufer haben sich für das Jubiläumsrennen angemeldet. Hinzu kommt eine Handvoll Marathonis, die sich mit Rollstuhl, Handbike oder im Walking-Schritt auf die Strecke machen. Nur rund 17 000 von ihnen werden sich erfahrungsgemäß auf die 42,195 Kilometer lange Strecke an Elbe und Alster begeben, die viele für einen der schönsten Marathonkurse der Welt halten. Dass die angebliche Sportstadt mit Staatsrat Hill nur die Viertbesetzung zu Hamburgs größtem Sportereignis schickt, werten Spötter als die Antwort des Senats auf das Fehlen prominenter Spitzenläufer (siehe Artikel unten).

Die Erklärung der Politik klingt prosaischer: Bürgermeister Ole von Beust (CDU), er macht Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen, sei ebenso verhindert wie Sportsenatorin Karin von Welck (parteilos) und Sportstaatsrat Manfred Jäger (CDU). Hill (CDU), der später auch die Siegerehrung vornimmt, kümmert sich in Hamburg gewöhnlich um Kultur und Medien. Seine Anwesenheit hat dennoch Symbolcharakter. Die Marathonveranstalter werten sie zu Recht als Brüskierung. "Ich kann nur an die Politik appellieren, sich noch stärker um den Sport zu kümmern", sagt Matthias Neumann von der veranstaltenden Agentur Act, "immerhin haben wir es hier mit der größten Veranstaltung der Stadt zu tun."

Die Etikette spielt allerdings für rund 800 000 Hamburger keine Rolle. Sie nutzen den Lauf zum Anfeuern und Feiern. Die am Sonntag erwarteten Temperaturen um 20 Grad Celsius werden die Stimmung zusätzlich anheizen, zur Abschlussparty auf dem Heiligengeistfeld werden 50 000 Menschen erwartet.

Kein Ereignis mobilisiert in Hamburg derart viele Menschen. Balkons und Kleingärten am Rande der Strecke sind traditionell ausgebucht, die Grills werden erstmals in der Saison aus der Garage oder dem Keller geholt. Der Lauf führt zusammen, was zusammengehört: Nachbarn und Sportsfreunde, Nachtschwärmer und Frühaufsteher. Der St.-Pauli-Fischmarkt verlängert wie immer seine Öffnungszeiten. "Wir stellen in jedem Fall einen Superlativ", ist Neumann überzeugt, "man wird überall im Stadtbild die Veranstaltung wahrnehmen."

Der Marathon ist längst zu einem Wirtschaftsfaktor für die Stadt geworden. Die Hotels sind am Marathonwochenende regelmäßig gut ausgelastet, die Gastronomen freuen sich über wachsende Umsätze. Für immer mehr Läufer, deren Freunde und Angehörigen ist Hamburg eine Reise wert. Die Zahl der auswärtigen Teilnehmer ist in diesem Jahr erneut gestiegen, nur rund 40 Prozent der Starter kommen noch aus Hamburg und Umgebung. "Der Marathon bietet einen Reiseimpuls. Er gilt als willkommener Anlass für einen Kurztrip nach Hamburg", hat die Hamburg Tourismus GmbH erkannt.

Dennoch muss das Rennen auf Zuschüsse der Stadt verzichten. Das hat zur Folge, dass Geld für das Engagement von Spitzenathleten fehlt. Zum Vergleich: Das arabische Emirat Dubai lockte Äthiopiens Wunderläufer Haile Gebrselassie Anfang des Jahres mit einer Weltrekordprämie von einer Million Dollar ins Land - Antritts- und Siegerpreisgeld von je 250 000 Dollar nicht eingerechnet. "Man muss schon sehr viel Geld in die Hand nehmen, um konkurrenzfähig zu sein", weiß Matthias Kohls vom Sportartikelausrüster Asics.

Der potenzielle Effekt von Sportveranstaltungen, überregionale Aufmerksamkeit zu generieren, fällt damit für Hamburg weitgehend aus. Auch das hat in Hamburg fast schon Tradition.

Bedeutung über die Stadtgrenzen hinaus hatte der Marathon in 25 Jahren nur zweimal: 1997, als der damalige HSV-Trainer Felix Magath 1997 unter Aufbietung seiner letzten Kräfte nur dank beinahe übermenschlicher Willensstärke über die Ziellinie torkelte, und 1998, als der Grünen-Politiker Joschka Fischer genügend Ausdauer zeigte. Für die beiden prominenten Läufer hatte die Teilnahme am Hamburg-Marathon unterschiedliche "Konsequenzen". Magath wurde drei Wochen später vorzeitig entlassen, Fischer ein halbes Jahr später deutscher Außenminister.