Um 21.05 Uhr (im Liveticker bei abendblatt.de) wird in Anderlecht das Rückspiel angepfiffen. Eine knappe Niederlage könnte dem HSV schon reichen.

Brüssel/Hamburg. In wenigen Stunden geht es um den letzten möglichen Titel der Saison. Die Hamburger sind gut in Brüssel angekommen, trainierten am Vorabend noch einmal und bereiten sich heute auf das entscheidende Spiel vor. Gemeinsames Frühstück, leichtes Anschwitzen, Mittagessen und eine Ruheeinehit stehen auf dem Tagesprogramm, um am abend bei 100 Prozent zu sein. Um 19.00 Uhr fährt der Mannschaftsbus dann mit Polizeieskorte zum Stadion.

+++ PROFESSOR STRAUBHAAR ZU TROCHOWSKI +++

Die Platzverhältnisse dort sind eines Europapokal-Abends jedoch nicht würdig. Der Rasen hat mehr braune als grüne Stellen, was für den HSV als Gast-Mannschaft nicht unbedingt von Nachteil sein muss. Denn Verteidigen lässt sich auf einem Rumpel-Acker leichter als Angreifen, zudem sind die Rothosen schwierige Platzverhälstnisse gewohnt, da sich der Untergrund in der heimischen Arena auch nicht immer in wünschenswertem Zustand befindet.

Ob Piotr Trochowski seinen derzeitigen Leistungs-Zustand am Abend demonstieren darf, ist eher unwahrscheinlich. HSV-Trainer Bruno Labbadia setzt vermutlich erneut auf den zuletzt wenig überzeugenden Eljero Elia im rechten Mittelfeld. Trochowski klammert sich in diesen Tagen deshalb an die Hoffnung Fußball-WM in Südafrika, denn vor der Haustür droht ihm der Boden unter den Füßen wegzukippen. Weil dem Nationalspieler beim HSV der Stammplatz abhandengekommen ist, präsentiert sich Trochowski verunsichert. Beim Abschlusstraining im Constant Vanden Stock Stadion wirkte der Mittelfeldspieler, als habe ihn das Selbstvertrauen verlassen. So manche Aktion ging daneben.

Wie in den vergangenen Spieljahren gerät Trochowski insbesondere zum Ende einer Saison, wenn es um die Wurst geht, in Schieflage. In den letzten zehn Meisterschaftsspielen saß der 25-Jährige fünfmal auf der Ersatzbank und durfte erst in den letzten Minuten ran. „Es ist nicht optimal, dass ich nicht immer spiele“, sagt er betont vorsichtig, um mit seiner Kritik niemandem auf den Schlips zu treten. Fragen nach seiner Befindlichkeit weicht er deshalb zumeist auch aus. Vom Anspruch, ein Führungsspieler zu sein, ist der Nationalspieler weit entfernt. Das Dilemma: Ist das Team erfolgreich, spielt Trochowski blendend; steckt die Mannschaft im Tief, taucht auch er ab. Erwartet wird von ihm jedoch, dass er gerade dann die Ärmel aufkrempelt. Doch „den Schreihals“, wie er sagt, will er nicht spielen.

Labbadia ermahnte den Nationalspieler mehrfach, er solle „einfach sein Potenzial abrufen und seine Stärken einbringen“. Den Coach wurmt insbesondere Trochowskis Schwäche im Rückwärtsgang. „Er muss mehr für die Defensive tun“, fordert Labbadia. Nichts Neues. Bereits Thomas Doll, Huub Stevens und Martin Jol hatten den schussgewaltigen und technisch versierten Profi vom Stamm- zum Ersatzspieler degradiert. Seit Monaten beklagt Trochowski mangelnde Wertschätzung seiner Qualitäten. Mitunter glaubt der 1,69 Meter große Spieler, alles Übel bei Misserfolgen des HSV werde an ihm festgemacht. Aber er übt auch Selbstkritik. Was er in Auswertung der Hinrunde bekannte, gilt noch immer: „Ich bin auf der Suche nach meiner Rolle, habe sie noch nicht gefunden.“

Die Suche dauert an, aber die Geduld der Verantwortlichen ist endlich und die Konkurrenten sammeln Punkte. Beim HSV tummelt sich Marcell Jansen erfolgreich auf der angestammten Trochowski- Seite, in der rechten Hälfte erhält zumeist Eljero Elia den Vorzug. Im Sommer 2011 läuft sein Vertrag bei den Hamburgern aus. Ein Wechsel, von dem auch der HSV profitiert, bietet sich folglich nur nach dieser Saison an. Auch in der Nationalmannschaft kann sich der im polnischen Tczew geborene und in Hamburg aufgewachsene Profi seines Platzes nicht mehr sicher sein. Beim letzten Auftritt des DFB-Teams gegen Argentinien saß Trochowski nur auf der Bank. Bundestrainer Joachim Löw schwärmt dennoch von ihm: „Er ist einer der technisch stärksten Spieler, behandelt den Ball mit einer herausragenden Leichtigkeit und versteht es, in den wichtigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und das Richtige zu tun.“ Doch die Konkurrenz ist schon da: Thomas Müller und Toni Kroos, beide 20 und hungrig, drängeln.