Das Geheimnis der Überlegenheit der Olympiasiegerin Tatjana Hüfner ist der technische Vorsprung. Vorbereitung auf Sotschi 2014 hat begonnen.

Whistler. Nicht nur aufgrund ihrer Erfolge auf den Rodelbahnen dieser Welt kann Tatjana Hüfner (26) einschüchternd wirken. Die Rodlerin fördert mitunter einen Humor wie Trockeneis zu Tage. Vor ihrem olympischen Wettkampf habe sie sich von ihren Eltern ferngehalten, erzählt sie, denn: "Die wissen, dass sie mich in Ruhe lassen müssen. Das ist seit eh und je so, sie können im Prinzip nur was Falsches sagen vor dem Start." "Dann", brummelte Hüfner, "sollen sie lieber gar nichts sagen. Wenn ich was von ihnen will, dann melde ich mich. Jetzt können wir ja genug quatschen." Jetzt ist Tatjana Hüfner aus Blankenburg ja Olympiasiegerin. Endlich.

"Ich habe jede Sekunde genossen", sagte Hüfner nach der Medaillenzeremonie, "aber ich stehe mit beiden Füßen auf der Erde. Ich will kein Star sein, sondern der Mensch bleiben, der ich bin. Ich agiere lieber im Hintergrund."

Im Whistler Sliding Centre führten die deutschen Einsitzerinnen um die Gesamtweltcupsiegerin der Konkurrenz einmal mehr vor Augen, wer die Erfolgsspur vorgibt. Allein, ein kosmetischer Fehler schlich sich ein am Dienstag: Vor Natalie Geisenberger landete die Österreicherin Nina Reithmayer als Zweite auf dem Podium, Anke Wischnewski ging als Fünfte leer aus.

"Es ist schon sehr hart, zwischen die Deutschen zu fahren. Sie sind athletisch gewaltig gut beieinand'", kicherte Reithmayer anschließend und bekannte, der Wettkampf habe ihr gezeigt, "dass es was bringt, auch am Wochenende was gemacht zu haben. Man sieht, dass sich die Arbeit lohnt". Welch schönes Motto nach diesem durchaus spannenden Frauenwettbewerb über zwei Tage, in dem sich Hüfner ("Ein Traum ist wirklich geworden") auch nicht von der viel diskutierten Verlegung des Startbereichs irritieren ließ. 98 Weltcups in Folge haben die deutschen Rodlerinnen seit 1997 gewonnen - und, ja doch, Arbeit lohnt sich für die Konkurrenz offenbar schon. Auch wenn sie sich noch immer selten auszahlt.

Manche sagen, es sei nur noch diese unbedingte Hingabe, diese totale Akribie, die die Deutschen vom Rest der Welt unterscheidet. Andere meinen, sie machen einfach mehr Geld locker als der Rest der Welt, zum Beispiel für ihre hochtechnisierte Materialschmiede in Berlin-Oberschöneweide, das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES), oder ihren sportiven Think Tank, das Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig.

14 Millionen Euro hat sich das Bundesinnenministerium die Tüftelei für die Spiele kosten lassen, um Rodler, Skeletonis, Bob- und Skifahrer schnell sowie Eisschnellläufern mit technischen Nonplusultras Beine zu machen. 2006 in Turin waren IAT und FES an 28 von 29 Medaillen beteiligt. "Materialtechnisch haben wir das geholt, was wir erwartet haben", sagte FES-Direktor Harald Schaale nun vor dem gestrigen Doppelsitzerwettbewerb (bei Redaktionsschluss nicht beendet) in Whistler: zweimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze durch die Einsitzer. Schon jetzt beginnt am FES die Planung für die Winterspiele in Sotschi 2014. Schaale: "Die Ergebnisse hier werden gleich nach den Spielen analysiert."

Natalie Geisenberger fallen noch weitere Gründe ein für die Dominanz der Deutschen in den Eiskanälen. "Wir haben vier Bahnen in Deutschland, das hat sonst kein anderes Land. Bei uns rodeln mehr Kinder, dadurch hat die Spitze eine breitere Basis. Und in Deutschland besitzen wir außerdem ein sehr gutes Förderungssystem durch Zoll und Bundespolizei. Wir", sagt die 22 Jahre alte Polizeimeister-Anwärterin, "können uns komplett auf den Sport konzentrieren, müssen nicht denken: Uh, gleich muss ich auf der Arbeit sein, oder so."

Rodel-Bundestrainer Norbert Loch schwärmt von vier "sehr gut arbeitenden" Stützpunkten im Lande, und seine Semantik spricht für sich: "Es kommt immer wieder sehr gutes 'Material' nach. Das ist ein Pfund, das ist ein entscheidender Vorteil."