WM-Schiedsrichter sollen mit Prostituierten bestochen worden sein. TV-Magazin “Liga 1“ wird eingestellt.

Hamburg. Beim Treffen des Exekutivkomitees der Europäischen Handball-Föderation (EHF) am vergangenen Wochenende war Reiner Witte ein willkommener Gast. Verbandsboss Tor Lian hatte den Präsidenten der Männer-Bundesliga (HBL) nach Wien eingeladen, um gemeinsam wichtige Zukunftsthemen zu beraten. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen: So wurde für die kommende Saison eine Reduzierung der Champions League von 32 auf 24 Teilnehmer beschlossen, was die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und die Belastung für die Spitzenvereine um mindestens zwei Spiele vermindert.

Das wird man beim HSV Hamburg gern hören, aber eigentlich hat man ganz andere Sorgen: Die Manipulationsaffäre, die anfangs nur den Champions-League-Sieg des THW Kiel 2007 zu betreffen schien, zieht immer größere Kreise. Am Wochenende wurden wieder neue Vorwürfe laut.

"Der Spiegel" legt heute eine Aussage des Schweizer Schiedsrichters Michele Falcone offen, wonach dieser vor dem Europacup-Halbfinale 2004 zwischen Valladolid und Velenje einen Anruf des slowenischen Funktionärs Leon Kalin bekommen habe mit dem Hinweis, dass seine Landsleute das Spiel gewinnen müssten. Falcone will den deutschen Delegierten Gerd Butzeck über den Vorfall unterrichtet haben und der seinerseits EHF-Generalsekretär Michael Wiederer. Konsequenzen: keine.

Zu dem Thema nimmt sich die gestrige EHF-Erklärung denn auch weniger konkret aus. Man will die bisher bekannten Verdachtsfälle "untersuchen" und kündigt "Veränderungen auf technischem und organisatorischem Gebiet" an. Immerhin: Die Besoldung der Schiedsrichter soll zur kommenden Saison von 400 auf 1000 Euro pro Einsatz angehoben werden und ihre Ausbildung verbessert werden.

So viel Zeit hat man in Hamburg offenbar nicht. HSV-Präsident Andreas Rudolph und der Aufsichtsratsvorsitzende Rüdiger Heß wollen heute eine Presseerklärung abgeben, in der konkrete Maßnahmen angeregt werden - und die dürften Witte wenig gefallen. Der HBL-Chef soll sein Amt fürs Erste ruhen lassen, so soll eine Forderung lauten.

Witte hatte sich in der "Hamburger Morgenpost" für befangen erklärt, weil Kiels Manager Uwe Schwenker ein Freund von ihm sei. Tatsächlich hatte Witte die Affäre lange kleinzureden versucht. Auch Schwenker wollen die HSV-Oberen nahelegen, sich vorläufig zurückzuziehen. Ihn soll Rudolph mit seiner Einlassung bei der Kieler Staatsanwaltschaft erheblich belastet haben, möglicherweise werden zentrale Aussagen sogar vom HSV öffentlich gemacht.

Ein Grund der HSV-Offensive: Die Sponsoren reagieren zunehmend nervös, ihnen will man nun Glaubwürdigkeit demonstrieren. Doch der Anfangsverdacht gegen Rekordmeister Kiel hat sich längst zu einer europaweiten Affäre ausgewachsen. Laut Deutscher Presse-Agentur hat die Fragebogen-Aktion der EHF zwei weitere Fälle aus dem Jahr 2008 ergeben. Demnach stehen das Frauenfinale zwischen Swenigorod (Russland) und Niederösterreich und das Männer-Gruppenspiel zwischen Skopje und Barcelona unter Verdacht.

Auch vor dem Männer-WM-Finale 2009 zwischen Gastgeber Kroatien und Frankreich ist es offenbar zu versuchter Einflussnahme gekommen. Der dänische Schiedsrichter Lars Ejby Pedersen berichtete dem Fernsehsender TV2 von einer Einladung in ein Restaurant, wo ihm und Kollege Per Olesen indirekt Prostituierte angeboten worden seien.

Auf Kroatien haben sich auch die Ermittlungen der Kieler Staatsanwaltschaft ausgeweitet. Im Untreue-Verfahren gegen Schwenker und Ex-Trainer Zvonimir Serdarusic wird laut "Focus" nun auch gegen den mutmaßlichen Mittelsmann Nenad Volarevic und einen THW-Buchhalter ermittelt. Bei der Überprüfung der Bücher seien die Fahnder auf dubiose Überweisungen und Bargeldabhebungen von mehr als 100 000 Euro gestoßen.

Schlechte Nachrichten erwarten die Handball-Bundesliga auch von ihren TV-Partnern NDR und WDR: Die Sendung "Liga 1 - Handball" wird es kommende Saison nicht mehr geben. Dem Vernehmen nach blieb die Einschaltquote deutlich hinter den Erwartungen der Sender zurück. Nun denkt man über ein anderes Sendeformat nach.