In den schnellen Disziplinen gab es keine Medaille - erstmals seit 20 Jahren.

Val d'Isere. Not macht flexibel, und im Österreichischen Skiverband (ÖSV) ist sie ja nicht zu übersehen. Zum ersten Mal nach 20 Jahren keine WM-Medaille für die Männer in Abfahrt und Super-G - da feierten sie Sonnabendabend in ihrem Party-Quartier "Tirolberg" in Val d'Isere kurzerhand einen ihrer Verlierer.

Michael Walchhofer (33) schaute zunächst ein wenig belämmert drein, als Günther Platter Hand anlegte und plötzlich eine handtellergroße gläserne Medaille "für besondere Leistungen rund um die Ski-WM" um seinen Hals baumelte. Tirols Landeshauptmann strahlte, die Gäste johlten, und dann lächelte auch der Skirennläufer stolz.

Zwölfter war Walchhofer als Mitfavorit einige Stunden zuvor in einem vermaledeiten Abfahrtsrennen geworden, düpiert wie seine Landsleute Hermann Maier (6.) und Klaus Kröll (9.) von einem bis dato nicht eben hochdekorierten Kanadier namens John Kucera (24). Der "Kurier" attestierte flugs eine "historische Pleite für die Speed-Herren", Witze über Österreichs "Val M'Isere" machen die Runde. Aber wenigstens hatte "Walchi" für formidable Unterhaltung gesorgt: Er schlitterte den Berg gleich zweimal herunter.

Als am Mittag noch dichter Nebel im Mittelteil der kraftraubenden Strecke waberte, hatte sich der Österreicher kühn zu Tal gestürzt &8722; leider in Unkenntnis eines Funkspruchs, der ihn davon abhalten sollte. "Wie ich herunten war, hat man mir dann gesagt, ich kann noch einmal fahren, weil es ein Juryfehler war", erzählte Walchhofer später. "Da habe ich mir gedacht: Ja, wenn du noch einmal eine Chance hast ..."

Ein Helikopter chauffierte den bulligen 1,92-Meter-Mann wieder hinauf an den Start, auf dass er die Rivalen erstaunte ("Konditionsschwein", "Hut ab", "Er hätte eine Diamantmedaille verdient") und auf Rang neun fuhr. Es passt ins Bild der rot-weiß-roten Posse, dass die Jury dieses Ergebnis gut zwei Stunden später wieder annullierte und im ÖSV Kollektivgrämen einsetzte.

"Die Enttäuschung ist sehr groß. Aber wir wissen, dass wir besser sind, als es im Medaillenspiegel ausschaut", behauptete tapfer Alpinchef Hans Pum, der bei dieser WM allein an einer goldenen und zwei bronzenen Medaillen seiner Frauen Freude hat.

Die Tragweite der alpenländischen Männer-Misere erklärte Pums deutsches Pendant Wolfgang Maier sehr treffend. Er sagte: "Die Abfahrt hat für die Österreicher so eine große Bedeutung. Das ist, als wenn Deutschland bei der Fußball-WM in der Vorrunde ausscheidet." Kurios, dass Maiers einziger Starter Stephan Keppler weitaus besser als Platz 15 (und als Walchhofer) gewesen wäre, hätte er sich nicht einen ärgerlichen Patzer geleistet.

Nun wäre das Wehklagen jenseits der Alpen noch bemitleidenswerter, hätte die ÖSV-Fraktion mit ihrer Beschwerde gegen die Wertung von Walchhofers erstem Lauf nicht den Verdacht provoziert, schlechter Verlierer zu sein. Selbst Skiidol Hermann Maier sagte über den Einspruch: "Typisch Österreich. Eine andere Nation würde das nicht machen."

Eine andere Nation würde aber eben wohl auch nicht mit flinker Flexibilität auf solch eine Schlappe ihrer Speedsportler reagieren. Im "Tirolberg" belobigten sie neben Walchhofer öffentlich den Cheftrainer der siegreichen Kanadier: Max Gartner ist Österreicher. Eine Medaille haben sie ihm allerdings nicht umgehängt.