Beim Formel-1-Grand-Prix der Türkei kollidieren die führenden Red-Bull-Piloten Vettel und Webber. McLaren profitiert mit einem Doppelsieg.

Istanbul. Der erste Gegner, den ein Formel-1-Rennfahrer besiegen muss, ist sein Teamkollege. Aber was Sebastian Vettel und Mark Webber beim Großen Preis der Türkei fabrizierten, ist für einen ambitionierten Rennstall ein Super-GAU: der größte anzunehmende Unfall. In der 41. von 58 Runden kreiselte das Red-Bull-Duo Vettel und Webber nach einer Kollision von der Strecke - aus einer Doppelführung, den Plätzen eins und zwei, wurden ein dritter Platz (Webber) und ein Ausfall (Vettel).

Wie fast immer in solchen Situationen gibt es unterschiedliche Ansichten. "Mark hat Schuld", tobte Vettel unmittelbar nach dem Rennen, zeigte dem Australier sogar den Vogel. Der Rivale der Rennbahn erwiderte: "Sebastian zog aus meiner Sicht zu früh nach rechts." Der Stierkampf im Bullen-Stall hat im Kampf um die Weltmeisterschaft eine neue Qualität erreicht.

Gefährliche Manöver gehören zur Formel-1-Geschichte. Die internen Duelle Prost gegen Senna, Mansell gegen Piquet oder Alonso gegen Hamilton sind legendär. Doch kein Team verschenkt gern Siege und WM-Punkte. Statt 43 Zählern für den möglichen Doppelsieg blieben Red Bull nur Webbers 15 Punkte. Entsprechend die Reaktionen im austro-britischen Rennstall. Teamchef Christian Horner raufte sich die Haare und schüttelte immer wieder den Kopf. "Es ist inakzeptabel, so einen Sieg zu verschenken", sagte er. Red-Bull-Sportchef Helmut Marko stellte sich komplett auf Vettels Seite: "Mark hätte nachgeben sollen." Vettel, der bei Webber längsseits gegangen war und im Moment der Kollision leicht vorn lag, sagte: "Ich war auf der Innenseite und habe das Vorrecht auf die Kurve."

Es gab aber auch andere Stimmen. Der dreimalige Weltmeister Niki Lauda analysierte am RTL-Mikrofon: "Sebastian war zu aggressiv unterwegs. Das Risiko ist von ihm ausgegangen." Dass Webber seine Linie beibehielt, mag im normalen Rennduell Standard sein, aber kaum unter Teamkollegen. Webber sah sich im Recht: "Ich habe nichts Verrücktes gemacht. Wir reden miteinander. Wir sind erwachsene Männer, das Leben geht weiter." Natürlich muss sich Vettel fragen lassen, ob er nicht mit seinem Manöver hätte warten können - wenn er denn wirklich schneller war.

Nach dem Red-Bull-Unfall erbten die beiden McLaren-Mercedes von Lewis Hamilton und Jenson Button die Spitzenpositionen. Auch unter den britischen Weltmeistern der vergangenen beiden Jahre gab es ein beinhartes Teamduell. Button bedrängte seinen Landsmann, zog einmal sogar kurz vorbei, doch Hamilton schlug zurück, ging wieder vorbei und siegte. In diesem Fall spielten beide Fahrer mit - der durchaus mögliche Unfall wurde vermieden.

Michael Schumacher fuhr im Mercedes als Vierter durchs Ziel, unmittelbar vor seinem Teamgefährten Nico Rosberg. "Man darf dieses Rennen durchaus als Fortschritt sehen", sagte Schumacher. Nach der Kollision der beiden Red-Bull-Piloten habe er sogar kurzzeitig die Hoffnung aufs Podium gehabt: "Aber wir haben ja noch ein paar Rennen in dieser Saison." Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug sagte: "Unser Speed war erst gegen Rennende okay. Wir haben weiteren Steigerungsbedarf, Platz vier und fünf waren hier das bestmögliche Ergebnis für uns." Schumacher hatte nur in der Anfangsphase des Rennens an der Spitze mithalten können, als er Button von Platz vier verdrängte. Schon in der Qualifikation hatte der siebenmalige Weltmeister überzeugt - der fünfte Startplatz war das beste Ergebnis seit seinem Comeback.

Zum Unfall der Red-Bull-Piloten sagte Schumacher lächelnd: "Racing ist bei uns auch gestattet. Wir haben aber natürlich ein Kollisionsverbot."