Mercedes Pilot lobt vor dem Großen Preis der Türkei in Istanbul nicht nur die Autos, sondern auch die Fahrer des Konkurrenz-Stalls.

Istanbul. Ein kurzer Händedruck und ein flüchtiger Blick - das war zunächst alles beim Formel-1-Gipfeltreffen von Istanbul zwischen Michael Schumacher und Mark Webber. Doch wenn man ganz genau hinschaute, dann schien es so, als würde Schumacher bei der offiziellen Pressekonferenz vor dem Großen Preis der Türkei am Sonntag (14.00 Uhr MESZ/live bei RTL und Sky) ein wenig neidisch zur neuen Nummer eins rüberschielen.

„Red Bull fährt in einer eigenen Welt“, sagte Schumacher voller Respekt. An Webber gerichtet, fügte der Mercedes-Pilot mit ehrlich gemeinter Anerkennung hinzu: „Nicht nur das Auto ist schnell, auch die Fahrer machen einen tollen Job.“ Ferrari, McLaren, Renault und sein Team hätten in den ersten sechs Rennen nicht so viele Chancen gehabt, sagte Schumacher. Doch die Aufholjagd soll jetzt beginnen. Schumacher: „Wir versuchen, die Lücke zu schließen. Es wird sehr interessant, ob uns das an diesem Wochenende gelingt.“

Natürlich wurde Webber immer wieder gefragt, ob es irgendein Erfolgsgeheimnis gebe. Doch der Australier, der die WM-Wertung nach zuletzt zwei Siegen punktgleich mit seinem Teamkollegen Sebastian Vettel anführt (beide je 78 Zähler), zuckte nur mit den Schultern und lächelte verstohlen: „Naja, wir hatten letztes Jahr schon ein super Auto, darauf haben wir aufgebaut und es vielleicht noch ein bisschen besser gemacht.“

Seit Alan Jones 1980 wartet ganz Australien auf einen Formel-1-Weltmeister. Doch Webber denkt noch gar nicht an den WM-Titel, behauptet er jedenfalls. „Wir haben ja letzte Saison gesehen, wie schnell man die anfängliche Überlegenheit wieder verspielen kann. Ich denke nur von Rennen zu Rennen.“ Und wer ist der schärfste Rivale? „Klar, das ist mein Teamkollege Sebastian Vettel“, sagt Webber.

Trotz des internen Kopf-an-Kopf-Rennens versteht sich Webber mit dem jungen Deutschen offenbar bestens. Man nimmt es ihm einfach ab, wenn er Vettel in den höchsten Tönen lobt. „Sebastian ist ein außergewöhnlicher Fahrer, er ist so verdammt schnell. Er hatte im vergangenen Jahr einige sensationelle Momente, ich hoffe, es sind diesmal ein paar weniger“, sagt der 33-jährige Aussie.

In der Formel 1 will er immer gewinnen, dafür wäre Webber bei der Fußball-WM in Südafrika schon mit einer Punkteteilung zufrieden. „Spielen wir da nicht gleich gegen deine Jungs?“, sagte Webber an Schumacher gerichtet. Der grinste den Australier nur schelmisch an und fragte nach dessen Tipp. Webber: „Ganz ehrlich? Ich hoffe auf ein Unentschieden zwischen Australien und Deutschland."

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Edel-Fan Schumacher traut dem DFB-Team auch ohne den verletzten Kapitän Michael Ballack einiges zu. „Ich hoffe aufs Finale, das wäre schön. Ich drücke jedenfalls ganz fest die Daumen. „ Mit seiner guten Laune war es allerdings schlagartig vorbei, als er wieder nach dem verbotenen Überholmanöver von Monaco und der daraus resultierenden Zeitstrafe gefragt wurde. „Es ist alles dazu gesagt worden, ich bin hier, um ein Rennen zu fahren, nur daran denke ich“, sagte Schumi leicht gereizt.

Damit Schumacher und Teamkollege Nico Rosberg auf Erfolgskurs steuern können, wurde der Silberpfeil schon zum zweiten Mal in nur wenigen Wochen modifiziert. „Wir fahren in Istanbul wieder mit der Aufhängung für den längeren Radstand, dazu kommen noch der neue F-Schacht, Heckflügel und mehr Neuerungen in der Aerodynamik“, berichtete Teamchef Ross Brawn.

Doch Mercedes läuft die Zeit davon. Mit jedem Misserfolg wird auch die Kritik an Schumachers Comeback lauter. „Mir wäre es lieber gewesen, Michael wäre nicht zurückgekehrt - wegen seiner enormen Erfolge und seines Rufs, den er sich aufgebaut hat“, sagte kein Geringerer als der dreimalige Weltmeister Sir Jackie Stewart englischen Medien.

Für Stewart steht fest: „Wenn er nicht wieder zum Seriensieger wird, ist er nicht mehr länger der Michael Schumacher, den die ganze Welt kannte.“ Der legendäre Argentinier Juan Manuel Fangio bestritt nach Ansicht des Schotten seinerzeit vielleicht ein Rennen zu viel, doch bei Michael Schumacher sei es eine ganze Saison zu viel.

Mit 22 Punkten belegt Schumacher derzeit nur den neunten Platz der WM-Wertung. Rang vier in Barcelona war bisher das beste Resultat des Mercedes-Stars. Mit sieben WM-Titeln und 91 Grand-Prix-Siegen hat Schumacher in der Formel 1 schier unglaubliche Rekorde aufgestellt - möglicherweise für die Ewigkeit.