Der Reinbeker, der für Hartenholm spielt, steht überraschend in Runde drei. Dort trifft er auf sein Idol, gegen das er nicht gewinnen will.

Paris. Respekt ja, Angst nein: Qualifikant Julian Reister blickt voller Vorfreude dem Drittrundenspiel gegen Branchenführer Roger Federer bei den French Open entgegen. Doch seine traumhafte Siegesserie in Paris beschert dem Weltranglisten-165. aus dem schleswig-holsteinischen Hartenholm auch ein Problem der besonderen Art. „Roger ist mein großes Vorbild. Er ist der beste Spieler aller Zeiten und auch als Mensch richtig klasse. Eigentlich will ich gar nicht gegen ihn gewinnen“, sagte Federer-Fan Reister vor dem Duell mit dem Titelverteidiger am Freitag.

Tuchfühlung mit der Nummer eins hatte Reister bereits vor zwei Jahren aufgenommen. Als sporadischer Trainingspartner durfte der 24-Jährige den großen Roger Federer beim Turnier in Hamburg 30 Minuten lang einspielen. „Seitdem kennt er mich und sagt auch hallo. Aber ich sage zuerst hallo“, berichtete Reister.

Die Tage von Paris fühlen sich für den gebürtigen Hamburger an wie ein gelebter Traum. „Eigentlich schlafe ich morgens gerne lang. Aber im Moment bin ich immer schon um sieben Uhr hellwach“, erzählte Reister, der bislang meist bei zweitklassigen Challenger-Turnieren aufschlug. Trnava und Alphen aan den Rijn statt New York und Melbourne.

In Roland Garros steht der Kreativspieler erstmals in seiner Karriere im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers. Selbst von 39 Grad Fieber ließ sich Reister bei seinen drei Qualispielen nicht stoppen. Und auch danach behielt er gegen den an Position 27 gesetzten Spanier Feliciano Lopez (6:1, 7:6, 6:2) und den Belgier Olivier Rochus (6:2, 6:2, 7:6) überraschend kühlen Kopf.

Die Folge: „Ich bekam Tausende von SMS und E-Mails. Die Medienpräsenz bei einem Grand-Slam-Turnier ist halt enorm“, sagte Reister, dessen bislang beste Platzierung in der Weltrangliste Rang 149 war. Grund zum Abheben sieht der Blondschopf aber nicht: „Es ist doch noch nichts Besonderes passiert. Ich habe doch keine unfassbaren Leute geschlagen.“

Das könnte sich theoretisch im Kampf um den Einzug ins Achtelfinale ändern, realistischer ist aber etwas anderes. „Natürlich kann es passieren, dass ich abgeschossen werde. Aber das wäre keine Blamage“, sagte Reister: „Ich versuche einfach, alles zu genießen.“ Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen beeindruckt an Reister vor allem, „wie selbstbewusst Julian hier aufgetreten ist“.

Im Spiel gegen Federer wartet am Bois de Boulogne die ganz große Tennisbühne auf Reister. Live-Übertragungen und bis zu 15.000 Zuschauer. Zur moralischen Unterstützung flogen am Donnerstag sicherheitshalber Mutter Silvia und der ältere Bruder Benjamin ein. Freundin Isabell ist bereits in Paris. Sein Vater ist längst tot, er starb, als Julian Reister zehn Jahre alt war.

In den nächsten Tagen will sich der Rechtshänder, der sich selbst als aufgeschlossenen und netten Hamburger Jungen bezeichnet, für seinen Erfolg in Paris mit einer Einkaufstour belohnen. „Ich werde mir ein neues I-Phone leisten“, verriet Reister. Das ist jetzt locker drin, denn durch seinen Drittrunden-Einzug ist ihm bereits ein Preisgeld in Höhe von 42.000 Euro sicher. Das ist mehr als das Doppelte von dem, was Reister bis dato in den ersten fünf Monaten des Jahres insgesamt verdient hat.

Bislang kassierte der Deutsche mit dem Realschulabschluss in seiner fünfjährigen Profikarriere knapp 170.000 Dollar. Sein nächster Gegner bewegt sich da in völlig anderen Sphären. Federer strich bis dato knapp 56 Millionen Dollar allein an Preisgeldern ein.