Ein Quartett aus Schleswig-Holstein steht bei den French Open in Paris in der zweiten Runde - dank kontinuierlicher Jugendarbeit.

Paris. Der Schleswig-Holsteiner Michael Stich aus Elmshorn war noch ein Exot in der deutschen Tenniselite. Bei den French Open steht das nördlichste Bundesland gleich mit einem ganzen Quartett in Runde zwei. „Serena Williams in der nächsten Runde heißt nicht, dass das Turnier nun für mich zu Ende ist“, kündigte Julia Görges aus Bad Oldesloe forsch an. Die 21-Jährige drückt damit auch das neue Selbstbewusstsein des kleinen Verbandes aus, der die nationale Tennisszene in den vergangenen zwei, drei Jahren aufgemischt und das Kräfteverhältnis zu den deutlich mitgliedsstärkeren Südverbänden Württemberg oder Bayern neu geordnet hat. Neben Görges und der Kielerin Angelique Kerber nahm auch das bisher namlose Qualifikanten-Duo Tobias Kamke (Lübeck) und Julian Reister (Reinbek) seine Auftakthürden. Kamkes prominenter Mentor: Michael Stich.

„Offensichtlich wird da schon früh im Verband gut gearbeitet - Danke dafür an Herby Horst“, sagt Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner. Der Südafrikaner Horst ist Verbandstrainer in Schleswig-Holstein. Als Erfolgsgeheimnis sieht der 54-Jährige: „Wir legen sehr gute Grundlagen, und wir tun es kontinuierlich. Wir lassen nicht so schnell Spieler fallen wie vielleicht andere Verbände, weil wir auch einfach nicht so viele Talente haben.“ Horst macht den Job seit 1993.

So sind die beiden dicken Freunde Kamke und Reister bei ihrem ersten Zweitrundeneinzug in einem Grand-Slam-Turnier auch bereits 24 Jahre alt. „Das hat einfach mit dem Reifeprozess der beiden zu tun“, sagt Horst. „Und auch mit unserem Schulsystem.“ Kamke hat Abitur gemacht, Reister - wie Görges und Kerber - Realschulabschluss.

Den Weltranglisten-165. Reister, der überhaupt zum ersten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier im Hauptfeld steht und mit seinem glatten Erstrundenerfolg über den gesetzten Spanier Feliciano Lopez völlig überraschte, beschreibt Horst als einen „sehr kreativen und eleganten Spieler und einen sehr fröhlichen und lebenslustigen Typ“. Reister trainiert - wenn er zuhause in Reinbek ist - mit Horst.

Kamke, die Nummer 157 der Welt, ist für Horst „auch ein sehr lebenslustiger Junge, fast ein perfekter Konterspieler, mit einem der besten Returns, die ich kenne, und sehr flink“. Kamke trainiert daheim mit dem anderen Verbandstrainer Maik Schürbesmann. Auf Tour wird das Duo Kamke/Reister von Ex-Spieler Ralph Grambow gecoacht. Kerber und Görges sind charakterlich unterschiedlicher: „Angie ist eine sehr zurückhaltende Person mit einer unglaublichen Spielintelligenz und einer unglaublichen Raumaufteilung“, sagt Horst über die 22-jährige Kerber, die mit der Drittrundenteilnahme bei den Australian Open zuletzt aufhorchen ließ und kurioserweise alles andere außer Tennisspielen mit der rechten Hand macht.

Profitiert hat die Nachwuchsarbeit in Schleswig-Holstein auch von zwei Mäzenen: Vor einigen Jahren stampfte der britische Lord Chris Hastings-Longorf Hartenholm den nur auf Herren-Leistungstennis ausgerichteten Club Logopak Hartenholm aus dem Boden, für den auch Kamke, Reister und Stich aufschlugen. Etwa zeitgleich päppelte der Apotheker und Geschäftsmann Frank Intert den bis dato unbekannten TC Rot-Weiß Wahlstedt zum Damen-Leistungszentrum auf und führte ihn - wie der Lord Hartenholm - bis in die zweite Bundesliga - mit Görges als Zugpferd. Inzwischen hat der Lord sein finanzielles Engagement beendet; Kamke und Reister bestreiten ihre Mannschaftsspiele in der ersten Bundesliga für Neuss, Görges tritt in der ersten Liga für Moers an. „Generell ist es ja auch egal, von wo aus Deutschland die Jungs und Mädels kommen“, meint Fed-Cup-Teamchefin Rittner.