Monaco: Der schillernde Zwergstaat an der Côte d'Azur. Außer Glücksspiel, Nobelherbergen und teuren Autos hat der Treffpunkt der Reichen auch etwas für den kleineren Geldbeutel zu bieten.

Mittags um zwölf Uhr auf dem Flughafen Nizza. Wir müssen uns beeilen, um den Hubschrauber nach Monaco noch zu erreichen. Es ist kaum zu glauben, aber der Flug mit Heli Air Monaco ist billiger als ein Taxi, das sich auch noch stundenlang durch den dicken Verkehr an der Côte d'Azur quälen muss. Wir hingegen brauchen in der Luft nur sieben Minuten.

"Grandios - was für ein Ausblick!" Sieben Passagiere an Bord des Helikopters sind hingerissen. Unter uns das tiefblaue Meer, auf dem weiße Schaumkronen tanzen. Jachten wiegen sich in der Brise. Der Pilot steuert einen schroffen Felsen an und landet wenig später auf einer Betonpiste, einem Teil des 190 Hektar großen monegassischen Territoriums. Dieser Zwergstaat ist etwa so groß wie unsere Außenalster, er nimmt kaum die Hälfte der Fläche des Londoner Hyde Parks ein. "Aber was wir Monegassen im Laufe unserer Geschichte aus unserem zwischen Frankreich und Italien eingezwängten Stück Land gemacht haben, ist schon eine Erfolgsstory." Cicerone Elisabeth ist stolz darauf, Bürgerin des zweitkleinsten Staates der Welt zu sein - noch winziger ist nur der Vatikan. Der Landstrich war schon aufgrund seiner strategisch günstigen Lage schon immer ein begehrter Siedlungsraum.

Als erstes kamen die Phönizier. Im 5. Jahrhundert v. Chr. folgten die Griechen, die ihrer Siedlung den Namen Monoikos gaben. Später streckte das Imperium Romanum die Hand nach dem Felsen aus und taufte die neue Kolonie in Herculis Monoeci portus um. "Im 13. Jahrhundert begann unsere eigentliche Geschichte, als das genuesische Geschlecht der Grimaldi sich hier niederließ. 1419 nahm die Familie den Fürstentitel an", schließt Elisabeth ihren Bericht. "Es wird übrigens gemunkelt, dass die Vorfahren unseres heutigen Herrschers Seeräuber waren." Als 1731 das Geschlecht in der männlichen Linie erlosch, nahm die Familie von Goyon Matignon das Zepter in die Hand, hielt aber weiter an dem Namen Grimaldi fest.

Das von einer herrlichen Bergkulisse eingerahmte Palais Princier mit der eleganten Galerie und den Bogenfenstern erinnert eher an eine hochherrschaftliche Villa als an einen Palast. Die wahrhaft fürstlichen Schätze sind im Inneren verborgen: etwa die Hofkapelle, der prächtige Thronsaal oder das Musee du souvenir Napoleonien gleich nebenan, in dem die Geschichte des Fürstentums dokumentiert wird. "Der Fürst ist heute zu Hause", bemerkt eine alte Frau, die neben uns unter einer Palme Zuflucht vor der sengenden Sonne sucht. "Das sehen Sie an der Flagge, die über den Zinnen des Palastes weht." Sie ist begeistert von Albert II., der den Platz seines Vaters Rainier so würdevoll eingenommen hat und im ganzen Land geliebt und verehrt wird. "Eigentlich braucht er gar keine Garde", sagt sie und zeigt auf die von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidete Wache, die mit geschultertem Gewehr vor dem Palast patrouilliert. "Er hat 7000 Bewacher - alle gebürtigen Monegassen. Und die 32 000 Zugereisten mögen ihn auch!" Kein Wunder, denn wer einen monegassischen Pass besitzt oder mehrere Monate im Jahr hier lebt, genießt Privilegien, die kein anderes Land der Welt seinen Bürgern gewährt.

Die Steueroase Monaco ist besonders dem französischen Finanzminister ein Dorn im Auge. Benot, ein Franzose, der zwischen dem nur einen Katzensprung entfernten Cap d'Ail und Monaco hin- und herpendelt, ist sichtlich amüsiert: "An Rainier hat sich Paris schon die Zähne ausgebissen, und bei dem cleveren Albert wird unsere Regierung auch nichts erreichen. Es lebe die Steuerfreiheit!" Viele Zugereiste haben winzige Wohnungen in häßlichen Hochhäusern angemietet, welche die Skyline von Monaco zunehmend verschandeln. "Hier residieren auch einige bekannte Deutsche", verrät Elisabeth. Bei der Frage nach den Namen bleiben ihre Lippen aber versiegelt. Diskretion ist oberstes Gesetz im Fürstentum.

Der obligatorische Rundgang durch Monaco führt über den Botanischen Garten mit seinen prächtigen exotischen Pflanzen zum Ozeanografischen Museum, in welchem die Fauna des Mittelmeeres zu sehen ist, und endet auf dem Place du Casino. Zwischen den Blumenrabatten auf dem Rondell lugt ein Elefant aus Plastik hervor, der anmutig den Rüssel hebt. Über den Glücksbringer freut sich manch einer, bevor er aufs Kasino zusteuert.

Vor dem Portal der Spielbank parkt alles, was schnell und teuer ist. Ein schnittiger Porsche behauptet sich neben einem feuerroten Ferrari, dem gerade ein flippig gekleidetes Paar entsteigt. An den Roulettetischen dieses goldstrotzenden Tempels der Belle Epoque herrscht reges Treiben. Überwachungskameras sorgen dafür, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht. Michel Marquese, der PR-Chef des Kasinos, gibt gern Auskunft über die Spielbank. Sie ist noch immer das Herzstück Monacos, und viele Touristen schauen lediglich herein, um einmal die Luft der "Mutter aller Kasinos" zu schnuppern - für einen Obolus von zehn Euro.

Rund um die vielen grünen Roulettetische brummt es. Ein altes Ehepaar steuert gerade mit seinem Gewinn auf den Ausgang zu. Es gibt auch Gäste, die um sehr hohe Einsätze spielen und nicht erkannt werden wollen. Ihnen stehen abgeschirmte Räume zur Verfügung. "Die fürstliche Familie", lächelt Monsieur Marquese, "hat übrigens nicht das Recht, das Kasino zu betreten. Wenn sie in die Oper gehen will, die sich im selben Gebäude befindet, muss sie einen Seiteneingang benutzen." Und dabei rettete das Glücksspiel die Dynastie der Grimaldis im späten 19. Jahrhundert vor dem buchstäblichen Bankrott. Mit der Gründung der SBM, Societe des Bains de Mer, kam die Rettung. Da Spiele dieser Art in Frankreich und Italien nicht erlaubt waren, wurde "Monte Carlo" bald nicht nur zum Ziel aller Glücksritter der Region. Aus aller Welt rückten Spielernaturen an, selbst aus dem fernen Russland. Einer der prominentesten Spieler war der Literat Anton Tschechow, der das Roulette zwar als amoralisch verdammte, seinem Reiz aber nicht widerstehen konnte.

Rund um das Kasino entstand eine Welt, die bis heute virtuell anmutet. Nobelherbergen wie das "Hôtel de Paris" und das zur Hafenseite mit zarten "Lüftlmalereien" dekorierte "Hermitage" legen Zeugnis ab von dem unerhörten Luxus, den die Reichen und Schönen seinerzeit liebten. Über riesigen Hallen und Sälen wölben sich Kuppeln aus Glas und Stahl. Der Gast durchschreitet verspiegelte, mit kostbaren Möbeln bestückte Korridore. Natürlich sind auch die Zimmer und Suiten luxuriös ausgestattet. Manche verfügen sogar über eine Terrasse mit Whirlpool und Blick auf das Meer. Die größte Attraktion sind die Thermes marins, eine atemberaubende Badelandschaft. Hier kann man zwischen kühlen Marmorwänden und gläsernen Aufzügen in dem mit Meerwasser gefüllten Pool schwimmen.

"Moment mal", sagt Elisabeth, als wir sie auf den für viele kaum bezahlbaren Luxus im Fürstentum ansprechen. "Das Monaco der Leute mit bescheidenerem Budget gibt es auch noch." Sie führt uns durch die Gassen etwas abseits der Schickeria-Meile. Und dort entdecken wir malerische Häuser, in denen Boutiquen hübsche Ware zu erschwinglichen Preisen anbieten. Eine Empfehlung: Im Restaurant des Forum Grimaldi genießt man nicht nur einen traumhaften Blick auf das Meer, sondern speist gut und günstig. Eine reichhaltige Vorspeise aus frischen Meeresfrüchten kostet 15 Euro.

Ein Muss ist der Besuch der neoromanischen Kathedrale, in der sich das Grab der 1982 tragisch verunglückten Fürstin Gracia Patricia - alias Grace Kelly - befindet. Es ist stets mit Blumen geschmückt. Die Menschen halten hier für ein kurzes Gebet inne. Wenn Claudia Batthyny, die Marketingchefin des berühmten Hotels "The Fairmont", auf die verstorbene Fürstin zu sprechen kommt, treten Tränen in ihre Augen: "Sie war eine Mutter für uns. Nach ihrem Tod hat ganz Monaco Trauer getragen. Wir vermissen sie noch heute." An der Corniche Moyenne ist eine Gedenktafel für die Fürstin aufgestellt worden: "Sie kennen doch alle den Film ,Über den Dächern von Nizza'. Und genau in der Kurve, wo sie nach rasender Fahrt in ihrem Sportwagen mit Cary Grant neben sich angehalten hat, ist sie 30 Jahre später verunglückt."

Schnelle Autos machten von jeher einen Teil des Charmes von Monaco aus. Eine Strecke des Grand Prix führt direkt am "Fairmont" vorbei. An Renntagen drängen sich schon die ersten Fans ab sechs Uhr morgens auf der Aussichtsterrasse. "Was Sie bisher gesehen haben, ist alles schön und gut", sagt Michel Bouquier, seines Zeichens monegassischer Tourismusbeauftragter. "Aber wir sind seit längerer Zeit dabei, Monacos Image aufzupolieren." Das nostalgische Flair soll zwar weiterhin bestehen, jedoch die Dynamik des Fürstentums nicht überdecken. Albert II. ist ein intelligenter Mann, der weiß, dass die Zukunft seines Landes auf verschiedenen Säulen ruht. Hierzu zählen beispielsweise sanfter Tourismus, Kultur und Sport sowie innovative Industrien: "Denken Sie nur an unsere weltberühmte Oper oder das Philharmonische Orchester. Oder nehmen Sie das traditionelle Zirkusfestival. Man muss auch nicht den ganzen Tag an der Plage du Larvotto schmoren. Immerhin haben wir über 1000 Kilometer Wanderwege." Um das nur zwei Quadratkilometer große monegassische Staatsgebiet zu erweitern, wird dem Meer in zunehmendem Maße Land abgetrotzt. "Es gibt noch viel zu tun", lächelt Michel Bouquier. "Aber bedenken Sie, was hier im Laufe der Zeit erreicht wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts war dieses Territorium praktisch Brachland. Es gab nichts außer ein paar Orangen- und Olivenbäumen. Viele Bewohner ernährten sich vom Fischfang. Heute gibt es nur noch einen Fischer vor Ort. Er heißt Andre Rinaldi und geht seinem Beruf seit 30 Jahren nach - und die Luxusetablissements reißen ihm jeden Fang förmlich aus den Händen.