Das Hamburger Abendblatt stellt zehn Wochenmärkte in Stormarn auf den Prüfstand. Ist die Auswahl groß genug? Wie ist die Atmosphäre? Auch der Dehoga-Kreisvorsitzende Axel Strehl gibt sein Urteil ab.

Ein Markt ist wie ein Zirkus, sagt Christina Nowak. Damit spielt die Käsehändlerin jedoch nicht etwa auf Händler wie Jens Heimlich an, die mit ihren Backwaren kleine Kunststücke vollbringen, oder auf die Verkäufer, die artistengleich in alle Richtungen gleichzeitig sehen und sprechen zu können scheinen. Sie redet auch nicht davon, dass wie in Zirkusfamilien auch unterschiedliche Generationen in den Betrieb auf dem Markt eingebunden sind.

Christina Nowak meint diesen Vergleich ganz pragmatisch: "Alles muss genau passen. Wenn ich zu spät käme oder gar nicht auftauchte, könnte die Geflügelfrau nicht auf ihren Platz." Ein Kunststück also, dieser Marktaufbau. Allerdings eines, das zumindest Christina Nowak und die Geflügelfrau meistens erfolgreich vollbracht haben dürften. "Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren hier. In dieser Zeit habe ich nur viermal gefehlt", sagt die Käsehändlerin, die den Stand in der dritten Generation führt.

Aber wie bei allen Kunststücken kann natürlich auch mal etwas Unvorhergesehenes passieren. "Helma! Hi", begrüßt Jörg Sperling eine Kundin. "Wo warst du denn letzte Woche?", will die von dem Besitzer des Bioland-Hofes wissen. Das wolle sie gar nicht wissen, kommt die scherzhafte Antwort. "Ich hab' doch tatsächlich verschlafen", sagt Sperling, der seit 1994 mit seinem Stand, an dem es neben Obst und Gemüse auch Wurst, Käse und Brot gibt, auf dem Glinder Markt vertreten ist.

Die Auswahl ist so groß, dass sich Kunden inspirieren lassen können

Die Kundin Helma Scheel, seit Jahren "überzeugte Biokäuferin", nimmt dem Händler sein Fehlen nicht übel. "Dafür hab' ich volles Verständnis", sagt sie. Dass es auf dem Glinder Markt einen Bio-Stand gibt, gefällt Inga Heuer-Avramovic besonders gut. "Wir sind gerade erst nach Glinde gezogen, ich bin ganz überrascht von dem großen Angebot", sagt die 36-Jährige. Das gefällt auch Markt-Tester Axel Strehl. "Die Auswahl ist so groß, dass man sich inspirieren lassen kann. Ich muss nicht vorher wissen, was ich kochen möchte", sagt der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). "Am Imbiss treffen sich die Kunden und tauschen sich aus. Danach kann man der Jahreszeit entsprechend etwas Leckeres einkaufen, zum Beispiel die Zutaten für Birnen, Bohnen und Speck", sagt Strehl, der selbst Koch ist.

Während der Dehoga-Kreischef sich umsieht, hat es sich Kundin Inga Heuer-Avramovic mit Sohn Jovan, 2, am Fischimbiss gemütlich gemacht. Juniorchef Dennis Haecks und seine Mitarbeiter besorgen den Fisch morgens auf dem Hamburger Großmarkt. "Die Kunden kaufen vor allem viel Holländisches Matjesfilet, wenn die richtige Zeit dafür ist", sagt Patricia Schröder. Die Saison ende allerdings gerade. "Unsere Salate und Räucherwaren stellen wir selbst her, das geht auch immer gut." Der Fischhandel von Dennis Haecks steht seit knapp 40 Jahren mittwochs und sonnabends auf dem Glinder Markt, früher noch unter der Leitung des Seniors. Jens Heimlich ist alle zwei Wochen am Mittwoch auf dem Markt vertreten. Der Trittauer bietet Kekse aus der eigenen Backstube an. Butter-Sandtaler, Mandelkekse, Dinkel-Käse-Taler, Weizen-Zimt-Kekse und viele Sorten mehr umfasst sein Angebot, alles auch für Allergiker. "Ich arbeite nach dem Prinzip weniger ist mehr. Ich benutze nur ausgewählte Rohstoffe und keine künstlichen Aromen", sagt Heimlich, der seit 2003 Kekse backt.

Eine Kundin tritt an den Verkaufstresen und sieht sich unentschlossen um. Heimlich reicht ihr einen Keks. "Probieren Sie mal. Roggen-Zimt, die sind gut für Teetrinker." Die Frau steckt sich den Keks in den Mund. "Hmm. Die haben was. Davon nehme ich 100 Gramm", sagt sie. Jens Heimlich wiegt die Kekse ab. Am Ende packt die Kundin sieben Kekstüten ein und verabschiedet sich. "Schön, dass Sie da sind", sagt sie zu Jens Heimlich.

Auch die Liebe spielt auf dem Markt dann und wann eine große Rolle

Damit die Händler weiterhin gern zum Markt kommen, sorgen hinter den Kulissen Stephan Ohlhaver und André Lehnherr als Obmänner dafür, dass alles rund läuft. "Wir vertreten die Interessen der Händler gegenüber der Stadt", sagt Ohlhaver, der diese Aufgabe vor acht Jahren übernommen hat.

Hinterm Vorhang ist also alles klar. In der Manege sorgen Händler und Kunden gemeinsam dafür, dass das Publikum das geboten bekommt, was alle Zuschauer sehen wollen: Liebe. Arno Beyer und seine Frau feiern im Oktober Goldene Hochzeit. Am Stand von Gerda Pelch kauft der 70-Jährige Sonnenblumen. "Ich bringe meiner Frau seit jeher jede Woche Blumen mit", sagt Beyer. "Wenn sie mal keine haben will, nehme ich die Blumen halt selbst." Aber auch dann, sagt Beyer lachend, sei seine Frau an dem Geschenk beteiligt: "Sie muss mir eine Vase zur Verfügung stellen."

Manchmal ist die Lage aber auch ein wenig verzwickter, da braucht es schon einen Verzauberungskünstler, der die Frau auf die richtige Spur bringt. Dass das klappen kann, weiß Christina Nowak. Die Käsehändlerin gehört zu den Marktartisten, die ihre Köpfe scheinbar in alle Richtungen zugleich drehen können. Vor einigen Jahren kamen immer zwei Kundenpärchen an den Käsestand. "Sie hatten die gleiche Einkaufszeit, standen aber mit ihren jeweiligen Partnern an entgegengesetzten Enden der Theke", sagt Nowak. "Obwohl der Stand voll war, habe ich gleich gemerkt, dass die eine Kundin den Mann der anderen toll fand."

Keine zwei Monate dauerte es, da hatten sich zwei neue Einkaufs- und Lebenspartner an der Käsetheke zusammengefunden. "Heute wohnen die beiden zusammen und haben gerade ein Haus gebaut", sagt Nowak, für die Geschichten wie diese, die von Liebe handeln, von Kundinnen, die schwanger werden, und Kindern, die aufwachsen, mit das Schönste an ihrem Beruf sind.

Wenn der letzte Vorhang gefallen ist, - Applaus, Applaus - ziehen die Kunden mit vollen Einkaufstüten von dannen, und die Händler bauen ihre Theken ab. Für sie wird es Zeit, sich auf die nächste Vorstellung vorzubereiten, denn am Sonnabend heißt es wieder Manege frei für Liebe, Kunst und, natürlich, gutes Essen.

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