Abendblatt-Schreibwettbewerb: Der Leser Norbert Adler erzählt, wie ein Café in Sachsen seinen Silberschatz wiederbekam. Eine interessante Geschichte.

Ahrensburg. Die Resonanz auf unseren Wettbewerb "Stormarn schreibt ein Buch" ist beeindruckend. Sehr persönliche, anrührende und höchst unterschiedliche Geschichten sind bei der Stormarn-Redaktion des Abendblattes eingegangen. Wir freuen uns über die rege Teilnahme, die das kreative Potenzial unserer Leser zeigt und die auch ein Beleg dafür ist, wie stark das Thema "DDR" die Menschen nach wie vor bewegt. Die Abendblatt-Aktion knüpft an das Projekt "Stormarn liest ein Buch" an, in dessen Mittelpunkt der DDR-Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Eugen Ruge steht. Die von Kreiskulturreferentin Friederike Daugelat initiierte Lesereihe geht am 13. Mai zu Ende. Auch für unseren Schreibwettbewerb ist dann Einsendeschluss. Heute lesen Sie die Geschichte von Norbert Adler aus Glinde.

Sie waren bei uns in der Familie in aller Munde gewesen. Tagtäglich wurden sie gebraucht. Mal als Kaffee-, mal als Teelöffel. Jahraus, jahrein. Ich bin sozusagen mit ihnen groß geworden. Die Rede ist von stabilen, versilberten, kleinen Löffeln mit der Aufschrift "Trömel". Wir Kinder buchstabierten bei Tisch "T - r - ö - m - e - l". Was das bedeuten würde, woher der Name käme. Wir hatten schließlich einen ganz anderen Familiennamen. Eines Tages wurde uns mit kargen Worten gebeichtet, dass es sich um Besteck eines ehemaligen Cafés in Plauen im Vogtland handeln würde.

Bewusstes Café hätte den Namen "Trömel" getragen und sei in den letzten Kriegswochen bei Luftangriffen schwer beschädigt worden. Wie die Eltern nun genau an die "Silberlinge" gerieten, sagten sie nicht. Als Kind wagte ich nicht, genauer nachzufragen. Warum auch, es genügte uns, dass wir die Herkunft erfuhren. Plauen läge nun in der "Ostzone", also unerreichbar.

Im Juli 1943 waren die Eltern ausgebombt worden. Im Herbst 1943 zogen sie mit dem wenigen, was ihnen verblieben war, nach Sachsen. Dort, in Plauen, bei der Familie der Schwester meiner Mutter, so hofften sie, wären sie erst einmal in Sicherheit. Platz war genug.

Im Frühjahr 1946 kehrten die Eltern wieder zurück. Man hatte in Hamburg-Billstedt eine Untermieter-Bleibe gefunden. Bei der Ankunft waren sie im Gepäck gewesen, die Löffelchen mit der Aufschrift "Trömel". Mittellos wie wir waren, besaßen wir immerhin einen "Silber-Schatz".

Nach dem Fall der Mauer war es offensichtlich, dass diese Stadt, die uns einst als Kriegsflüchtlingen ein Zufluchtsort gewesen, nicht mehr hinter einem eisernen Vorhang verborgen war. Schon bald reifte der Plan, noch einmal dorthin zu reisen. Im Internet stöberte ich auf der Tourismus-Seite von Plauen und erfuhr, dass es dieses Café gegeben hat, dass es einer der beliebtesten Treffpunkte Vorkriegs-Plauens war. Meine von den Eltern geerbten Löffelchen fielen mir ein, die da unsortiert und immer wieder für alles gebraucht in der Besteckschublade lagen. Was wäre, wenn ich die "Kriegsbeute" meiner Eltern wieder zurückbringen würde?

Während einer Spurensuche-Reise 2004 nach Plauen lagen sie im Koffer, hübsch eingepackt zwischen Kleidungsstücken. Ich wusste, dass es das Café Trömel nicht mehr gab. Doch vielleicht gab es ja jemanden in Plauen, der sich darüber freuen würde, wenn ich meinen "Silber-Schatz" zeigen und hergeben würde. Es gäbe wieder ein "Trömel", sagte man mir im Tourismusbüro. Die Besitzer, die von einem Nachkommen der Familie Trömel die Erlaubnis erhielten, die Tradition des Hauses weiterzuführen, haben eine Gedenkstätte eingerichtet. In einem Schau-Schrank findet man Original-Gegenstände, die aus den Trümmern gerettet oder von Plauener Bürgern gespendet wurden. Sie staunten nicht schlecht, als sie die Geschichte "unserer" Teelöffel hörten. Klar wären sie sehr daran interessiert, auch unsere Löffelchen in ihrer Vitrine auszulegen. Und die wären täglich benutzt worden, wurden wir ungläubig gefragt. So waren sie also wieder daheim, zurückgekehrt, unsere "Trömel"- Teelöffel. Ich fand, dass sie nur dort hingehören. An keinen anderen Platz der Welt.

Was hätten wohl die Eltern dazu gesagt, wenn sie das noch erlebt hätten?